Egestorf. Der große Freibad-Test: Das Aquadies in Egestorf (Kreis Harburg) bietet in herrlicher Umgebung kristallklares Wasser .

„Aquadies“ heißt das Erlebnisbad in Egestorf. Der Name lässt spontan an Paradies denken. Aber der lateinische Name bedeutet Wassertag. Dabei ist die Assoziation zum Garten Eden gar nicht so falsch und vermutlich gewollt. Das Aquadies ist nämlich wirklich ein Wasserparadies in der Natur. Genauer: Eine von Menschen geschaffene naturnahe Badelandschaft mitten im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide. Es liegt unweit des pittoresken Dörfchens Egestorf in einem bewaldeten Tal in direkter Nachbarschaft zum Barfußpark. Es gibt einen gemeinsamen Parkplatz und einen gemeinsamen Eingang für beide Anlagen. Der Betreiber des Barfußparks übernimmt sogar den Verkauf der Eintrittskarten für das gemeindeeigene Freibad. Es gibt auch Kombitickets für beide Einrichtungen.

„Viele besuchen erst den Barfußpark und kommen anschließend zum Baden zu uns“, weiß Kevin Speer. Der Fachangestellte für Bäderbetriebe steht auf einem Holzsteg, der den Rand des Schwimmerbeckens bildet. Er wird während des Gesprächs kein Auge von seinen Badegästen lassen. So wie meistens ist er auch heute allein verantwortlich für eine große Anzahl von Badegästen. Die Suche der Gemeinde nach dauerhafter Verstärkung war bisher nicht von Erfolg gekrönt. „Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt“, seufzt Speer, der seit vier Jahren in Egestorf tätig ist. Weil auch der eifrigste Schwimmmeister mal Freizeit braucht, bleibt das Aquadies montags geschlossen. Von Dienstag bis Sonntag ist es von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Gebadet werden darf aber bis 20 Uhr. Dann hat Speer bereits Feierabend. Deutlich sichtbar gemacht wird das Fehlen einer Badeaufsicht durch eine rote Flagge die anzeigt: Wer jetzt noch ins Wasser geht, tut es auf eigene Gefahr.

Kevin Speer behält die Badenden im Blick.
Kevin Speer behält die Badenden im Blick. © HA | martina berliner

Das Konzept des Naturerlebnisbads ist in vieler Hinsicht ungewöhnlich. So sind die Becken als Folienteiche angelegt. Bis zu einer Wassertiefe von 1,50 Meter ist der Boden mit grobem Kies ausgelegt. „Das ist gerade für Erwachsene ein gewöhnungsbedürftiges Gefühl unter den Füßen. Kinder kommen dagegen gut damit klar.“ Dennoch: Badeschuhe sind für Groß und Klein empfehlenswert. An der Kasse gibt es welche zu kaufen. Das zwei Meter tiefe Schwimmerbecken, optisch durch eine Brücke und faktisch durch ein dickes Seil vom Nichtschwimmerbereich getrennt, besteht nur aus Folie, die das Wasser dunkelgrün wirken lässt. Dabei ist das kühle Nass kristallklar. Und das, obwohl keinerlei Chemikalien eingesetzt werden, also auch kein Chlor.

Erreicht wird die alle vier Wochen amtlich kontrollierte Wasserqualität durch einen geschlossenen Kreislauf. Das Wasser aus dem Überlauf der Becken wird in einem unterirdischen Depot gesammelt, den Hang hinauf gepumpt, dort durch zwei große, als Teiche angelegte Bio-Kieselfilter geleitet und unterirdisch wieder in die Schwimmbecken eingespeist. Das in Norddeutschland einzigartige, vollbiologische Verfahren funktioniere seit 20 Jahren bestens, sagt Kevin Speer. Erwärmt wird das Wasser ausschließlich durch die Sonneneinstrahlung, so dass Energiekosten lediglich für Pumpe und Warmwasserduschen anfallen. Im Frühjahr und Herbst kann ein Bad in Egestorf somit sehr kühl sein. Momentan hat das Wasser angenehme 21 Grad.

