Lüneburg. Vorbild Alba Berlin: Kita, Schule und Sportverein bringen Lüneburger Kinder in Bewegung. Warum das Lernen so leichter fällt.

Wie können die Möglichkeiten des Sportsgenutzt werden, um Kinder zu stärken und damit ihre Bildungschancen zu verbessern – auch wenn ihre sozialen Startbedingungen nicht optimal sind? Eine Antwort auf diese Frage ist das Projekt „Sport vernetzt“, das im Januar in Lüneburg starten soll. Angestoßen hat es Prof. Dr. Jessica Süßenbach, die an der Leuphana Universität eine Professur für Sportpädagogik und Sportwissenschaft innehat. Im Kern geht es in dem Projekt darum, durch eine bessere Zusammenarbeit von Kitas, Schulen, Sportvereinen sowie weiteren Akteuren mehr Kinder in Bewegung zu bringen.

Prof. Dr. Jessica Süßenbach ist Professorin für Sportpädagogik und Sportwissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg.
Prof. Dr. Jessica Süßenbach ist Professorin für Sportpädagogik und Sportwissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg. © Brinkhoff-Moegenburg/Leuphana | Brinkhoff-Mögenburg/Leuphana

Umgesetzt wird das sogenannte Sozialraumprojekt in Kaltenmoor, dem Stadtteil in Lüneburg, der am meisten Unterstützung gebrauchen kann, wie Süßenbach sagt. Hier sei die soziale Benachteiligung der Bewohner statistisch nachweisbar, zum Beispiel durch einen hohen Anteil an armen Familien, Alleinerziehenden und Familien mit vielen Kindern. Genaue Daten zur Ausgangssituation der angesprochenen Kinder und Jugendlichen erheben ihre Studierenden derzeit in verschiedenen Befragungen.

Konzept für „Sport vernetzt“ stammt vom Basketballverein Alba Berlin

Entwickelt und erprobt wurde das Konzept für „Sport vernetzt“ bereits seit 2005 vom Profi-Basketballverein Alba Berlin. „Wie kann der organisierte Sport vor Ort gesellschaftliche Verantwortung übernehmen? Das ist eine Frage, die nicht nur wir uns bei Alba stellen, sondern die viele Vereine im ganzen Land umtreibt“, beschreibt Henning Harnisch, früherer deutscher Nationalspieler und Vizepräsident des Vereins, den Ansatz. Mittlerweile gibt es Projektstandorte auch in 14 weiteren deutschen Städten.

In Lüneburg werden sich zunächst die Anne-Frank-Grundschule, ein bis zwei Kitas aus dem Stadtteil sowie der Volleyballverein SVG Lüneburg, dessen Herren in der Bundesliga spielen, beteiligen. Der Kreissportbund ist dabei, mit der Stadt ist die Initiatorin ebenfalls im Gespräch. „Wir werden klein anfangen. Später soll sich das Projekt schrittweise in den Stadtteil ausdehnen“, sagt Süßenbach. So soll künftig auch die IGS Kaltenmoor einbezogen werden. Alle Beteiligten werden sich regelmäßig zum Austausch treffen, um weiterzuentwickeln, wie das Konzept bestmöglich umgesetzt werden kann.

In Lüneburg arbeiten Anne-Frank-Grundschule, Kitas und Volleyballverein SVG zusammen

Trainer der SVG, Studierende der Leuphana sowie ein Sportlehrer der Anne-Frank-Schule werden in den Einrichtungen jeweils einmal pro Woche eine Sport-AG anbieten. Dabei gehe es nicht darum, eine bestimmte Sportart zu erlernen, betont die Professorin. „Es ist ausdrücklich ein spielerisches Angebot mit vielfältigen Bewegungsanregungen. Wir wollen die Kinder nicht trainieren, sondern sie den Sport erleben lassen.“

Auch wenn das zusätzliche Bewegungsangebot gesundheitliche Vorteile für die Kinder mit sich bringt, steht in diesem Fall ein anderes Ziel im Vordergrund: Langfristig soll mit Hilfe des Projekts die soziale Ungleichheit verringert werden. Dahinter steht die Idee, dass die Kinder durch Breitensport nicht nur zu Bewegung angeregt werden. Es verbessere zugleich die Bildungschancen, sagt Süßenbach. „Kinder lieben Bewegung, Spiel und Sport. Das ist ein gutes Einfallstor, um sie frühzeitig zum Lernen zu motivieren.“

Professorin: „Beim Sport erfahren Kinder Anerkennung und Zugehörigkeit“

Im Blick hat sie zum Beispiel Kinder, die im Schulalltag Frustration erfahren und deshalb womöglich irgendwann beim Lernen nicht mehr Schritt halten können. Beim Sport lernten sie nicht nur, Regeln zu befolgen und sich in Gruppen einzugliedern, sagt die Forscherin. „In diesem Kontext erfahren sie Anerkennung, Zugehörigkeit und auch Körperlichkeit. All dies kann ihr Selbstkonzept stärken, sodass sie auch in anderen Bereichen wieder motiviert sind zu lernen.“

Die Sportpädagogin sieht das Potenzial eines zusätzlichen, gut abgestimmtem Sportangebot eng verbunden mit dem Ausbau der Ganztagsschulen. Bisher ist das Nachmittagsangebot zumeist nicht verpflichtend und zudem in den Händen externer Träger. So gibt es kaum eine Verbindung zum Schulunterricht am Vormittag. Süßenbach geht davon aus, dass sich das von 2026 an ändern wird. Dann gilt ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen. „Das wird die Schullandschaft verändern und mehr Verlässlichkeit bringen.“ Eine große Herausforderung sei in diesem Zusammenhang allerdings der Personalmangel.

Prof. Dr. Jessica Süßenbach stellt das Projekt in Lüneburg vor

Mit „Sport vernetzt“ soll nun in Lüneburg ein Schritt getan werden, um den Kinder- und Jugendsport nachhaltiger zu denken. Süßenbach: „Unser Ziel ist es, Sportbürger zu entwickeln, die auch weitere Lebensphasen gut meistern.“

Jessica Süßenbach stellt das Projekt an diesem Dienstag, 19 Uhr,vor. Auf Einladung der Universitätsgesellschaft spricht sie im Foyer des Museums Lüneburg, Willy-Brandt-Straße 1. Der Vortrag „Sport vernetzt – eine Sportidee für Lüneburg“ mit anschließender Diskussion wird auch als Live-Stream übertragen. Den Zugangscode erhalten die Gäste nach der Anmeldung per E-Mail an gf@ug-lg.de. Weitere Informationen auf www.ug-lg.de.