Lüneburg. Was ist bei einem großflächigen Stromausfall zu tun? Die notwendigen Pläne für diesen Katastrophenfall sind in Vorbereitung.
Es ist ein Szenario, über das in der Öffentlichkeit zunehmend ernsthafter diskutiert wird: Welche Folgen würde ein großflächiger Stromausfall, ein sogenannter Blackout haben? Und mit welchen Vorsichtsmaßnahmen können die Auswirkungen bestmöglich aufgefangen werden? Der Landkreis Lüneburg ist für diesen Katastrophenfall bisher nicht ausreichend vorbereitet. Das geht aus einer Stellungnahme der Verwaltung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervor. Auch im Landkreis Harburg steckt man noch in den Vorbereitungen für den erforderlichen Sonderplan „Blackout“.
Erachtet die Lüneburger Kreisverwaltung den Katastrophenschutzplan im Falle eines „Blackouts“ für ausreichend? Das wollten die Liberalen mit ihrer Anfrage erfahren. Der Katastrophenschutzplan bilde dieses Szenario nicht ab, so die Antwort. In diesem Fall entstehe ein Sonderplan, die dafür notwendige erste Grundlagenbeschreibung sei erfolgt. Ein Punkt darin sind sogenannte Katastrophenschutz-Leuchttürme. An diesen Anlaufstellen, zum Beispiel Rathäusern oder Feuerwehrhäusern, können Bürger sich über die Lage informieren, Hilfsangebote erhalten und Notrufe absetzen. Auch Ärzte könnten dort erreichbar sein.
Fazit aus dem Kreishaus ist ernüchternd
Die Beschreibung ist jedoch nur ein Anfang. Sie bedarf einer umfassenden weiteren Bearbeitung, heißt es aus der Verwaltung. Das Fazit aus dem Kreishaus ist daher ernüchternd: „Derzeit sind die Planungen für einen großflächigen, langanhaltenden Stromausfall nicht ausreichend.“
Was bereits vorliegt und was noch gemacht werden muss, erläutert Sonja Sachse. Sie leitet den Fachdienst Ordnung beim Landkreis Lüneburg und ist damit auch für den Brand- und Katastrophenschutz verantwortlich. Der Katastrophenschutzplan des Landkreises wird web-basiert geführt und gleicht damit einer Datenbank oder einem Netzwerk. Natürlich gebe es auch eine gedruckte Version, sagt Sachse. „Sonst hätten wir ohne Strom ein Problem.“ Der Plan enthält keine konkreten Maßnahmen, sondern gibt vielmehr eine Übersicht über verfügbare Einsatzkräfte, Ansprechpartner in Behörden und Dienststellen, vorhandenes Gerät und besondere Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Flugplätze. Auch mögliche besondere Schadenslagen wie Hochwasser und Chemieunfälle werden benannt.
Sonderplan für einen möglichen Stromausfall liegt noch nicht vor
Dass der zusätzliche Sonderplan für einen möglichen Stromausfall noch nicht vorliegt, begründet die Fachdienstleiterin mit „erheblichen Personalengpässen“ seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Der Sonderplan wurde jedoch in Workshops und Arbeitsgruppen grundsätzlich vorbereitet, spätestens im Januar sollen die Ergebnisse verschriftlicht sein. „Das Konzept hat hohe Priorität“, sagt Sachse. Das Thema sei schon immer wichtig gewesen und habe mit der Ukraine-Krise und zunehmenden Cyber-Angriffen noch einmal zugenommen. „Es hat eine gewisse Dynamik entwickelt“, so Sachse.
Am Ende soll der Sonderplan mehrere Punkte enthalten, wie den Erhalt der kritischen Infrastruktur und die Versorgung mit Kraftstoff. Die Kommunikationswege müssen ebenso geklärt sein wie die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten. Die konkreten Maßnahmen und ihre Kosten müssen jeweils politisch beschlossen und bewilligt werden.
Am Anfang steht die Alarmierung der Bevölkerung. Im Landkreis Lüneburg sind noch 104 Sirenen funktionsfähig, sie werden von den jeweiligen Gemeinden betrieben. Nur in der Gemeinde Adendorf, der Samtgemeinde Dahlenburg und der Stadt Lüneburg wurden die Sirenen vollständig abgebaut.
Bei einem Blackout wäre es wahrscheinlich, dass das Handynetz zusammenbricht
Beim bundesweiten Warntag vergangene Woche wurde das digitale Alarmierungssystem großflächig getestet. Nach einem Fehlschlag im Jahr 2020 lief es diesmal weitgehend erfolgreich. Bei einem Blackout wäre es jedoch wahrscheinlich, dass das Handynetz zusammenbreche, gibt Sachse zu bedenken. „Wir sehen jetzt, dass wir die Sirenen doch noch brauchen.“ Diese haben beim Warntag wie geplant ausgelöst.
