Celle. Geplante ICE-Strecke mitten durch Seevetal – In Celle kam es zum Showdown von Politik, Initiativen und Konzern
So einen Empfang hat Niedersachsens Verkehrs- und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) nicht alle Tage. Fast 200 Demonstranten standen am Donnerstag Spalier, als der Minister vor dem Celler Kongresszentrum ankam. Althusmann zog sich eine der gelben Warnwesten der Demonstranten über seinen Anzug – und hielt eine kurze Ansprache. Fast unbemerkt waren währenddessen die Bahnvertreter um Frank Limprecht (DB Netz AG) in die Kongresshalle gehuscht.
Schon mit diesen Auftritten waren die Fronten beim Statustreffen des Projektbereites Alpha-E klar abgesteckt. Die Demonstranten und Bürgerinitiativen, zusammen mit Kommunal- und Landespolitikern gegen die Deutsche Bahn mit ihren Plänen für eine mögliche Neubaustrecke durch die Heide.
Wie mehrfach berichtet, plant die Bahn als Entscheidungsgrundlage für die Bundespolitik drei Varianten der Strecke Hamburg-Hannover durch Niedersachsen. Die bestandsferne Trasse würde dabei nach den derzeit vorliegenden Plänen von Seevetal über Evendorf und Soltau bis nach Celle und Hannover durch die Heide führen: Eine ähnliche Strecke wie die, die von vielen Bürgerinitiativen schon bei den ersten Plänen im Rahmen der „Y-Trasse“ 2015 abgelehnt worden war.
Damals war der Ausbau der bestehenden Strecke über Lüneburg und Celle beschlossen worden – zusammen mit der Bahn. Trotzdem gab es intern neue Planungen, die in der Region große Kritik hervorriefen.
Im Grunde genommen keine entscheidenden Schritte weitergekommen
Nachdem in den letzten Monaten nach und nach Informationen von der Bahn an einzelne Kommunen durchgesickert waren, kamen am Donnerstag in Celle zum ersten Mal Frank Limprecht, Leiter Großprojekte der DB Netz AG und viele Bürgerinitiativen, Bürgermeister und Landräte zusammen. Ziel der Veranstaltung war es, einen Überblick über den aktuellen Umsetzungsstand des 2015 beschlossenen Ausbaus der Strecke und die neuen Bahnpläne zu geben. „Wir sind hier wieder an den Ort unserer eigenen Beschlüsse zurückgekehrt“, erinnerte Bernd Althusmann. 2015 war in der Kongresshalle im Dialogforum Schiene Nord nach langen Diskussionen die Entscheidung für den Bestandsausbau gefällt worden.
„Im Grunde genommen sind wir seitdem noch keine entscheidenden Schritte weitergekommen“, sagte Althusmann. Genauso wie damals würden die Planungen der Bahn die Menschen überrumpeln und einen Flächenbrand an Empörung auslösen.
Es droht, dass das gesamte Alpha-E-Projekt scheitert
„Es liegt nicht an den Menschen, an den Landkreisen oder dem Land Niedersachsen, dass der beschlossene Kompromiss nicht umgesetzt wurde“, so Althusmann. Es drohe, dass das gesamte Alpha-E-Projekt scheitere.
Allen Beteiligten ist dabei klar, dass es neue Schienen braucht. Das Bahnnetz in Niedersachsen, insbesondere um die Verkehrsknoten um Hamburg, Hannover und Bremen, ist teilweise seit Jahren an seiner Kapazitätsgrenze angelangt. Umso schneller hätte der eigentlich schon beschlossene Ausbau der Bestandsstrecke vorangehen müssen. Doch hier gibt es größere Baumaßnahmen erst in den kommenden Jahren.
„Es tut mir leid, wenn wir das Verkehrsministerium verloren haben.“
Besondere Kritik übte Althusmann an der Kommunikation der Bahn: „Wenn ich beispielsweise nach Seevetal komme und mir die Bürgermeisterin Emily Weede neue Karten zeigt, welche die Landesregierung noch nicht bekommen hat, kann das nicht sein. Das kann ein Bundesminister einem Bundesunternehmen nicht gestatten.“
Frank Limprecht von der DB Netz AG, versprach Besserung: „Es tut mir leid, wenn wir an der ein oder anderen Stelle das Verkehrsministerium verloren haben. Das müssen wir im weiteren Prozess besser machen.“
„Ich weiß, dass es nicht das ist, was Sie hören wollen“
Limprecht stellte bei seiner Präsentation verschiedene Trassenpläne vor. Dabei würde aber keine Variante des Ausbaus der Bestandsstrecke den angestrebten Kosten-Nutzen-Faktor von 1 erreichen, sagte er. Dieser gilt als Kriterium, ob eine Strecke wirtschaftlich sinnvoll ist – und stellt unter anderem einen wichtigen Anhaltspunkt für die Entscheidung der Politik dar.
Die Varianten einer Neubaustrecke würden diesen Faktor jedoch erfüllen. „Ich weiß, dass es nicht das ist, was Sie hören wollen“, sagte Limprecht. Er erklärte, warum die Bahn trotz des Kompromisses auf Alpha-E weiter an einem Neubau plante: „Die gemeinsam 2015 im Dialogforum erarbeitete Lösung hat sich in der planerischen Betrachtung als nicht möglich erwiesen.“
„Wir wollen mit Ihnen gemeinsam eine Entscheidung erzeugen.“
Deswegen habe man sich weitere Lösungsmöglichkeiten angeschaut. Darunter ist auch die jetzt so in der Kritik stehende „bestandsferne Strecke“.
Aktuell laufen noch die Vorplanungen für alle drei möglichen Varianten. Die Analysen werden dann der Bundespolitik präsentiert, die sich im Endeffekt vermutlich im kommenden Jahr für eine der Strecken entscheiden würde. Nachdem es bisher kaum öffentliche Informationsveranstaltungen der Bahn in den betroffenen Regionen gab, soll sich das im Winter ändern.
„Ab November werden wir mit Informationen in die Regionen gehen und dann wird es kontinuierlich weitergehen“, sagte Limprecht. „Wir wollen mit Ihnen gemeinsam eine Entscheidung erzeugen.“ Die Anmerkungen und Einwände der Kommunen würden mit in die Analysen aufgenommen, bevor sie nach Berlin gehen würden.