Landkreis Harburg. Ehrgeiziges Ziel 2040 – Verwaltung setzt auf Mitarbeit der Kommunen und stellt Klimaschutz-Charta vor
Bis 2040 möchte der Landkreis Harburg klimaneutral werden – noch vor dem Bund, der sich fünf weitere Jahre Zeit gibt. Das heißt für den Einzelnen: Während Harburger Bürgerinnen und Bürger aktuell im Durchschnitt 9,47 Tonnen Treibhausgase pro Jahr produzieren, dürfen es in 18 Jahren pro Kopf nur noch zwei Tonnen sein. Das ambitionierte Ziel könne aber nur erreicht werden, betont Oliver Waltenrath, Klimaschutzmanager des Landkreises seit 2011, wenn alle Kommunen an einem Strang ziehen. Deshalb hat der Landkreis Ende 2021 eine Klimaschutz-Charta erstellt, die der Klimaschutzmanager aktuell in den Gemeinden vorstellt.
Waltenraths Wunsch ist es, dass die Bürgermeister die Charta unterzeichnen und die Gemeinden freiwillig dazu verpflichten, das Ziel des Landkreises zu verfolgen. Drei von zwölf Unterschriften hat er schon – die der Samtgemeinden Salzhausen, Hanstedt und Hollenstedt. Dienstag stellte Waltenrath die Charta nun auch in Winsen bei einer Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Klima, Landwirtschaft und Feuerschutz vor, eine Unterschrift von Bürgermeister André Wiese (CDU) könnte folgen. „Ich bin zufrieden, wenn wir im Laufe des Jahres alle Unterschriften bekommen“, sagt Waltenrath.
Niedersachsen lässt sich laut aktuellem Stand mehr Zeit für die Klimaneutralität
Auch das Land Niedersachsen lässt sich laut aktuellem Stand mehr Zeit für die Klimaneutralität, bis 2050. Allerdings werde gerade eine Novellierung des Landesklimagesetzes angestrebt, um den zeitlichen Rahmen um fünf Jahre zu verkleinern. „Wir müssen und wollen als Landkreis innovativer sein“, sagt Waltenrath, „die Temperaturen da draußen steigen so schnell, dass wir eigentlich keine Zeit mehr haben.“
Konkret erwartet der Landkreis von seinen Kommunen, dass sie drei grundlegende Aufgaben erfüllen. Zunächst muss jede Kommune eine Treibhausgas-Startbilanz abgeben, so dass sichtbar wird, wie viel Tonnen CO2 pro Kopf pro Jahr emittiert werden. Außerdem will der Landkreis Informationen darüber haben, in welchen Sektoren die Treibhausgase produziert werden. Von 2015 bis 2019 war es im Landkreis der Bereich Verkehr, von dem der größte Ausstoß ausging.
Landkreis benötigt Daten von Schulen, Rathäusern, Feuerwehrwachen und Sporthallen
Als zweite Aufgabe müssen die Kommunen jährliche Berichte darüber abliefern, wie viel Energie die kommunalen Gebäude verbrauchen und wie hoch die Kosten sind, die hierdurch entstehen. Diese Vorgabe entspringt dem niedersächsischen Klimagesetz. Der Landkreis benötigt die Daten von Schulen, Rathäusern, Feuerwehrwachen und Sporthallen, um feststellen zu können, welche Standards in den Gebäuden bereits existieren und inwiefern die Gebäude saniert werden müssten.
Im Moment gebe es nur Vorgaben über das Gebäudeenergiegesetz für Neubauten vom Bund, für Bestandsgebäude gebe es hingegen noch keine verpflichtenden Vorgaben, erklärt Waltenrath. „Wir müssen uns dann auch ehrlich die Frage stellen, ob es sich lohnt, zu sanieren oder ob abgerissen und neugebaut werden muss.“ Insgesamt gibt es im Landkreis 130 kommunale Gebäude, deren Energiekosten jährlich bei knapp drei Millionen Euro liegen. 80 Prozent der Gebäude sind Schulgebäude. „Wir rechnen mit ungefähr einer Verdopplung der Kosten ab dem nächsten Jahr“, sagt Waltenrath. Die Gründe, die er nennt, sind bekannt: Inflation, die aktuelle weltpolitische Lage. Aufgrund der Menge müsse nun eine Prioritätenlisten her. Es stelle sich die Frage, bei welchen Gebäuden mit einer Sanierung ein besonders großer Effekt erzielt werden könne.
Fahrgemeinschaften oder Tauschbörsen
Als dritte Aufgabe nennt der Klimaschutzmanager einen Maßnahmenplan, den jede Kommune individuell erstellen kann. Hier lautet die Frage, wo am sinnvollsten Klimaschutz generiert werden kann. Dazu zählt Waltenrath Beispiele auf: Es könne etwa eine Solarenergieanlage mithilfe von Bürgergeld ermöglicht werden, aber auch Nachbarschaftskonzepte wie Fahrgemeinschaften oder Tauschbörsen könnten helfen, den Landkreis näher an sein Ziel zu bringen.
Buchholz steht bezüglich solcher Maßnahmen an der Spitze: Die Stadt lässt aktuell von einem externen Büro ein neues Klimaschutzkonzept erstellen. Winsen ist laut Waltenrath Spitzenreiter Nummer zwei – unter anderem weil hier kürzlich ein Leihfahrradsystem installiert wurde.
„Mir geht es mit der Charta darum, dass jede Kommune die Möglichkeit bekommt, am Thema Klimaschutz zu partizipieren, jede nach ihren Möglichkeiten“, erläutert der Klimaschutzmanager. Dabei gebe es auch Sektoren wie den des Verkehrs, bei dessen Veränderung man auf kommunaler Ebene an Grenzen stoße. So würden große Logistikunternehmen vor den Toren Hamburgs natürlich auch in die Bilanz hineinzählen – eine Stadt wie Winsen habe hier keinen Einfluss. „Wir müssen dennoch insbesondere die Bevölkerung motivieren, dass jeder mithelfen muss, aber verzweifeln soll man nicht.“