Meckelfeld. Gregorianische Gesänge lernen mit dem Chor der Kirchengemeinde Meckelfeld – wie soll das gehen? Unser Autor hat es ausprobiert!

In der einsetzenden Dämmerung wirkt die kleine Kirche der Gemeinde Meckelfeld von Weitem wie ein mythischer Ort. Doch während die Besucherinnen und Besucher durch den dunklen Eingangsbereich in die von Kerzenschein erhellte Kapelle treten, breitet sich schnell ein wohliges Empfinden aus. Die Stimmung ist entspannt, fast bedächtig.

Es ist der Gregorianik-Chor der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Meckelfeld, der hier unter der Leitung von Kantor Thomas Rims zusammengekommen ist. Wer vorher an im Gänsemarsch gehende Mönche gedacht hat, die sich in Monty-Python-Manier alle paar Schritte auf ulkige Art selbst geißeln, könnte nicht weiter daneben liegen. Statt Mönchskutte tragen die im Stuhlkreis sitzenden Mitglieder des Chors einheitlich schwarze Pullis und Hosen – obwohl ein Erscheinen in mittelalterlicher Robe sicherlich keinen Skandal auslösen würde.

Interessenten jeglicher Konfession und Herkunft sind willkommen

Es ist die Frage, die sich jedes Jahr pünktlich zum Herbstanfang stellt, wenn die Saison historisch geprägter Märkte und Festivals endet und sich so mancher Mittelalterfan die Frage stellt, wie und wo über den Winter hinweg Geschichte gelebt werden kann. Einen etwas unkonventionellen Weg dafür bietet der Meckelfelder Gregorianik-Chor von nun an Interessenten jeglicher Konfession und Herkunft an.

Gleich zu Beginn ist zu spüren, wie wenig es bei diesem Experiment um das monastische Regelwerk aus dem Mittelalter geht. Es wird gescherzt und über Alltägliches geplaudert; Mündlichkeit, das erfährt man sogleich, spielte auch in der Geschichte des gregorianischen Chorals eine übergeordnete Rolle. „Obwohl es Gregorianik bereits seit dem 5. Jahrhundert gibt, besitzen wir über mehrere Jahrhunderte hinweg keine schriftlichen Quellen“, erklärt Rims zu Beginn des Workshops.

Das liege daran, dass Mönche – Papier hatten sie schließlich lange keines – mehrere tausend Gesänge und deren Intonation auswendig kannten. Dies sei eine beachtliche Gedächtnisleistung, die heutzutage wohl nur die wenigsten vorweisen könnten.

Geschichtlicher Exkurs gehört zur Einführung in den Workshop

Nach dem einführenden geschichtlichen Exkurs studieren die Teilnehmer die eingangs verteilten Gesangshefte, während Rims das vereinfachte Notensystem sowie die entsprechenden Handgesten dazu erklärt und weitere nützliche Tipps gibt. Rims, der sein Interesse für die Gregorianik dem italienischen Autor Umberto Eco und dessen Buch „Der Name der Rose“ zuschreibt, ist mit Hingabe bei der Sache. „Ohne Jahrmarkt-Atmosphäre ist Mittelalter etwas anderes. Es hat etwas Mystisches und vor allem in der Gregorianik auch etwas Christliches“, erläutert Rims. Diese schwer zu greifende Stimmungslage herrscht auch an diesem Sonntag. Eine gewisse meditative Erhabenheit liegt über den Versammelten, während die Kirchengesänge einstudiert werden.

Dabei ist die individuelle Glaubensfestigkeit innerhalb der Gruppe Privatsache: „Jeder soll nach seiner Façon glücklich werden“, zitiert der geschichtsinteressierte Chorleiter frei nach Friedrich, dem Großen. Auch in der Tatsache, dass die Reformation zeitlich das Aus für die monastische Lebensweise im Mittelalter bedeutete, sieht Rims keinen Widerspruch: „Auch als evangelische Gemeinde kann man Gregorianik praktizieren. Es geht hier mehr um das Lebensgefühl und den meditativen Charakter.“

Stundengebet auf Latein ist Höhepunkt des wöchentlichen Treffens

Nachdem die für den heutigen Workshop vorbereiteten lateinischen Gesänge einzeln durchgeprobt worden sind, folgt der Höhepunkt des wöchentlich stattfindenden Treffens: das Stundengebet. Anders als im regulären Gottesdienst – der auch in unregelmäßigen Abständen vom Chor begleitet wird und in der Gemeinde stets auf positives Feedback trifft – wird hierbei eine dem Klosterleben nachempfundene Abfolge von einstimmigen Liedern gesungen. Auch die Neulinge werden integriert: Abwechselnd singen Chorleiter und Chor, die Gäste steigen beim Chorus mit ein.

Allgemein ist ein Umschwung in der Stimmung zu bemerken, die Gesichter in der Runde werden ernster und nachdenklicher. Das Gebet endet mit einigen Minuten gemeinsamen Schweigens. Im Anschluss an das Stundengebet erinnert die Stimmung tatsächlich an das Erwachen aus einer Meditation. Obwohl das gesamte Gebet auf Latein gesprochen wird, scheint der Zugang zu der Gemeinschaft heute deutlich leichter, als man es von deutschsprachigen und textlastigeren Gottesdiensten gewohnt ist.

In Meckelfeld gibt es auch Frauen-, Kinder- und gemischte Chöre

Während sich das sonntägliche Treffen normalerweise an den reinen Männerchor richtet, wurden beim Workshop Menschen allen Alters und Geschlechts eingeladen, sich der Gesangrunde anzuschließen. Auch sonst gibt es innerhalb der Kirchengemeinde Frauen-, Kinder- und gemischte Chöre und somit für alle Interessierten das passende Angebot. „Zum Reinschnuppern kann prinzipiell jeder sonntags zum Männerchor-Treffen vorbei kommen, natürlich sind auch Frauen willkommen“, so Thomas Rims.

Informationen zum Gregorianik-Workshop:

Der 2008 ins Leben gerufene Gregorianik-Chor unter Leitung von Thomas Rims trifft sich jeweils sonntags von 19 bis 20.30 Uhr in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Meckelfeld, Glockenstraße 5, 21217 Seevetal. Wer vorher Kontakt aufnehmen möchte, kann sich per E-Mail t.rims@gmx.de oder Telefon 0179/55 95 339 bei Thomas Rims melden.

In unregelmäßigen Abständen finden auch Auftritte statt, die rechtzeitig im Internet unter www.kirchengemeinde-meckelfeld.de angekündigt werden.