Sieversen. Der große Abendblatt-Freibad-Test. Heute: Idyll am Waldesrand – das Waldbad Sieversen bietet Erfrischung für Körper und Seele

Inge Westphal geht gern ins Waldbad. Sie hat schon hier gebadet, als es an dieser Stelle nur einen Feuerteich gab und die Bauern ihr Vieh zur Tränke an den Tümpel trieben. „Früher waren hier Frösche drin“, erinnert sie sich. Das ist lange vorbei. Heute besteht das Bad aus einer sehr gepflegten Anlage mit zwei Becken – einem großen, in dem eine Kette Schwimmer- und Nichtschwimmerbereich trennt und einem wadentiefen Babybecken. Inge Westphal nutzt weder das eine noch das andere. Sie ist 94 Jahre alt, sitzt im Rollstuhl und schwimmt nicht mehr. Dennoch kommt sie weiterhin – zum Gucken, Kaffee trinken und Klönen. Um frische Luft, entspannte Atmosphäre und angenehme Gesellschaft zu genießen.

Die Sieversenerin Inge Westphal (Mitte), klönt mit dem Harburger Ehepaar Helmut und Karin Marsal.
Die Sieversenerin Inge Westphal (Mitte), klönt mit dem Harburger Ehepaar Helmut und Karin Marsal. © HA | martina berliner

Heute sitzt die Sieversenerin mit Helmut und Karin Marsal unter dem großen roten Sonnenschirm auf der Terrasse vor dem Imbiss beisammen. Die Marsals wohnen in Harburg und sind dennoch Stammgäste im Waldbad. „Wir kommen hierher, seit man uns das Freibad an der Außenmühle weggenommen hat. Mit dem MidSommerland konnten wir uns nie anfreunden. Man kann da nicht so gut schwimmen. Deshalb sind wir lieber jeden Sommer mit dem Rad nach Sieversen gefahren. Inzwischen nehmen wir aber den Bus“, erzählt das Ehepaar. Sofern Badewetter herrscht, ziehen die beiden Mittachtziger täglich ihre Bahnen. Oft sind sie schon zum Frühstück da. Früher hätten sie ihre Morgenmahlzeit selbst mitgebracht. „Aber seit Manni den Kiosk betreibt, lassen wir uns gern von ihm die Brötchen schmieren“, sagt Helmut Marsal. Manfred Silkinn versorgt seit 17 Jahren die Waldbadgäste mit Süßem und Deftigem.

„Die Leute kommen in erster Linie zum Essen hierher“, sagt der Kiosk-Chef

„Die Leute kommen in erster Linie zum Essen hierher“, behauptet er selbstbewusst. Für Naschkatzen gibt es Süßigkeiten in Glasbehältern wie einst in Tante-Emma-Läden. In einer Vitrine locken Kuchen und Torte. Hungrige haben die Wahl zwischen Würstchen aller Art, Leberkäse mit Kartoffelsalat, Bauernfrühstück und selbst gemachten Frikadellen. Geradezu berühmt, sagt Manni, seien aber seine Pommes frites. „Das Geheimnis liegt im besonderen Würzsalz, aber mehr verrate ich nicht“, sagt er und lächelt verschmitzt.

Er kennt seine Kundschaft größtenteils schon lange. „Ich habe hier Kinder aufwachsen sehen, die inzwischen mit dem eigenen Nachwuchs kommen.“ Bei Bernd Spector ist das ähnlich. Als junger Vater war der Rosengartener oft hier. Als die Sprösslinge groß waren, kam er jahrelang nicht mehr. Nun ist er wieder hier – mit Enkelin Nea. Die Achtjährige will heute ihr Seepferdchen machen.

Die Gymnasiasten Anton Giebel (links) und Niklas Ernst mögen ihren Ferienjob.
Die Gymnasiasten Anton Giebel (links) und Niklas Ernst mögen ihren Ferienjob. © HA | martina berliner

„Seepferdchenabzeichen können wir hier abnehmen, für alle anderen fehlen uns die Voraussetzungen. Das Wasser ist mit 1,70 Meter nicht tief genug für das Bronzeabzeichen“, erklärt Schwimmmeister Bernd Holler. Der 63-Jährige, der drei Jahrzehnte als Betriebsleiter in Adendorf wirkte, ist in der vierten Saison in Sieversen tätig und fühlt sich rundum wohl. „Die familiäre Atmosphäre macht einfach Spaß.“

„Das Eis ist hier so lecker!“

Das findet auch Anna Zahn aus Hausbruch, die mit ihren Kindern seit Jahren regelmäßig nach Sieversen fährt. „Das Eis ist hier so lecker!“, ruft ihr Mittlerer, der fünfjährige Kalle. „Hier ist es nicht zu turbulent und laut, das Bad hat eine schöne Größe und es sind alle Generationen vertreten“, erklärt seine Mutter, die es sich mit ihren beiden Jüngsten und mit ihrer eigenen Mutter im „Zwergenland“ bequem gemacht hat. Dieser Bereich für Familien ist durch hohe Hecken geschützt, so dass kein Steppke unbemerkt Richtung Schwimmerbecken entwischen kann. Es gibt kleinkindgerechte Spielgeräte und eine Sandkiste, in der Matschen mit Wasser ausdrücklich erlaubt ist. Das flache Babybad ist von einem großen Sonnensegel überdacht, Schatten spenden aber auch große Bäume, die das Waldbad und seine ausgedehnte Liegewiese umgeben.

