Landkreis Harburg. Deutschlandweit schließt seit April jede Woche ein Unverpackt-Laden – Auch in Buchholz droht die Insolvenz. Andere haben bereits geschlossen
Es fing alles so gut an. Damals, im Frühjahr 2020, als Phil Gruber in Buchholz den ersten Unverpackt-Laden in der Nordheideregion eröffnete. Nachhaltiger, müllfreier Einkauf und die Möglichkeit, nur die Mengen zu nehmen, die man wirklich benötigt – dieses Konzept traf damals überall auf große Zustimmung. „Wir haben guten Umsatz gemacht – auch während der Pandemie“, sagt Phil Gruber. „Das Konzept hat die Kundschaft überzeugt.“
Doch jetzt steht der Laden kurz vor der Insolvenz. Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und die steigenden Preise haben die Konsumgewohnheiten verändert. Seit dem Frühjahr kommen immer weniger Kunden in den Laden an der Ole Wisch. Das Geschäft läuft so schlecht, dass Gruber über eine Schließung nachdenkt. „Wenn es so weitergeht, halten wir nicht mehr lange durch“, sagt er. „Dann müssen wir in ein paar Wochen den Laden dicht machen.“
Und auch in Harburg und dem Umland schlagen die Betreiber Alarm
Wie Gruber geht es bundesweit vielen Unverpackt-Läden. Und auch in Harburg und dem Umland schlagen die Betreiber Alarm. Zu einer prominenten Schließung ist es bereits gekommen: Zu Beginn des Jahres hatte ein Hofladen mit Unverpackt-Konzept in Sauensiek im Landkreis Stade überregional für Aufsehen gesorgt. Wenige Monate nach der Eröffnung musste Geschäftsführerin Jasmin Cohrs wieder schließen. „Es haben einfach zu wenige Leute bei uns eingekauft“, sagt sie. Auch in Gesprächen mit Unternehmensberatern habe sich kein frischer Ansatz ergeben, Dinge anders zu machen und den Laden zu retten.
Die Zahlen des Unverpackt e.V., des Verbands für Unverpackt-Läden in Deutschland, bestätigen diesen Trend und zeigen die Herausforderung der Läden. Die meisten Unverpackt-Läden sind hier Mitglied, da sie über den Verband ihre Waren beziehen und aufgrund der größeren Mengen bessere Einkaufspreise erzielen können. 477 Unverpackt-Läden zählt der Verein aktuell als Mitglieder. In 2021 haben deutschlandweit 14 Läden geschlossen. Im ersten Quartal 2022 gab es bereits elf Schließungen. Jede Woche schließen im Moment ein bis zwei Läden.
Einkauf im Unverpackt-Laden ist in der Regel nicht teurer
„Die Menschen sind aktuell offenbar sehr vorsichtig beim Geldausgeben“, sagt Phil Gruber von „Buchholz endlich unverpackt“. Er könne das verstehen. Aber ein Einkauf im Unverpackt-Laden sei in der Regel nicht teuerer als in anderen Geschäften, da man nur die tatsächlich benötigten Mengen kaufen muss. Wer nur einen Löffel Mohn braucht, nimmt eben auch nur einen Löffel davon mit.“
Gezielt nur das kaufen, was man zuhause verbrauchen kann, eingefüllt in eigene Gläser statt fertig verpackt in jede Menge Plastik – das ist die Idee, die hinter jedem Unverpackt-Laden steht. Sie alle vereint der Wille, auf Einweg-Verkaufsverpackungen aus Kunststoff sowie unnötige Verpackungen vollständig zu verzichten.
Dass das geht, zeigt die große Auswahl an Produkten, die es in den Unverpackt-Läden gibt. Auch in Buchholz ist das Sortiment riesig. „Bei uns gibt es alles außer Fleisch und Käse“, sagt Phil Gruber. Aus großen gläsernen „Silos“ können unter anderem Nudeln, Reis, Müsli, Getreide, Nüsse, Cornflakes und Müslimischungen abgefüllt werden. Es gibt verschiedene Mehlsorten, Gemüsebrühe und Gewürze, lose Mienudeln und Spaghetti, Trockenfrüchte und Backkakao, Schokoraspeln und Vanillezucker. In unzähligen Gläsern werden Bonbons und Bruchschokolade angeboten, Tee und Kaffee gibt es lose genauso wie Öl, Sojasoße und Essig. Doch nicht nur die Lebensmittel sind unverpackt erhältlich, sondern auch Shampoo und Duschgel, Bodylotion und verschiedene Reinigungsmittel. Statt aus Plastik sind die Dinge aus Holz wie zum Beispiel die Zahnbürsten oder Stoff, wie die Windeln. Wo Verpackungen unumgänglich sind, sind diese aus Glas oder Papier und zu 100 Prozent wiederverwendbar, recycelbar oder kompostierbar.
Honig aus Kakenstorf, Müsli aus Lüneburg, Marmelade aus Egestorf
Darüber hinaus kommen viele der Produkte von Anbietern aus der Region wie der Honig aus Kakenstorf, das Müsli aus Lüneburg, die Marmelade aus Egestorf oder der Kaffee aus der Heide. „Auf diese Weise unterstützen wir die Unternehmen vor Ort und wissen genau, wo unsere Ware herkommt“, sagt Phil Gruber, der sich mit der Eröffnung des Ladens vor zwei Jahren einen Herzenswunsch erfüllt hat. „Ich habe zwei Kinder und möchte, dass sie in einer lebenswerten Welt aufwachsen“, sagt der Verfahrenstechniker. „Ich weiß, dass ich mit meinem Laden die Welt nicht retten kann, aber ich kann sie ein kleines Stück besser machen.“
Wie lange er noch durchhalten wird, hängt davon ab, ob sich die Leute trotz der vielen drückenden Probleme weiterhin auch auf das Thema Nachhaltigkeit besinnen. „Ein paar Wochen werde ich auf jeden Fall noch weitermachen“, sagt Phil Gruber, der hofft, dass sich das Blatt noch wendet. „Um weitermachen zu können, brauche ich wie zu Beginn einen festen Stamm an Kunden, die regelmäßig kommen. Wenn es diesen gibt, dann hat der Laden noch eine Chance.“