Lüneburg. Wettbewerb zur Umgestaltung des Marienplatzes: Gewinnerideen werden umgesetzt, darunter Bienenbeete und ein Plaza-Pavillon.
Wenn Lüneburgs Oberbürgermeisterin aus dem Fenster sieht, blickte sie auf eine zugeparkte Asphaltwüste. Weder die Bäume drumherum, noch die Nähe zur pittoresken Altstadt konnten etwas daran ändern, dass der Marienplatz hinter dem Rathaus wenig einladend wirkte. Auch als Vorplatz der historischen Ratsbücherei eignete er sich kaum. Jetzt jedoch blühen bienenfreundliche Pflanzen auf dem bisherigen Parkplatz, weitere Bäume säumen den Eingang, eine Bühne aus Paletten steht bereit für Konzerte oder Lesungen. Sogar eine Liegewiese ist entstanden, der sattgrüne Rollrasen wird durch einen schwammartigen und komplett ökologischen Untergrund genährt.
Die Umgestaltung des bisher eher nüchternen Platzes ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, den die Zukunftsstadt Lüneburg im Frühjahr ausgerufen hatte. Innerhalb eines Monats gingen mehr als 30 Beiträge ein, junge und ältere Stadtbewohner brachten zahlreiche Ideen ein. Eine Jury kürte sechs Gewinnerbeiträge, die nach Gesprächen mit den Ideengebern nun teilweise und zeitgleich umgesetzt werden.
Gewinnerbeiträge sehen Bühne, Beete, Bewegung und botanischen Garten vor
Darunter ist die „Grüne LüneBühne“ von Ciara Fischer. Sie wünscht sich eine freie, unkommerzielle Bühne im grünen Umfeld; die Auftritte sollen über einen Online-Kalender organisiert werden. Grün wird es auch bei Eberhard Parnitzke, der ein Bienenblumenbeet eingebracht hat, um Lüneburg als Kommune für biologische Vielfalt zu bewerben und zudem Umweltbildung anzubieten.
Ein sechseckiger Pavillon soll kanarisches Plaza-Gefühl schaffen, so der Vorschlag von Christina Schulte. Und Doris Graefes Idee sieht einen botanischen Garten mit Wasserspiel und Steinkreis zum Ruhe tanken vor, verbunden mit einer Haltestelle für Elektroshuttle. Schüler des Gymnasiums Herderschule wünschen sich eine Fläche für Bewegung, am besten mit Beachvolleyballfeld. Und auch die Kinder der benachbarten Kita haben eine kreativen Collage ihrer Ideen eingereicht.
Nicht alle dieser Entwürfe können genauso auf dem Marienplatz umgesetzt werden, das Budget für die temporäre Gestaltung beträgt 12.000 Euro. „Wir arbeiten mit einfachen Mitteln“, betont Sara Reimann, Projektmanagerin bei der Zukunftsstadt. „Wir wollen ausprobieren, welche Atmosphäre hier möglich ist.“ Das Experiment ist zudem ein vorübergehendes: Beet, Bühne und Bäume werden im Oktober wieder abgebaut. Trotz der Einschränkungen waren die Bürger aufgefordert, auch große Ideen einzureichen. Dazu zählt der Plaza-Pavillon. Eine kleine Version dieser Vision ist geplant, noch müssen aber Details wie die feste Verankerung geklärt werden.
Proteste von Autofahrern wegen wegfallender Stellplätze
Für die Umsetzung des Experiments wurde der Verein TUN (Technik – Umwelt – Natur) als Kooperationspartner ins Boot geholt. Susanne Puschmann von dem Verein betont die gute Lage des Marienplatzes. „Wir sind hier zwischen historischen Gebäuden und es ist ein natürlicher Weg von der Innenstadt zu Parkmöglichkeiten.“ Dass der Platz selbst derzeit kaum zum Parken genutzt werden darf – es gibt noch zwei Behindertenstellplätze und zwei für das hier aufgebaute Corona-Testzentrum –, sorgt allerdings für Irritation.
