Neu Wulmstorf. Wegen Personalmangel erhalten Menschen in Neu Wulmstorf derzeit bis zu zehn Tage keine Post – und werden nun selbst aktiv.
Zunächst dachte Klaus Heppert, es wäre vor allem in der Heidesiedlung so, dass der Postmann fast nie klingelt und sein Briefkasten bis zu zehn Tage lang leer bleibt. Doch eine Abendblatt-Recherche ergab: Die Deutsche Post hat in ganz Neu Wulmstorf ein massives Zustellungsproblem. Ob in Rübke oder Ardestorf, im Kernort oder im Fliegenmoor – die Beschwerden über wichtige Post, die nicht ankommt, gibt es überall und reichlich.
Dass die Post nicht mehr jeden Tag kommt – daran hat sich inzwischen wahrscheinlich ganz Deutschland gewöhnt. Doch in der Neu Wulmstorfer Heidesiedlung tauchen Postboten nach Berichten der Anwohner nur noch äußerst sporadisch auf. Bis zu zehn Tagen liegen zwischen solchen „Sichtungen“. Nicht nur Anwohner Klaus Heppert hat deshalb schon Fristen und Termine versäumt. Ob Rechnungen, Mahnungen, Rentenbescheid, Arbeitsunterlagen oder Konzertkarten – wenn wichtige Post nicht ankommt, kann das für die Empfänger teils unangenehme Folgen haben. Auch Heppert musste deshalb bereits einen dringenden Arzttermin platzen lassen.
Neu Wulmstorf hat seit drei Jahren keine offizielle Poststation mehr
„Ich habe kein Verständnis dafür, dass unsere Post zehn Tage irgendwo liegt“, sagt Klaus Heppert. Beschwert hat er sich auch schon. „Aber das bringt nichts. Da gibt es nur eine allgemeine Erklärung“, sagt er. Wenn möglich, holt Heppert seine Post deshalb nun alle paar Tage selbst ab. In Neu Wulmstorf gibt es zwar seit der Schließung des Post-Standorts in der Bahnhofstraße vor rund drei Jahren keine offizielle Poststation mehr, aber eine Art Verteilerzentrum an der Königsstraße.
Dorthin pilgern nun einige Neu Wulmstorfer, um sich ihre Post abzugreifen, bevor sie tagelang herumliegt. Von der Deutschen Post DHL Group wird das allerdings nicht gern gesehen: „Eine Abholung von Sendungen an unseren Stützpunkten ist nicht vorgesehen“, sagt Post-Pressesprecher Stefan Laetsch auf Abendblatt-Nachfrage.
Der hohe Krankenstand wegen Corona sei Schuld, sagt der Pressesprecher
Der Pressesprecher bestätigt die Schwierigkeiten in Neu Wulmstorf: „Es ist richtig, dass die Zustellung in Neu Wulmstorf derzeit nicht in der Qualität erfolgt, wie es unsere Kundinnen und Kunden gewohnt sind. Wir tun alles dafür, die Verzögerungen auf ein Minimum zu begrenzen und die gewohnte Qualität wieder sicherzustellen“, so Laetsch. „Wir versichern, dass wir jede einzelne Beschwerde ernst nehmen und bedauern die Unannehmlichkeiten.“
Die bestehenden Herausforderungen seien zum einen noch durch einen hohen Krankenstand aufgrund von Corona-Erkrankungen getrieben, hinzu kämen auch Urlaubsabwicklungen, die aufgrund des aktuellen Arbeitskräftemangels nicht so einfach aufgefangen werden könnten.
Um Zustellausfälle über mehrere Tage zu vermeiden, wendet die Post an Standorten mit besonders hohen Personalausfällen das sogenannte Corona-Notfallkonzept an, erläutert Laetsch. Das sehe unter anderem vor, dass – bei einer werktäglichen Zustellung – die Haushalte nur jeden zweiten Werktag Briefe erhalten. „Das Konzept führt zwar zu längeren Brieflaufzeiten, verhindert aber Zustellausfälle über längere Zeiträume“, so Laetsch.
Die Heidesiedler vermuten, dass es mit der Struktur ihres Quartiers zu tun hat
In Teilen von Neu Wulmstorf hat dieses Notfallkonzept aber offensichtlich nicht gut gegriffen. Die Heidesiedler vermuten bereits, dass das mit der Struktur ihres Quartiers zu tun haben könnte. Es besteht hauptsächlich aus Privathaushalten, Gewerbe und Unternehmen gibt es dort kaum. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass in der Bahnhofstraße zehn Tage lang keine Post kommt“, sagt Heppert.
Post-Sprecher Laetsch widerspricht solchen Vermutungen: „Wir behandeln unsere Kunden selbstverständlich gleich und unterscheiden nicht in Privat- und Gewerbekunden. In Einzelfällen unterscheiden wir eher die Sendungsarten, in dem wir beispielsweise Werbesendungen zurückstellen.“
Als Hauptgrund für die Schwierigkeiten nennt die Post den Personalmangel. „Eine werktägliche Zustellung an alle Haushalte kann dann wieder durchgeführt werden, wenn hierfür ausreichendes Personal vorhanden ist“, bestätigt Laetsch. Dies sei wiederum im Wesentlichen vom Infektionsgeschehen und von der Personalrekrutierung am Arbeitsmarkt abhängig. „Wie alle anderen Unternehmen in Deutschland kämpft auch die Deutsche Post DHL mit der überaus angespannten Lage am Arbeitsmarkt, die das Gewinnen von notwendigen Arbeits- und Aushilfskräften herausfordernd macht“, sagt der Pressesprecher.
Briefzusteller bei der Post verdienen zwischen 2400 und 3090 Euro brutto im Monat
Daher seien bereits vor einigen Monaten umfangreiche Rekrutierungsmaßnahmen in die Wege geleitet worden. „Das Unternehmen unterstreicht dabei nochmals seine guten Arbeitsbedingungen und Löhne. Unsere Brief- und Paketzusteller, denen wir sichere, tarifgebundene Arbeitsplätze bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden bieten, verdienen zwischen 2.400 und 3.090 Euro brutto pro Monat“, so Laetsch. Hinzu kämen regional unterschiedliche Zulagen, Flexibilität durch Arbeitszeitkonten, Urlaubsgeld und ein 13. Monatsentgelt.
Entweder diese Argumente der Post als Arbeitgeber oder aber die steigenden Beschwerdezahlen aus Neu Wulmstorf und die Nachfrage des Abendblatts könnten nun aber relativ schnell für eine Verbesserung der Situation in der Region sorgen: „Für den Bereich Neu Wulmstorf haben wir ab dieser Woche neue Kräfte eingestellt“, teilt Laetsch mit. Heppert und die Heidesiedler können hoffen...