Serie: Unterwegs in der Region – Autorin Carolin George hat sich auf den Weg gemacht und gibt Tipps für schöne Ausflüge. Heute geht es nach Döhle
Zum Hof gehören zwar acht Hunde. Die wahren Wachleute hier aber haben einen langen Hals, zwei Füße und einen Schnabel: Es sind Helge und Luise, die Hofgänse – besser gesagt: die Hofwache. „An ihnen erkenne ich sofort, wenn Besuch kommt“, sagt Josefine Schön und lacht. „Sie zischen dann und fauchen.“ Die Hunde haben schließlich auch ganz anderes zu tun: Es sind Hütehunde, anders gesagt Schöns Kollegen mit Fell und vier Beinen.
Die Schäferin betreut die Heidschnuckenherde im Stall bei Döhle, mitten im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide. Wenn sie sich morgens aufmacht zum täglichen Futterlauf mit den Schafen, nimmt sie jeweils die Hälfte ihres Teams mit – die andere Hälfte macht frei. Zu anstrengend ist die Arbeit für die Hunde, um jeden Tag im Dienst zu sein.
Heidelandschaft ist keine Natur-, sondern eine Kulturlandschaft
„Mit Hunden arbeiten wollte ich schon immer“, sagt die 26-Jährige, die ursprünglich aus der Nähe von Dresden kommt. Als die Bewerbung beim Zoll keinen Erfolg hatte und sie ein Praktikum auf einem Milchziegenhof machte, kam sie auf die Idee, auch mit anderen Tieren zu arbeiten. Sie lernte Schäferin bei der Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide: Die Stiftung ist seit 1909 verantwortlich für die Pflege des Naturschutzgebietes, besitzt insgesamt sieben Heidschnuckenherden, beschäftigt zwölf Schäferinnen und Schäfer sowie zwei Lehrlinge.
Denn die Heidelandschaft ist keine Natur-, sondern eine Kulturlandschaft. Würde sie nicht gepflegt werden, wäre sie in wenigen Jahrzehnten ein Wald.
Als erste Herde übernahm Josefine Schön eine Ziegenherde, „das war voll mein Ding“, sagt sie. „Weil ich die Ziegen schon während meines Praktikums total mochte.“ Doch dann ergab sich vor einem Jahr etwas noch viel Besseres: Während ihrer Ausbildung nämlich hatte sie Clemens Lippschus kennen und lieben gelernt – beide arbeiten seit ihrer Lehre bei der Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide, jeweils mit einer eigenen Herde. Als sie begannen darüber nachzudenken, wie realistisch ein Familienleben mit getrennten Herden an unterschiedlichen Orten wäre, merkten sie: Das wird nicht funktionieren.
Hof in Döhle war ein Glücksfall für das Paar
Die Arbeit aufgeben wollte aber auch keiner von beiden. Und dann rief auf einmal ihr Chef bei Clemens Lippschus an und erzählte, dass der Hof bei Döhle frei würde. „Das war ein Glücksfall für uns“, sagt der Schäfer. „Wir betreuen die Herde zusammen und können hier auch zusammen wohnen.“ Der 31-Jährige kommt aus der Wedemark bei Hannover und wollte schon als Jugendlicher mit Schafen arbeiten.
„Als Schüler habe ich bei einer Deichschäferei in Oldenburg an der Hunte ausgeholfen. Freitagsmittags in die Bahn, sonntagsabends zurück. Mich hat das total fasziniert: die Ruhe der Schafe, ihre Genügsamkeit. Und die Arbeit mit den Hunden.“ Und doch lernte er zunächst Heizungsbauer, zu unvernünftig schien der Traum der Arbeit mit Schafen, zu wenig gefielen ihm die später besuchten Herden. Von seinem ersten echten Gehalt kaufte er sich kein Moped, sondern einen Border Collie. „Den habe ich an Laufenten ausgebildet“, erzählt er lachend.
„Die Schafe haben mich nicht losgelassen“
Schafe hatte er schließlich nicht. Noch nicht. Denn: „Die Schafe haben mich nicht losgelassen“, sagt er. Nach ein paar Jahren gab er sich einen Ruck, suchte noch einmal neu nach Herden in Niedersachsen – und bewarb sich beim Verein Naturschutzpark. Seit neun Jahren lebt er nun seinen Jugendtraum.