Auch größere Kinder und Jugendliche schätzen das Bad, obwohl es weder Rutsche noch Sprungturm und wegen der geringen Wassertiefe auch keine Startblöcke gibt. „Beliebt ist es, bei uns Tischtennis oder Beachvolleyball zu spielen und sich hinterher abzukühlen“, weiß Holler. Auch Sportschwimmer kommen, obwohl das Wasser am Ende des 25 Meter langen Schwimmerbeckens nur 70 Zentimeter tief ist und ein Beckenrand zum Wenden fehlt, weil der Nichtschwimmerbereich anschließt.

Ganz entspannt am Beckenrand: Schwimmmeister Bernd Holler
Ganz entspannt am Beckenrand: Schwimmmeister Bernd Holler © HA | martina berliner

Bernd Holler möchte sein Helferteam vergrößern

Einer, der regelmäßig auf der abgetrennten Schwimmerbahn trainiert, ist Anton Giebel. „Ich wohne gleich um die Ecke“, sagt der 17-Jährige. Der Gymnasiast steht mit seinem Freund Niklas Ernst an der Kasse und verkauft Eintrittskarten. „Ein prima Ferienjob“, finden die beiden. Deshalb möchten sie auch in der kommenden Saison wieder hier arbeiten, dann als Badeaufsicht. „Dafür wollen wir im Winterhalbjahr unseren Rettungsschwimmerschein machen.“ Bernd Holler hat die Schüler auf die Möglichkeit hingewiesen. Ihm ist daran gelegen, sein Helferteam zu vergrößern. Inzwischen unterstützt ihn auch ein pensionierter Schwimmmeister.

Anna Zahn aus Hausbruch mit Söhnchen Freddie am Babybecken.
Anna Zahn aus Hausbruch mit Söhnchen Freddie am Babybecken. © HA | martina berliner

Schwimmkurse gehören dennoch nicht zum Sieversener Angebot. Das liegt vor allem an der relativ geringen Wassertemperatur. Geheizt wird über Solarabsorber. Das Wasser wird durch Schläuche auf dem Dach und wieder zurück ins Becken gepumpt. Zu Saisonbeginn, dieses Jahr erst Anfang Juni, weil die Filteranlage erneuert werden musste, hatte es gerade mal 16 Grad. Viele Stammgäste kamen trotzdem. „Sobald die Nachttemperaturen zweistellige Werte erreichen, erwärmt sich das Wasser im Frühjahr schnell“, weiß Holler. „Am heißesten Tag, dem 20 Juli, hatten wir 27 Grad im Becken und 850 Besucher im Bad.“ Inzwischen ist nicht nur die Wassertemperatur mit 23 Grad moderater, es ist auch weniger los. „Man spürt, dass die Hamburger Ferien fast vorbei sind. Denn zu uns kommen viele Gäste aus der Hansestadt. Auch von nördlich der Elbe“, sagt Holler stolz. „Wir hatten diese Saison schon 11.300 Gäste. Da kann man doch sehr zufrieden sein.“

Die Saison im Waldbad Sieversen dauert bis 15. September, bei gutem Wetter möglicherweise länger. Montags ist das Freibad von 14 bis 19 Uhr, dienstags und mittwochs von 7.30 bis 19 Uhr und von Donnerstag bis Sonntag von 9 bis 19 Uhr geöffnet. Einlass ist bis 18.30 Uhr.

Eintritt: Erwachsene zahlen 2 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre 1 Euro. Bis zum dritten Geburtstag ist der Eintritt frei. Kostenlosen Eintritt haben auch alle Kinder und Jugendlichen aus Rosengarten. 10er-Karten kosten für Erwachsene 15 Euro, für Kinder und Jugendliche 7,50 Euro. Saisonkarten erwerben Erwachsene aus Rosengarten für 30 Euro, Männer und Frauen von außerhalb zahlen 40 Euro. Kinder und Jugendliche von außerhalb bekommen die Saisonkarte für 20 Euro.

Anreise: Das Waldbad liegt am Ortsrand von Sieversen in der Gemeinde Rosengarten am Quellenweg 1. Sieversen ist über die A 261 Abfahrt Tötensen oder über Landstraßen zu erreichen. Parkplätze gibt es am Bad. Ab Bahnhof Harburg startet die Buslinie 4210 Richtung Klecken. Die Bushaltestelle Quellenweg ist nach 20 Zwischenstopps und 30 Minuten erreicht. Allerdings verkehrt der Bus lediglich im Abstand von zwei Stunden.

Auskünfte gibt Schwimmmeister Bernd Holler, 04181/418583, www.gemeinde-rosengarten.de