Karoxbostel. Im Rahmen unserer Serie hat sich Autorin Carolin George ein letztes Mal für einen Ausflugstipp auf den Weg gemacht.
Der wohl wichtigste Tipp gleich zu Beginn: Wer die Wassermühle Karoxbostel besuchen und dort nicht allein sein will, sondern Menschen nach ihrer Geschichte und Gegenwart befragen möchte, sollte diesen Ausflug für einen Sonnabend planen. Dann ist hier großer Mühlenputz – und immer jemand vor Ort mit Zeit für einen kleinen oder auch größeren Plausch.
Bis in die 1980er-Jahre in Betrieb, waren Mühlengebäude und Sägerei noch vor zehn Jahren so stark verfallen, dass einem Denkmalschützer des Niedersächsischen Landesamtes bei einem Ortstermin etwas herausrutschte wie: „Wir fördern Denkmäler, keine Ruinen.“ Heute ist das Gelände ein Kleinod.
Verein Wassermühle Karoxbostel e.V. ist heute 1200 Mitglieder stark
Und zwar ein Kleinod, das lebt. Gekauft, restauriert, gepflegt und belebt von zunächst 88 Menschen, die im Februar 2012 den Verein Wassermühle Karoxbostel e.V. gründeten. Die Gruppe ist heute mehr als 1200 Mitglieder stark, außerdem gibt es einen Kern aus 30 bis 50 Aktiven aus der Umgebung, die hier einen Großteil ihrer Zeit verbringen – und mindestens einmal pro Woche ehrenamtlich arbeiten.
Es klingt mitunter fast zu schön, um wahr zu sein: Müllermeister Franz Rosenkranz verarbeitet in der sanierten Mühle Getreide zu Vollkornschrot, im ensembleeigenen historischen Lehmbackofen wird daraus Brot und Kuchen gebacken. Die einst verfallene Sägerei ist ebenfalls wieder in Betrieb, an der venezianischen Gattersäge mit ihren 1,40 Meter langen Sägeblättern werden aus Baumstämmen Balken, Bohlen und Bretter.
Das Ehepaar Thomas und Andrea Kallweit hält hier Bienenvölker für den Karoxbosteler Mühlenhonig, von dem sie gerade die Sommertracht geschleudert haben – und David Sgaga formt Eisen in der just fertiggestellten Schmiede. Junge Leute der Berufsbildenden Schule Buchholz haben das kleine Fachwerkhaus gebaut, die Schmiede selbst stammt aus Altenwerder.
Schüler David Sgaga aus Fischbek packte die Faszination des Schmiedens
Jetzt steht hier regelmäßig das jüngste aktive Mitglied des Vereins an der Esse: David Sgaga, Schüler aus Fischbek. Er war zwölf Jahre alt, als er den „Hobbit“ sah – und die Faszination des Schmiedens ihn erfasste. Ein Kursus am Kiekeberg, ein Praktikum bei der Kunstschmiede Egon Engber, Mitarbeit bei Meisterschmied Arnold Kahnenbley – und mit 17 Jahren Jungschmied an der neu erbauten Schmiede an der Wassermühle: eine Karriere, wie sie in keinem Buch des 21. Jahrhunderts steht. Mittlerweile ist er jeden Sonnabend hier, und in den Ferien noch an ein paar Wochentagen zusätzlich.
Genau wie Reinhard Molkentin und Ulrike Sacher. Das Ehepaar aus Hausbruch kam 2013 zum ersten Mal an diesen Ort. „Am Tag des offenen Denkmals wollten wir eigentlich den Mulch-Kran im Harburger Binnenhafen besuchen“, erzählt Molkentin. „Aber es regnete fürchterlich, und wir disponierten kurzfristig um.“ Drei Stunden später waren die beiden Mitglied im Verein. Molkentin, damals frisch in Rente, suchte ohnehin gerade eine Aufgabe. „Es hat Zoom gemacht“, sagt er und lacht. „So heißt es doch, oder?“
„Doras Garten“ ist nach der Frau des letzten Müllers benannt
Gegenüber der Straße liegt seit gut einem Jahr „Doras Garten“. Dora hieß die Frau des letzten Müllers, und als es noch keine Autobahn gab, bestand die „Straße“ vor der Mühle aus dem Weg, der heute am reetgedeckten Wohn- und Wirtschaftsgebäude aus dem Jahr 1817 entlangführt. Der Verein hat das Grundstück gegenüber zurückgekauft und den Garten in etwa so angelegt, wie er einst gestaltet gewesen sein mag. In Hochbeeten wachsen Pak Choi, Topinambur und Pastinake, es gibt einen kleinen Barfußpfad und einen Mini-Gleichgewichtsparcours.
Ganz hinten liegt ein etwa einen Hektar großer Acker. „Er symbolisiert die Fläche, die einen Menschen ein ganzes Jahr ernähren kann“, erklärt Ulrike Sacher. Immer wieder laden Bänke zur Rast ein, aufwendig gestaltet von Kettensägekünstlern. Da „Doras Garten“ weder Eintritt kostet noch mit einem Tor verschlossen ist, bietet sich dieser wunderbare Ort für jede und jeden zum Spazieren und Picknicken an – einfach so. Dazu auch noch barrierefrei.
„Einige helfende Hände mehr, auch jüngere, wären toll“
Die Brennnesseln lässt der Verein ganz bewusst für die Bienen stehen. Aber ehrlich gesagt, gibt Ulrike Sacher zu, wächst ihnen Doras Garten zurzeit ein wenig über den Kopf. „Das ist schon fast eine Blumenhölle“, sagt sie und lacht. Und fügt ernster hinzu: „Einige helfende Hände mehr, auch jüngere als wir es sind, wären toll. Wir freuen uns über jeden, der Lust hat, ein wenig mitzugärtnern.“ Doch so wunderbar dieser Ort ist, so wenig selbstverständlich ist er in der Region, so Reinhard Molkentin. „Manche denken nur an die Diskothek und den Griechen, wenn sie von einer Mühle in Hittfeld hören.“
PS: Das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege hat die Restaurierung der „Schönen“, wie sie im Verein genannt wird, letztlich doch gefördert. Und den höchstdotierten Denkmalpreis in Deutschland hat die Mühle im Jahre 2018 ebenfalls bekommen.
Info: Tipps, Anreise und Tag des offenen Denkmals
Geöffnet sind die Gebäude der Wassermühle Karoxbostel sonnabends mindestens von 10 bis 13 Uhr. Führungen für Gruppen sind auch an anderen Tagen möglich. Erste Vorsitzende des Vereins ist Emily Weede, erreichbar unter 04105/2443 oder im Internet: www.wassermuehle-karoxbostel.de.
Mit dem Elb-Shuttle ist die Wassermühle Karoxbostel noch bis 3. Oktober zu erreichen. Der Bus verkehrt als Rundtour zwischen Winsen, Maschen, Meckelfeld und der Elbmarsch. Die Fahrt inklusive Fahrradmitnahme ist kostenlos. www.elb-shuttle.de.
Am Sonntag, 11. September, ist die Mühle anlässlich des Tages des offenen Denkmals von 11 bis 16 Uhr geöffnet – mit Live-Musik und Leckereien. Am Sonnabend, 17. September, 19 Uhr wird es spannend: In Zusammenarbeit mit dem Gymnasium Meckelfeld werden Teile aus „Krabat“ vorgelesen, außerdem aus in der Mühle gefundenen Briefen. Einige Szenen setzen die Jugendlichen im Schauspiel um. Mit dabei ist auch die Märchenerzählerin Gabriele Schwedewsky aus Hittfeld.