Landkreis Harburg. 1600 Anwohner und 120 Traktoren aus den Landkreisen Harburg und Heidekreis demonstrieren am Sonntag bei Garlstorf.
Die Deutsche Bahn steht für Planungen einer möglichen neuen Fern- und Güterverkehrsstrecke durch den Landkreis Harburg weiter in der Kritik. In der vergangenen Woche waren detaillierte Streckenpläne erstmals bekannt geworden. Mehr als 1600 Anwohner versammelten sich am gestrigen Sonntag in Garlstorf bei einer Protestveranstaltung gegen die Neubaustrecke.
Konvoi zur Kundgebung am Schießstand in Garlstorf
Der Zustrom von Traktoren im Garlstorfer Ortskern nahm kurz vor Beginn der Demonstration kein Ende. Dutzende Landwirte hatten sich bereits zwei Stunden zuvor in Bispingen versammelt, um gemeinsam in einem Konvoi zur Kundgebung am Schießstand in Garlstorf zu fahren. Auf dem Weg schlossen sich immer mehr Trecker an. Die 120 Traktoren parkten auf einem Feld vor dem Schießstand und markierten damit den nun bekannt gewordenen Streckenverlauf. Insgesamt versammelten sich etwa 1600 Bewohner der Region bei der Protestveranstaltung. Mehr als viermal so viele wie bei den letzten Kundgebungen. Was auch daran liegt, dass erst seit Kurzem der genaue Streckenverlauf der Vorplanung bekannt ist.
Samtgemeinde Salzhausen entschied, den Plan öffentlich zu machen
Der Weg zur Veröffentlichung der Pläne war kein einfacher. Trotz mehrfacher Aufforderung in den letzten Monaten, die Planungsunterlagen dem Landkreis und den Kommunen zugänglich zu machen, blieben die Ausfertigungen bei der Bahn unter Verschluss. Erst beim letzten Treffen zwischen Bahn und Landkreis wurden die Unterlagen weitergereicht. So landeten sie schließlich auch bei den Gemeinden. Die Samtgemeinde Salzhausen entschied sich, den Plan auf ihrer Internetseite öffentlich zu machen. „Wir wollen die größtmögliche Transparenz schaffen“, sagte Samtgemeindebürgermeister Wolfgang Krause bei der Protestkundgebung.
Der Plan des Teilprojekts 2 zeigt eine mögliche Linienführung vom Heidekreis aus weniger als 100 Meter neben Evendorf, östlich an Lübberstedt vorbei, um an Garlstorf und Toppenstedt wieder nur etwa 100 Meter von Wohnhäusern entfernt entlang zu gehen. Erst danach verläuft die Linie für weniger als drei Kilometer an der Autobahn 7, obwohl das Projekt oft als A7-Variante bezeichnet wird. „Das wird sehr schwierig für die Samtgemeinde Salzhausen, wenn die Pläne so umgesetzt werden”, sagte Wolfgang Krause. „Garlstorf würde beispielsweise zwischen der Autobahn und der Bahnstrecke eingekesselt.”
Neue Strecke soll teilweise nur 100 Meter an Wohnbebauung vorbei führen
Im angrenzenden Teilprojekt 1 (siehe Grafik) führt die Strecke neben Ramelsloh, zwischen Hittfeld und der Autobahn 1, nach Karoxbostel und Glüsingen. Dort schwenkt die Linie über zwei nicht bebaute Felder auf die Bahnlinie von Hamburg nach Bremen ein. Zuvor gibt es schon einen Abzweig zum Rangierbahnhof Maschen. Dass es diese Neubaupläne überhaupt gibt, stößt bei vielen Beteiligten auf große Kritik. Schließlich hatten sich Kommunen, Bahn, Bund und Land 2015 auf einen Ausbau der bestehenden Strecken geeinigt.
Mit dem Projekt „Alpha-E“ sollten die seit Jahren überlasteten Bahnstrecken von Hamburg nach Bremen und nach Hannover zukunftsfähig ausgebaut werden. Doch schon kurz danach beauftragte der Bund die Deutsche Bahn mit einer neuen Prüfung für die Bahnstrecke Hamburg – Hannover. Insgesamt drei Varianten werden im nun „Optimiertes Alpha-E plus” genannten Projekt von der Deutschen Bahn begutachtet.
Bestandteil von „Abschlussbericht zum Zielfahrplan Deutschlandtakt“
Das ist einmal der Ausbau der Bestandsstrecke, die über Lüneburg, Uelzen und Celle führt. Die zweite Variante ist eine bestandsnahe Strecke, beispielsweise mit einer Umfahrung von Lüneburg. Die bekannt gewordenen Pläne im Landkreis Harburg zeigen die Variante des bestandsfernen Neubaus, welcher auch im „Abschlussbericht zum Zielfahrplan Deutschlandtakt“ mit einem Kostenpunkt von 3,5 Milliarden Euro aufgeführt ist.
„Wir sind verpflichtet, mehrere Varianten zu prüfen und bevorzugen keine”, sagte ein Bahnsprecher dem Abendblatt. Ende des Jahres sollen die Analysen zu allen drei Varianten dem Bundestag vorgelegt werden. Die Bundespolitik entscheidet sich dann für eine der Strecken. Erst im Anschluss geht es in die Detailplanungen. Der Bahnsprecher betont: „Wir wollen mit den Kommunen während der Vorplanung erste Ideen besprechen, um die Pläne zu optimieren.” Die Pläne würden und könnten jederzeit angepasst werden.
Gegenseitige Vorwürfe und Misstrauen sind an der Tagesordnung
Von einem guten Austausch zwischen Bahnvertretern, Anwohnern und Politikern ist in der Region wenig zu spüren. Gegenseitige Vorwürfe und Misstrauen sind aktuell an der Tagesordnung. Für nicht zustande gekommen Treffen machen sich Kommunen und Bahn gegenseitig verantwortlich. Gibt es Zusammenkünfte, beschreiben sie Kommunalpolitiker später als „schweigsam” und „flapsig”. Bahnmitarbeiter erzählen, dass sie die Diskussionsrunden als „einschüchternd” empfanden.
„Informationen haben wir bisher nur von der Gemeinde bekommen”, sagte Doris Vick, Inhaberin des Restaurants Waldklause am Rande der möglichen Neubaustrecke. Sie geht davon aus, dass der Bau bei ihrem Restaurant zu finanziellen Einbußen führen wird. Ihre Gäste kämen ja schließlich auch wegen des schönen Ausblicks und nicht wegen der Sicht auf eine große Bahntrasse. Der Bahnsprecher hingegen verspricht: „Wir wollen mit der Region im Austausch bleiben. Das geht jetzt erst los.“