Die Arbeit mit der Herde, übrigens die einzige Zuchtherde der Stiftung, teilt sich das Paar. Weil sie angestellt sind, haben sie vier freie Tage im Monat und 30 Tage im Urlaub im Jahr. „Das ist Luxus“, sagt Lippschus.
„Und weil wir beide denselben Beruf haben, ist das Verständnis für die Arbeitszeiten und die Prioritäten da – und das ist das Wohlergehen unserer Schafe.“
Ohne Hunde würde wohl keine Heidschnucke geführt werden können
Am Wochenende oder an Feiertagen wie Weihnachten und Ostern sei sie zwar mitunter etwas wehmütig, nicht immer bei der Familie sein zu können, gibt Josefine Schön zu. „Aber es ist ein wunderbares Gefühl, hier als Teil der Natur zu leben und für ihren Schutz zu arbeiten. Und das immer im Team mit den Hunden.“ Denn ohne Hunde würde wohl keine Heidschnucke geführt werden können – zumindest nicht in einer Menge von etwa 650 Stück. So groß nämlich ist die Herde in Döhle.
Gerade ist der bekannte Wanderweg „Heidschnuckenweg“ zehn Jahre alt geworden. Grund genug, das Schäferpaar nach ihren liebsten Punkten entlang des Weges zu fragen. Clemens Lippschus muss da nicht lange nachdenken: „Ich mag die Höhe 111 sehr. Das ist der höchste Punkt auf der Strecke des Pastor-Bode-Weges zwischen Wilsede und Undeloh. Von der Kuppe aus hat man einen wunderschönen Ausblick, und ein Schafstall liegt dort auch.“
Josefine Schön mag das Radenbachtal bei Undeloh: „Man kommt an den Pferden und Rindern vorbei, das ist klasse.“ Zweiter Tipp: der Toten- und der Steingrund bei Wilsede. „Das sind zwei Becken, die nebeneinander liegen. Die alten Buchenbestände dort wirken wie ein Märchenwald.“
Taschentücher – das Toilettenpapier der Spaziergänger
Dass weit mehr und weit jüngere Leute durch die Heide wandern seit der Corona-Pandemie, das haben natürlich auch die beiden Schäfer bemerkt. Mal sei das schön und mal weniger – zum Beispiel, wenn nicht angeleinte Hunde in die Herde rennen oder Taschentücher in Massen herumliegen, das Toilettenpapier der Spaziergänger.
Wenn das Schäferpaar einen Wunsch frei hätte, dann wäre das mehr Sensibilität der Gäste – sowohl der Natur gegenüber als auch ihnen als Menschen. Für Fotos würden viele die Wege verlassen, obwohl das im Naturschutzgebiet verboten ist. „Wir sind eine Touristenattraktion, die oft einfach fotografiert wird“, sagt Clemens Lippschus. „Das ist ja im Prinzip auch kein Problem. Aber wir arbeiten hier, und vorher einmal zu fragen wäre einfach nett.“
Zwischen Buchholz i.d. Nordheide und Hannover verkehrt die Regionalbahn „start“. Beliebte Haltestellen sind das Büsenbachtal im Norden, außerdem Handeloh, Windermoor und Schneverdingen. www.start-ni-mitte.de
Sowohl von Wintermoor als auch von Handeloh aus fährt der kostenlose Heide-Shuttle nach Undeloh, Egestorf und Döhle, Oberhaverbeck und Niederhaverbeck. Da der Bus nur in eine Richtung fährt, ist es am klügsten, in Handeloh vom Zug auf den Bus zu wechseln, wenn man in einen dieser Orte möchte. Der Bus nimmt Fahrräder mit, die Regionalbahn am Wochenende nicht. www.heide-shuttle.de
Zur „Höhe 111“ am Pastor-Bode-Weg sind es von Döhle aus knapp fünf Kilometer zu Fuß. Das Radenbachtal ist von Undeloh in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen, aber auch Döhle liegt nahe. Durch das Tal führt ein rund 20 Kilometer langer Rundwanderweg, einer von insgesamt zehn „Heideschleifen“. Diese Anfang 2022 neu ausgeschilderten Rundwege liegen am Heidschnuckenweg, der insgesamt 223 Kilometer weit von Hamburg-Fischbek bis nach Celle führt. www.heidschnuckenweg.de
Die Stiftung Naturschutzpark betreibt in Undeloh das Heide-Erlebniszentrum mit Ausstellung, Shop und Café. www.stiftung-naturschutzpark.de