Rosengarten-Ehestorf. Betreiber kündigt die Schließung wegen Personalmangels an. Warum die Tochter doch nicht übernimmt und die Situation schwierig ist.

Im Oktober ist Schluss: Das „Gasthaus zum Kiekeberg“ wird schließen, und damit wird den Menschen in der Region ein weiteres beliebtes Ausflugslokal fehlen. Die Begründung in Kurzform: Inhaber Johannes Schuster will sich zur Ruhe setzen. Anders als jahrelang gedacht, möchte seine Tochter das Lokal allerdings nicht weiterführen. Dahinter stecken aktuelle Entwicklungen im Gastgewerbe, die den Ehestorfer Familienbetrieb nicht allein betreffen.

Die Geschichte des Gasthauses zum Kiekeberg beginnt angeblich so: Ein kleiner Hirtenjunge, der sich auf einer kleinen Wiese in den Harburger Bergen niederließ, war angetan von dem herrlichen Blick auf Hamburg und sein Umland, und dachte sich: „Wenn ich einmal Geld habe, baue ich hier einen Gasthof.“ Egal, ob dies nun verklärte Legende sein mag oder auch nicht: Jetzt, 200 Jahre später, wird das letzte Kapitel dieser Geschichte geschrieben. 120 Jahre davon hat die Familie Schuster diese Geschichte geprägt.

Saisonale und regionale Küche wurde schon immer groß geschrieben

Nicht nur wegen seiner Lage in einer idyllischen Umgebung ist das Restaurant als Ausflugslokal und Ort für Familienfeiern beliebt. Die saisonale und regionale Küche wurde hier schon groß geschrieben, bevor sie zum Modeschlagwort wurde. Die lange Gastronomietradition der Familie Schuster, in der Rezepte von Generation zu Generation weitergereicht wurden, sorgte dafür – ob nun beim selbst gebackenen Brot oder der nach eigener Rezeptur hergestellten Grützwurst.

Auch im Umgang mit den Gästen stellte der Inhaber Johannes Schuster stets hohe Ansprüche an sich selbst und an sein Personal. Diese Ansprüche waren in letzter Zeit aber immer schwieriger zu erfüllen. „Wir haben so sehr dafür gekämpft, die Qualität in unserem Gasthaus aufrechtzuerhalten“, sagt Schuster.

Johannes Schuster übernahm das Restaurant 1994 von seinen Eltern

Seitdem er das Restaurant 1994 von seinen Eltern übernahm, sei er jeden Tag morgens der Erste und abends der Letzte gewesen. Er hat sich um die Gäste, die Theke und die Finanzen gekümmert und ist stolz darauf, mit seinem Unternehmen auch die Coronapandemie überstanden zu haben. Nun, mit 66 Jahren, sei dieser anstrengende Arbeitsrhythmus einfach nicht mehr zu stemmen, gerade auch angesichts des beträchtlichen Personalmangels. „Seit vergangenem Jahr ist es eigentlich unmöglich, Personal zu kriegen.“

Johannes Schuster (66) ist seit 1994 Inhaber des Gasthauses zum Kiekeberg.
Johannes Schuster (66) ist seit 1994 Inhaber des Gasthauses zum Kiekeberg. © Rolf Zamponi

Ein Phänomen, mit dem das Gasthaus zum Kiekeberg nicht allein dasteht. Das Interesse an einer Ausbildung, gerade in der Gastronomie, hat in den vergangenen Jahren stark nachgelassen. Von 2007 bis 2017 hatte sich die Anzahl der begonnenen Ausbildungen im Gastgewerbe laut dem Auskunftsportal Statista fast halbiert. Eine Tendenz, die durch die Coronapandemie mit ihren vielen Beschränkungen für die Gastronomie nur noch verstärkt wurde.

Berufe in der Gastronomie sind nicht sonderlich beliebt

Hinzu kommt, dass Ausbildungsberufe in dieser Branche eine hohe Abbrecherquote haben. Und selbst die Fachkräfte bleiben der Branche nicht immer treu. Hotel- und Restaurantfachleute gelten als stressresistent, improvisationsfähig und kundenorientiert – Eigenschaften, die auch in anderen Branchen gefragt und eventuell auch besser bezahlt sind.

In der Mitte der Pandemie hatten Einzelhändler mit dem Hinweis auf sichere Jobs gezielt um Arbeitskräfte aus der Gastronomie geworben und viele Fachkräfte hatten sich, auf der Suche nach sicheren Arbeitsplätzen ohne Kurzarbeit, von der Gastronomie abgewandt. Allein unter Festangestellten ging laut dem Quartalsbericht des Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) die Beschäftigtenzahl im Gastgewerbe von Mai 2019 bis Mai 2021 um fast 15 Prozent zurück. Um das Problem zu verdeutlichen: Im benachbarten Hamburg sind allein auf der Internetseite Hotelcareer rund 1500 freie Stellen in Hamburg gelistet. In der Gastronomie und Hotellerie seien 8000 Stellen nicht besetzt, sagt der Hamburger Dehoga-Vizepräsident Niklaus Kaiser von Rosenburg.

Gasthaus zum Kiekeberg hat 200 Innen- und 120 Außenplätze

Um die 200 Innen- und 120 Außenplätzen des Gasthauses zum Kiekeberg ausreichend bedienen zu können, müssten normalerweise acht Bedienungen im Einsatz sein. Aktuell kämpft sich der Betrieb aber mit nur vier Kellnern, die meisten von ihnen sind Aushilfen, durch die prall gefüllten Arbeitstage. Die Folge: Das Personal, ob im Service oder in der Küche, sei konstant gestresst und die Qualität leide. „Wir haben als Restaurant ja auch einen Anspruch an uns selbst. Diesen sind wir einfach nicht mehr imstande aufrechtzuerhalten“, stellt Schuster betrübt fest.

Diese arbeitsintensive Gesamtsituation hat schlussendlich auch die Tochter von Johannes Schuster, Irma Schuster, davon abgehalten, den Gasthof zu übernehmen. „Es ist im letzten Jahr einfach sehr, sehr schwierig für uns geworden. Das konnte ich ihr einfach nicht zumuten. Außerdem hat sie nun mal drei Kinder, die Zuhause auf sie warten“, sagt Johannes Schuster.