Landkreis Harburg/Visselhövede. Forscher entwickeln Ultraschall-Alarmhalsband, das in Norddeutschland Wölfe von Attacken abhalten soll. Die Idee kommt aus Südafrika.
Die Zahl der in Deutschland lebenden Wölfe nimmt stetig zu – und damit auch die Attacken auf Nutztiere. Allein im Landkreis Harburg gab es bisher zwölf amtlich bestätigte Übergriffe mit 43 toten und 28 verletzten Tieren. In den Landkreisen Lüneburg und Cuxhaven liegen die Zahlen noch deutlich höher (Lüneburg: 216 Übergriffe/618 tote Tiere, Cuxhaven 150 Übergriffe/384 tote Tiere). Schafe sind besonders betroffen. Ein Alarmhalsband soll zukünftig helfen, Wölfe von Attacken auf die wehrlosen Tiere abzuhalten.
„Der Wolf ist da. Wir müssen lernen, mit ihm umzugehen“, sagt Mareike Rump. Sie koordiniert beim Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen (KÖN) in Visselhövede (Landkreis Rotenburg) das Projekt „innovativer Herdenschutz“, in dem das Alarmhalsband entwickelt wird. Vorbild ist ein elektronisches Halsband namens „E-Shepherd“, das in Südafrika Schafe gegen Schakale und Karakale (Wildkatzen mit Pinselohren) verteidigt. Das Gerät registriert Fluchtbewegungen des Schafes und sendet dann Töne im Ultraschallbereich aus, kombiniert mit blitzenden Leuchtdioden.
Akustische und optische Signale sollen den Wolf verwirren
„Die Ultraschalltöne sind für Menschen nicht wahrnehmbar. Die Schafe können sie wohl wahrnehmen, aber ihr Gehör ist nicht so gut wie das des Wolfes“, erläutert Rump. Die akustischen und optischen Signale sollen den Wolf verwirren, so dass er keinen Angriff riskiert. „Der Wolf ist sehr vorsichtig. Er führt Angriffe nur durch, wenn er sich sicher wähnt, dass er dabei keinen Schaden nimmt. Das System irritiert, aber es verscheucht nicht.“ Das Halsband solle bestehende Schutzmaßnahmen wie etwa wolfsabweisende Elektrozäune ergänzen, so Rump.
Schäfer aus den Landkreisen Cuxhaven und Lüneburg am Projekt beteiligt
Nach Angaben des afrikanischen Herstellers hat sein Gerät bei beobachteten Attacken zu 100 Prozent gewirkt und die Raubtiere von den Schafen abgehalten. Mareike Rump ist da etwas vorsichtiger: Es gebe dazu keine wissenschaftlich fundierte Untersuchung. Die Dokumentation der Wirksamkeit des in der Entwicklung befindlichen niedersächsischen Alarmgebers sei – im Rahmen der begrenzten Ressourcen – Teil des Projekts. Dieses ist im März gestartet und läuft über drei Jahre.
In ihm arbeiten verschiedene Kooperationspartner zusammen: Frieder Beyer vom Bundesverband der Berufsschäfer, Philippe Jaeger, Schafhalter in Steinau (Landkreis Cuxhaven), Klaus Seebürger mit seiner Öko-Schäferei in Amt Neuhaus (Landkreis Lüneburg), Dr. Johanna Tepe von der Universität Göttingen, die Wolfsberater Ulrike Kruse und Silas Neuman sowie Rico Wunder vom Elektronik- und Softwareentwickler pironex in Rostock. Die Koordination liegt bei Mareike Rump, die Journalistin Ulrike Hoffmeister übernimmt die Öffentlichkeitsarbeit. „Wir haben Schäfer ausgewählt, bei denen es bereits Wolfsattacken gab“, sagt Rump. Schließlich müssen Wölfe bei den Herden vorbeikommen, um die Wirksamkeit des Geräts überhaupt testen zu können.
