Winsen. Zahl der geflohenen Menschen, die die Region erreichen, steigt. Ukrainer kommen zumeist noch privat unter.
Etwa 50 Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine flüchten mussten, kommen derzeit jede Woche in den Landkreis Harburg. Hinzu kommen wöchentlich etwa 40 Geflüchtete aus anderen Ländern – das sind ungefähr doppelt so viele wie vor einem Jahr. Die meisten stammen aus der Türkei, gefolgt von Afghanistan, Syrien, Irak und Georgien. Auch Menschen aus Kolumbien, Ruanda, Iran und Pakistan sind in den Landkreis geflüchtet.
Während die Flüchtlinge aus der Ukraine weiterhin zumeist privat unterkommen, wird für die Asylbewerber aus anderen Ländern langsam der Platz knapp. Daher hat der Landkreis Harburg vor Kurzem begonnen, zwei neue Unterkünfte auf dem Gebiet der Gemeinde Seevetal zu bauen. Sie sollen im Dezember in Betrieb genommen werden.
Bisher gibt es 2732 Plätze in insgesamt 57 Unterkünften
In Meckelfeld entsteht derzeit an der Glüsinger Straße eine Containerunterkunft, in der 132 Menschen Platz finden. Die zweite Anlage wird in Hittfeld an der Straße „Am Küstergarten“ gebaut. Dort können zunächst 70 Menschen unterkommen. Bisher gibt es 2732 Plätze in insgesamt 57 Unterkünften, die der Landkreis bewusst über das Kreisgebiet verteilt errichtet hat. Im Kreishaus hat man sich gegen eine zentrale Einrichtung entschieden, um unter anderem die Integration der Geflüchteten zu erleichtern. Auch die neuen Unterkünfte wird das Unternehmen Living Quarter betreiben, das bereits für die bestehenden Anlagen zuständig ist.
Bereits im vergangenen Jahr waren die Zuweisungszahlen im Landkreis Harburg so angestiegen, dass ein bis dahin vorgehaltener Puffer an Unterbringungsmöglichkeiten nahezu aufgebraucht war. Weitere Unterkünfte in Moisburg, Jesteburg, Hollenstedt, Nenndorf, Maschen und Tostedt wurden eröffnet oder erweitert. Grundsätzlich strebe der Landkreis eine allgemeine Belegung von 80 bis 85 Prozent an, heißt es in einer Mitteilung aus dem Kreishaus. So könne man situationsgerecht agieren und neu ankommende Flüchtlinge ihrem Kulturkreis entsprechend unterbringen.
Momentan seien die Unterkünfte allerdings zu rund 95 Prozent belegt, sagt Landkreissprecher Andres Wulfes. Ein Grund für die hohe Belegung sei, dass auch bereits anerkannte Asylbewerber weiterhin in den Unterkünften wohnen – auf dem angespannten Wohnungsmarkt finden sie keine andere Bleibe.
Seniorenheim in Neu Wulmstorf für längere Unterbringung eingerichtet
Für die ukrainischen Flüchtlinge sind seit dem 1. Juni die Kommunen zuständig. Sie werden über die Landesaufnahmebehörde den Landkreisen in Niedersachsen zugewiesen und registriert, die Städte und Gemeinden sorgen für die Unterkunft. Die meisten Ukrainer – es sind überwiegend Frauen und Kinder – können in Wohnungen und Zimmern wohnen, die Privatleute zur Verfügung stellen, andere kommen zumindest vorübergehend in Großunterkünften unter.
In den drei Einrichtungen, die die Johanniter Unfallhilfe im Landkreis betreibt, werden derzeit etwa 450 Menschen betreut. Während die Schützenhalle in Buchholz und die Unterkunft im Meckelfelder Helbach-Haus als Notunterkünfte für kurzfristige Aufenthalte konzipiert sind, ist ein früheres Seniorenheim in Neu Wulmstorf auch für längere Unterbringungszeiträume eingerichtet. Dort leben zum Beispiel Familien, die keine Wohnung mit ausreichend Platz finden.
In Sumte können 500 Menschen unterkommen
Auch im benachbarten Landkreis Lüneburg kommen zunehmend mehr Flüchtlinge an, aktuell bis zu 100 jede Woche. Wegen des Kriegs in der Ukraine hat der Landkreis bereits im März eine zusätzliche Unterkunft in Sumte in errichtet. In der Containeranlage können rund 500 Menschen vorübergehend unterkommen. Die meisten Geflüchteten – etwa 50 bis 75 pro Woche – kommen derzeit aus der Ukraine. „Dazu kommen 15 bis 25 Geflüchtete pro Woche aus anderen Herkunftsländern“, sagt Sprecherin Katrin Holzmann. Dazu zählten zum Beispiel Afghanistan, Iran, Irak, Kolumbien und die Republik Moldau.
Die Hansestadt Lüneburg stellt sich ebenfalls auf eine wachsende Zahl von Geflüchteten ein und geht, um weitere Unterbringungsplätze zu schaffen, bereits einen Schritt weiter. So wird die Turnhalle Im Grimm seit Anfang dieser Woche als Notunterkunft vorbereitet. Die Halle an der Hermann-Löns-Grundschule wird auch für den Sportunterricht des nahe gelegenen Gymnasiums Herderschule sowie von Sportvereinen genutzt. Dies ist bereits jetzt nicht mehr möglich. Die ersten Geflüchteten sollen voraussichtlich im Oktober einziehen.
Zahl der gestellten Asylanträge hat den höchsten Wert seit 2016
„Mit den Zuweisungen, die wir für die kommenden Wochen erwarten, sind unsere Unterkünfte, einschließlich der Notunterkunft im Roten Feld, allesamt ausgelastet. Für die Personen, die danach kommen, schaffen wir mit der Halle eine Notlösung“, sagt Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. Obwohl dies eine große Belastung für alle Beteiligten sei, sehe sie sich angesichts der dynamischen Zuzugssituation zu diesem Schritt gezwungen. „Die Zahlen, wie viele Menschen bei uns Zuflucht suchen werden, verändern sich laufend. Es ist aber davon auszugehen, dass sie in den nächsten Monaten steigen werden.“
Dies legen auch Daten für das Land Niedersachsen nahe. In den ersten sieben Monaten des Jahres ist die Zahl der gestellten Asylanträge im Vergleich zu den vergangenen Jahren gestiegen und hat den höchsten Wert seit 2016 erreicht. Die aus der Ukraine vertriebenen Menschen sind in der Statistik nicht erfasst, da sie Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis haben und keinen Asylantrag stellen müssen.