Auch an diesem Vormittag kurven Autofahrer suchend an den Absperrungen umher. Zugleich bleiben Passanten an den Beeten stehen und lesen die Pflanzenschilder. Ein Mann hat es sich auf einer der weißen Bänke bequem gemacht, die aus dem Kurpark ausgeliehen sind. Und ein Vater stoppt spontan mit zwei Kindern an der grünen Wiese, sie legen die Fahrräder auf den Asphaltboden und lassen sich rücklings auf die weiche Fläche fallen. So haben die Organisatoren des Projekts sich das vorgestellt. „Schon durch kleine Maßnahmen fühlt man sich hier wohl“, sagt Susanne Puschmann. „Das wertet die Stadt definitiv auf.“
Umgestaltung ist befristet, langfristige Lösung ist aber geplant
Seit den 1950er-Jahren wird die Fläche als Parkplatz genutzt, zuvor gab es dort ein Löschwasserbecken, das Zwangsarbeiter oder KZ-Häftlinge im Zweiten Weltkrieg ausheben mussten. Seinen Namen hat der Platz von der Kirche St. Marien aus dem 13. Jahrhundert, die wegen ihrer Lage direkt an einer Abbruchkante zum Senkungsgebiet 1818 abgerissen wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts standen auf dem Platz Bäume und ein kleiner Pavillon. In Zukunft soll an dieser Stelle wieder ein einladender Platz entstehen, der zudem den Nachhaltigkeitszielen Lüneburgs gerecht wird. So können Beispiel zielgerichtet aufgebaute Grünflächen auf der heutigen asphaltierten „Hitzeinsel“ zugleich Schatten zur Abkühlung und Frischluft ermöglichen.
Das derzeitige Experiment ist zwar zeitlich befristet, es soll jedoch wichtige Vorarbeit für eine umfassende Umgestaltung leisten. Dass sich hier dauerhaft etwas ändern soll, hat der Rat der Stadt bereits beschlossen. Wie die Umsetzung konkret aussehen wird, muss noch ausdiskutiert werden. Die geschätzten Kosten liegen laut Tobias Neumann von der Stabsstelle Nachhaltigkeit im sechsstelligen Bereich, für die Finanzierung kommen mehrere Förderprogramme infrage.
Führung am Bienenblumenbeet an diesem Mittwoch
Die Beobachtungen, Fotos und Erkenntnisse, die die Organisatoren während des Experiments sammeln, werden in einer Dokumentation zusammengefasst. Sowohl der Ärger über wegfallende Autostellplätze als auch das Ideenreichtum der Bürger und die Nutzung des Platzes werden in die Broschüre einfließen. „Die Ergebnisse sollen zeigen, was so ein Ort für ein Potenzial hat“, sagt Puschmann. Sie sollen zudem anderen Städten helfen, ähnliche Projekt umzusetzen.
Eine Führung am Kräuter- und Blumenbeet bietet der Ideengeber Eberhard Parnitzke an diesem Mittwoch an. Beginn ist um 11 Uhr, im Anschluss gibt es bei einer Limonade die Möglichkeit zum persönlichen Austausch mit dem Naturgärtner.
15 Experimente für die Zukunft der Stadt Lüneburg
Seit 2015 entwickeln Bürger, Wissenschaftler und Vertreter aus Politik und Verwaltung Visionen für die Zukunft Lüneburgs. Diese Ideen werden derzeit in 15 Experimenten umgesetzt, der Marienplatz ist Teil der „Lieblingsplätze“. Zusammen bilden die Praxisversuche das Reallabor Lüneburg. Dieses umfasst vier Schwerpunkte: „Grün und zukunftsfähig“, „Hier wohnen, hier wohlfühlen, hier bleiben“, „Füreinander und miteinander“ sowie „Lokal einkaufen und mobil sein“. Weitere Infos auf www.lueneburg2030.de