Buxtehude. In nordisch-mystischer Atmosphäre nimmt die Autorin den Preis für ihren Fantasykrimi „Anzuz“ entgegen, bleibt als Mensch aber nebulös.
Nebelschwaden steigen von der Bühne auf. Dazu ein mystisch anmutendes Lichtspiel, schwelgerische Live-Klänge des Musikerduos Joco und ein Rabe, der das Publikum von der Bühne beäugt: Der Auftakt zur Preisverleihung des Jugendliteraturpreises Buxtehuder Bulle am Donnerstagabend erzeugte die perfekte Stimmung für den mystischen Lesestoff, den es zu feiern galt: das Fantasybuch „Ansuz – Das Flüstern der Raben“, das nordische Mythen und Götter mit einer Krimigeschichte verbindet.
Anfang September hatte die diesjährige Jury das Erstlingswerk der dänischen Autorin Malene Sølvsten mit dem renommierten Preis ausgezeichnet. Mit 108 Punkten eine der höchsten Gesamtbewertungen in der über 50-jährigen Bullenpreis-Geschichte. Jetzt nahm die 44-Jährige die Bullenstatue bei der feierlichen Übergabe persönlich entgegen. Auf der Bühne übte Sølvsten freundliche Zurückhaltung – und auch sonst war über die Schriftstellerin selbst wenig zu erfahren.
Bullenpreis-Verleihung: Autorin Malene Sølvsten bleibt im Hintergrund
„Wo ist denn jetzt Marlene?“, wunderte sich Buxtehudes Bürgermeisterin und Gastgeberin Katja Oldenburg-Schmidt, als das große Bullen-Team für ein Gruppenfoto zusammengekommen war. Ganz hinten auf der Bühne – verdeckt von den Tänzerinnen, Musikerinnen, Jurymitgliedern, Übersetzern und Organisatoren – wartete die Dänin genügsam auf weitere Anweisungen.
Für das traditionelle Bild mit Skulptur in den Händen stand sie dann doch im Mittelpunkt, sichtlich erfreut über die Auszeichnung. „Ihr seid die nettesten Leute in der Welt“, sagte Sie in Richtung der Jury aus Erwachsenen und Jugendlichen und zu den rund 350 Gästen im Saal.
Wer das Gesicht hinter „Ansuz“ ist, wissen die Besucher der Preisverleihung nun. Wer der Mensch hinter dem Fantasy-Jugendroman ist, bleibt weiter im Unklaren. Selbst die Informationen im Netz und die Verlagsangaben zu der Schriftstellerin sind spärlich. So ist lediglich zu lesen, dass Malene Sølvsten 1977 geboren und gelernte Ökonomin ist. Mit 36 Jahren wurde „Ansuz“, ihr Romandebüt, 2016 im dänischen Original veröffentlicht. „Ansuz“ ist der erste Band einer Trilogie. Mittlerweile sind auch in Deutschland alle Teile der „Das Flüstern der Raben“-Reihe erschienen und Sølvsten arbeitet als Vollzeitautorin. Mit ihrer Familie lebt sie in Kopenhagen, nach Buxtehude begleiteten sie ihr Mann und ihr Sohn.
Ein Abend der Premieren und Rekorde mit Podcasterin Anne Sauer
Auf der Halepaghen-Bühne war derweil mehr über das Übersetzer-Duo zu erfahren, als über die Schriftstellerin. Offenbar ein bewusster Schritt. Denn aus Sicht der Podcasterin Anne Sauer, die erstmals als Moderatorin durch den Abend führte, stehen Übersetzer als wichtiger Teil des Literaturbetriebs viel zu selten auf der Bühne. In Buxtehude bekamen Franziska Hüther und Justus Carl reichlich Bühnenzeit, über das Hintergrundgespräch hinaus hielt Carl auch die Laudatio auf Gewinnerin Malene Sølvsten.
Darin würdigte er insbesondere die vielschichtigen Figuren und die unvorhersehbaren Wendungen des 800-Seiten-Buches. Die Geschichte erzählt Sølvsten aus Sicht der 17-jährigen Anne. Das Teenager-Mädchen ist aufmüpfig und sozial isoliert – bis sie Visionen eines grausamen Mordes empfängt und dadurch Mitstreiter und Freunde findet und dem Runenzeichen „Anzuz“ auf die Spur geht.
„Rabenwälzer“ – diese liebevoll gemeinte Bezeichnung fiel im Laufe des Abend immer wieder. Tatsächlich handelt es sich bei „Anzuz“ nicht nur um eines der bestbewerteten Jugendromane in der Bullen-Geschichte, sondern um das bisher dickste Gewinnerbuch.
Bisheriger Rekordhalter war Ralf Isaus „Das Museum der gestohlenen Erinnerungen“ mit 671 Seiten im Jahr 1997. Premiere feierte auch der Arktis Verlag, der erstmals ein Gewinnerbuch beim Bullenpreis stellt.
Straffes Programm für Malene Sølvsten in Buxtehude
1973 hatte der Buxtehuder Buchhändler Winfried Ziemann den Buxtehuder Bullen ins Leben gerufen. Seitdem entscheidet jährlich eine gleichmäßig mit Erwachsenen und Jugendlichen besetzte Jury über die Auszeichnung, die deutschlandweit wahrgenommen wird. Erstmals ging der Preis nun an eine Autorin oder einen Autoren Dänemark. Und zum ersten Mal begann ein Autorenbesuch in Buxtehude direkt mit der Preisübergabe.
Denn rund um die Preisverleihung des Buxtehuder Bullen ist traditionell ein straffes Programm organisiert, klassischerweise im Vorfeld der Feier. Nun ergab sich ab Freitag die Möglichkeit, doch noch mehr über Malene Sølvsten zu erfahren. Zu den Veranstaltungen gehören: Schullesungen, ein Treffen mit der Jury, die Plakettenenthüllung auf dem BULLEvard (Freitag, 15.30 Uhr vor dem Buxtehude Museum), ein Kennenlernabend in der Stadtbibliothek (Freitag, 19 Uhr) sowie Touren durch die Stadt und das Alte Land.