Besonders sensible Einrichtungen im Landkreis – zum Beispiel im medizinischen Bereich, bei der Polizei und in der Trinkwasserversorgung – sind mit Notstromaggregaten ausgestattet und könnten im Falle eines länger andauernden Stromausfalls auf diese Weise versorgt werden. So ist sichergestellt, dass die Einsatzleitstelle im Gebäude der Polizeidirektion erreichbar bleibt, auch der Digitalfunk ist durch ausreichend Masten abgesichert. Das Städtische Klinikum verfügt ebenfalls über Notstromaggregate, die bei Ausfall des Stromnetzes den Betrieb für zwei Tage ermöglichen.
Solange Kraftstoff zur Verfügung steht, kann der Betrieb auch darüber hinaus aufrechterhalten werden. Gleiches gilt für die Feuerwehren, das Technische Hilfswerk, den Arbeiter-Samariter-Bund, die Johanniter und das Deutsche Rote Kreuz im Landkreis Lüneburg. Auch private Unternehmen und Kliniken sollten über eine Absicherung ihrer Stromversorgung nachdenken, sagt Sachse.
Ohne Kraftstoff wäre vieles nicht mehr möglich
Ohne Kraftstoff wäre vieles jedoch nicht mehr möglich. „Das ist der Knackpunkt“, sagt Sonja Sachse. Auch habe der Landkreis auf Ressourcen, die durch den Bund verwaltet werden, im Ernstfall keinen direkten Zugriff. „Bei vielen Dingen wären uns die Hände gebunden. Wenn es wirklich zu einem Blackout kommen sollte, werden wir ein großes Problem haben.“ Damit sei der Landkreis Lüneburg keine Ausnahme, so die Fachdienstleiterin. „Ich möchte bezweifeln, dass in irgendeinem Landkreis in Niedersachsen die Untere Katastrophenschutzbehörde sagen kann, dass sie ausreichend auf so eine Situation vorbereitet wäre.“
Der Katastrophenschutzplan des Landkreises Harburg werde stetig aktuell gehalten, sagt Sprecher Andres Wulfes. Die Erstellung eines Sonderplans „Blackout“ wurde extern ausgeschrieben, der Auftrag soll noch vor Weihnachten erteilt werden. Ende 2023 soll der Sonderplan fertiggestellt sein. „Bei einem großflächigen und langanhaltenden Stromausfall sind auch die Bereiche der kritischen Infrastruktur betroffen. Hierbei gilt es, deren Betrieb so lange wie möglich aufrecht zu erhalten“, sagt Wulfes über die besonderen Herausforderungen bei einem „Blackout“. Gleiches gelte für die Katastrophenschutzbehörde. So habe es kürzlich eine erfolgreiche Übung im Kreishaus gegeben, um die Notstromanlage zu testen.
Bei aller Sensibilität für das Thema, weist Sonja Sachse auch darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit für einen großflächigen Stromausfall im Norden Deutschlands sehr viel geringer ist als im Süden. „Aber wir können das Risiko natürlich nicht beiseiteschieben und müssen den Ängsten entgegentreten.“ Für die Bürger sei es wichtig, die Bevorratungstipps des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu beherzigen und ansonsten gelassen zu bleiben, sagt Sachse. „Im Notfall rate ich dazu, sich gegenseitig zu unterstützen und auch auf den Nachbarn zu schauen.“
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt auf seiner Internetseite Tipps zu sinnvollen Lebensmittelvorräten, Medikamentenvorsorge, Notgepäck und Dokumentensicherung. Auch Ratschläge, was in Extremwettersituationen oder bei einem Stromausfall zu tun ist, finden sich dort. Ratgeber zu verschiedenen Themen und mit Checklisten können auf der Seite runtergeladen oder als Druckversion bestellt werden. www.bbk.bund.de
Die App Biwapp ist eine Möglichkeit, sich im Katastrophenfall schnell informieren zu lassen. „Wir appellieren an unsere Bürgerinnen und Bürger, sich Biwapp auf dem Handy zu installieren“, sagt Marion Junker, Sprecherin des Landkreises Lüneburg. Über die App informieren viele Landkreise, darunter auch Harburg, nicht nur im Katastrophenfall. Es gibt auch Mitteilungen zu Schulausfällen, Extremwetter, Verkehrsstörungen, Baustellen oder Großbränden.