Einstellung der Empfindlichkeit der Alarmhalsbänder ist die größte Herausforderung
Das Projekt und sein Halsband befinde sich noch in den Kinderschuhen, betont Rump, derzeit gehe es noch um grundlegende Recherchen: „Wir haben jetzt unseren ersten Prototypen an beiden Herden in den Landkreisen Cuxhaven und Lüneburg getestet. Form und Aussehen des Gerätes wird sich noch verändern. Anfang 2023, vielleicht auch erst im Frühjahr, wird eine zweite Testphase mit besser kalibrierten Geräten erfolgen.“ Die genaue Einstellung der Empfindlichkeit der Alarmhalsbänder ist die größte Herausforderung. Schließlich sollen sie ruhig bleiben, wenn das Schaf vor einem vorbei kommenden Wanderer oder Pferd wegläuft, und nur anschlagen, wenn echte Gefahr im Verzug ist.
„Wir versuchen noch mehr die Bewegungen der Schafe zu verstehen, um Fehlalarme zu vermeiden“, sagt die Projektleiterin. Allerdings verhalten sich Schafsherden durchaus unterschiedlich, je nach Landschaft oder Gemüt der Tiere. Herden, die bereits eine Wolfsattacke erlitten haben, seien aufmerksamer, unruhiger. Meist laufen Schafe bei Angriffen zusammen, aber es gibt auch Herden, wo der Wolf die Gruppe auseinandersprengt. Die unterschiedlichen Herdenverhalten seien eine Herausforderung bei der Entwicklung des Halsbandes, so Rump. „Wir wollen die Geräte miteinander vernetzen, damit sie die Bewegung der gesamten Herde wahrnehmen.“ Dann ließe sich die Alarmierung zum Beispiel erst auslösen, wenn mehrere Tiere flüchten.
Geplant ist, jedes zehnte Schaf mit einem Alarmhalsband auszustatten
Geplant ist, jedes zehnte Schaf mit einem Alarmhalsband auszustatten, wie es auch in Südafrika geschieht. Der eine oder andere Fehlalarm ist einkalkuliert, aber es dürfen nicht zu viele werden. Zwar können die Schafsherden mit den Alarmgebern offenbar gut leben, dass zeigt zumindest eine Untersuchung in Südafrika. Danach legten Schafe mit Halsband mehr an Gewicht zu als die Tiere der Kontrollgruppe. Aber die norddeutsche Variante geht noch einen Schritt weiter und will die Alarmierung auf das Smartphone des Schäfers weiterleiten. Und der soll vor allem nachts nicht unnütz gestört werden. Zudem belasten Fehlalarme die Batterien in den Halsbändern. Sie sollen im Normalbetrieb mindestens einige Monate halten, um die Herde nicht zu oft zu stören.
Bestenfalls können die Alarmhalsbänder mit einer Videokamera kombiniert werden, die ebenfalls über das Smartphone zu bedienen ist. Sie kann im Alarmfall dem Schäfer die Szenerie zeigen, so dass er entscheiden kann, ob er losfahren und eingreifen muss oder nicht.
Das Gerät wird etwa das Format eines Stücks Butter haben
In der Endversion soll der Alarmgeber maximal die Größe und das Gewicht eines Stücks Butter (250 Gramm) haben. Er wird eher von größeren Schafen getragen werden. Bis März 2025 wollen die Projektpartner ein Alarmhalsband entwickelt haben, das nicht nur zuverlässig funktioniert, sondern auch verkaufsfähig ist. Rump: „Wir brauchen ein Gerät, das sich die Schäfer leisten können.“ Die Schäferei stehe ohnehin unter Druck, etwa durch erhöhte Futterkosten.
Bestenfalls wird das Alarmhalsband die niedersächsischen Schäfer langfristig stärken. Weil ihre rund 180.000 Schafe dann besser geschützt als bisher die Deiche und Heidelandschaften pflegen können.