Am Kleinkindbecken gibt es eine kleine, konventionelle Wasserrutsche

Ein Sprungturm würde kaum ins Bild der Naturlandschaft passen. Deshalb dient ein großer Findling als Rampe. 1,50 Meter ist er hoch, das Wasser an dieser Stelle entsprechend mehr als doppelt so tief. Am Kleinkindbecken gibt es eine kleine, konventionelle Wasserrutsche. Mindestens genauso spannend finden junge Wasserratten aber Sandkiste, Planschbecken und Spielbach, an dem unter einem Schatten spendenden Dach nach Herzenslust mit Wasser gepütschert und Matschburgen gebaut werden können.

Eine hölzerne Brücke führt über das Bad.
Eine hölzerne Brücke führt über das Bad. © HA | martina berliner

Auch im Schutz des hohen Baumbestands lässt es sich bei großer Hitze gut aushalten. Selbstverständlich gibt es auch viele sonnige Flächen. Eine Liegewiese bietet hölzerne Klettergerüste. Auch ein großes Schachspiel und ein Volleyballfeld mit feinem weißem Sand sind auf dem weitläufigen Gelände zu finden.

Neben den Umkleidekabinen und Duschen stehen in einer Halle Picknicktische und Tischtennisplatten. Am Tischkicker spielt gerade Miriam Herold mit ihrem kleinen Sohn. Sie sei fast täglich hier, zumal ihre Familie Mitglied des Förderkreises des Erlebnisbades sei und deshalb freien Eintritt habe, erzählt die Egestorferin.

Von den höher gelegenen Hängen bietet sich weite Aussicht auf das emsige Treiben im Grund. Hier gibt es auch Übernachtungsmöglichkeiten. Im „Naturcamp“ kann man entweder auf einer Wiese zelten oder eine der sechs gemütlichen, von Wald umgebenen Holzhütten für jeweils bis zu sechs Personen beziehen. Etwas abseits und sehr ruhig gelegen versteckt sich eine Sauna. Beheizt wird sie nur auf vorherige Anmeldung. Gezahlt werden muss für mindestens fünf Personen: Also 50 Euro für vier Stunden, für den ganzen Tag doppelt so viel. Ansprechpartner für die Vermietung von Sauna und Hütten ist die Gemeinde Egestorf. Reisemobilisten haben die Möglichkeit, in ihrem rollenden Domizil auf einer eigens dafür reservierten Parkplatzterrasse zu übernachten.

Im naturium gibt es auch viele vegane Speisen.
Im naturium gibt es auch viele vegane Speisen. © HA | martina berliner

Bei so viel Sorge ums Wohlbefinden darf auch Gastronomie nicht fehlen. Das „Naturium“ befindet sich nahe am Eingangsbereich. Wer auf der Terrasse des Bistros sitzt, genießt einen herrlichen Blick aufs tiefer gelegene Aquadies. Gerade speist dort Jan Peters, Gründer und Betreiber des Barfußparks, mit einem Bekannten. „Die Chefin hier ist die weltbeste Gastronomin“, sagt er und weist auf Regina Schröder, die in ihrer Geschäftigkeit das große Lob gar nicht mitbekommt und eigentlich auch keine Zeit für ein Gespräch hat. Aber dann sprudelt es doch aus ihr heraus. Dass sie hier einst als Jurastudentin einen Minijob hatte, sich ins Lokal verliebte und deshalb nach Abschluss des Examens zur Gastwirtin wurde. Dass alle Speisen frisch und selbst gemacht werden, dass ihr Tierwohl sehr am Herzen liege und es ihr als Veganerin wichtig sei, zu allen Fleischgerichten Alternativen ohne tierische Produkte zu bieten.

So gibt es neben dem Chickenburger eben auch Veggieburger und auch die Mayonnaise zu den Pommes frites ist vegan. „Na, alles erkundet?“, fragt Kevin Speer. Er steht inzwischen auf der langen hölzernen Brücke, die vom Eingang aus quer über den Badeteich ins Aquadies führt. Noch immer schweifen seine Augen unablässig über eifrige Schwimmer, über jugendliche Hüpfer, die vom Felsen aus Wasserbomben machen, über in großem Schwimmreifen paddelnde Teenies, über junge Eltern, die ihren vor Freude quietschenden Sprösslingen im Flachwasser hinterher staksen, über rutschende Grundschüler und die unzähligen Sonnenanbeter, die träge auf ihren Picknickdecken lagern.

Auf dem Parkplatz sieht man Kennzeichen aus ganz Deutschland

Die meisten Besucher kämen aus Hamburg, meint Kevin Speer. Aber die Autokennzeichen auf dem Parkplatz verraten, dass Gäste aus der gesamten Republik zur Erquickung von Leib und Seele nach Egestorf reisen. Die Sonne scheint, die grüne Flagge hängt in sommerlicher Flaute schlaff vom Mast und zeigt an: Die Badeaufsicht ist vor Ort und hat das Geschehen sicher im Blick. Hier ist buchstäblich alles im grünen Bereich.

Die Saison des Naturerlebnisbads reicht bis zum 15. September. Von Dienstag bis Sonntag hat es täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Gebadet werden darf aber bis 20 Uhr. Bei sehr kühler und schlechter Witterung ist mit einer vorzeitigen Schließung des Bades zu rechnen.

Die Aquadies-Tageskarte für Erwachsene kostet 3 Euro, Kinder und Jugendliche zwischen dem 4. Und 18. Geburtstag zahlen 2 Euro pro Tag, Steppkes bis drei Jahre sind frei. Zehnerkarten sind noch günstiger: Erwachsene zahlen 25, Kinder und Jugendliche 15 Euro. Kombikarten für Aquadies und Barfußpark kosten 9,50 Euro (Erwachsene) beziehungsweise 6,50 Euro (Kinder ab 4 Jahre). Wer regelmäßig kommen und/oder das Bad unterstützen möchte, sollte eine Mitgliedschaft im Förderverein erwägen. Während die Badpreise stabil gehalten werden, hat die Gemeinde die Übernachtungsgebühren im Naturcamp angesichts steigender Kosten leicht angehoben. Auf dem Zeltplatz werden nun 9 Euro pro Person gefordert, eine Hütte für sechs Personen kostet für die erste Nacht 65 Euro, ab drei Nächte 60 Euro. Dazu werden Reinigungskosten in Höhe von 15 Euro fällig. Die Sauna kostet pro Person 10 Euro für vier Stunden, für den ganzen Tag 20 Euro. Die Gebühr für den Reisemobilstellplatz bleibt vorerst bei 8 Euro, wird aber im kommenden Jahr auf 12 Euro angehoben werden.

Das Naturerlebnisbad Aquadies liegt etwas außerhalb von Egestorf am Ahornweg 7. Mit dem Auto aus Richtung Hamburg über die A 7 Abfahrt Egestorf, von Lüneburg über Salzhausen nach Egestorf. Der Ort ist in Richtung Hanstedt zu durchqueren, dann kurz vor der Ortsausfahrt links in den Ahornweg abbiegen. Vor allem der Barfußpark ist gut ausgeschildert. Mit Bus und Bahn ist das Bad ebenfalls zu erreichen. Vom Bahnhof Buchholz verkehrt die Buslinie 4207 nach Egestorf, vom Bahnhof Lüneburg die Buslinie 5200. Eine kostenlose Alternative bieten die Ringe 2 und 3 des Heideshuttle. Für Fahrradfans besteht die Möglichkeit, das Naturerlebnisbad über gut ausgebaute Radwege zu erreichen. Etwa aus Richtung Hanstedt über Nindorf und Schätzendorf oder über Salzhausen und Eyendorf. Die Radwege sind ausgeschildert.

Anfragen und Buchungen für Naturcamp und Sauna nimmt die Gemeinde Egestorf während der Öffnungszeiten unter Telefon 04175/280 entgegen. Infos im Netz: www.aquadies.de