Landkreis Harburg. Das Abendblatt stellt in einer neuen Serie außergewöhnliche, romantische und interessante Wege vor. Teil 1: Auf dem Estewanderweg
Schon der Start lädt zum Verweilen ein, so hübsch zeigt sich Bötersheim mit seinen Fachwerkhäusern, seiner Schmiede und der Wassermühle – und so faszinierend mit seiner „1000-jährigen“ Eiche. „Natürlich ist sie nicht wirklich so alt“, sagt Detlef Gumz und lacht. „Aber sie wird nun einmal so genannt.“ Und ausreichend Eindruck macht der ausgehöhlte Riese allemal, um für ein paar Momente inne zu halten, was sich um diesen Baum herum wohl schon alles verändert haben mag, ob in 1000 Jahren oder 500.
Detlef Gumz leitet die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Harburg, der Estewanderweg zählt für ihn zu den schönsten Wanderstrecken der Region. Wer ihn erleben möchte, muss sich also trennen von dem sympathischen Heidedorf und sich aufmachen in Richtung Wald und Fluss.
Studierter Landschaftsplaner hilft bei Renaturierung der Este
„Ich brauche das Wasser“, sagt der studierte Landschaftsplaner. „Daher ist dies der Weg, den ich selbst am häufigsten gehe – zu jeder Jahreszeit.“ Außerdem ist er nicht ganz unbeteiligt daran, dass dieser Wanderweg heute so schön ist wie er eben ist. Seit mehr als 20 Jahren nämlich knüpft Gumz im Landkreis Harburg ein Netzwerk aus Ehrenamtlichen, die mithelfen bei der Renaturierung der Este und sich mit Hingabe nicht nur um den Wanderweg selbst kümmern, sondern auch um das Gewässer, das ihm Namen und Richtung verleiht.
Einer davon ist Walter Mielke. Wir treffen ihn am Ortsausgang von Bötersheim, er begleitet uns auf dem Weg zur Butterbergbrücke. Der Rentner aus der Nähe von Buchholz gehört zur Fliegenfischer- und Naturschutzgemeinschaft Nordheide, gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Vereins sorgt Mielke dafür, dass wieder mehr Leben im Wasser entstehen kann. „Wo bloß Sand ist, aber kein Totholz und kein Kies, finden Fische und Kleinstlebewesen keinen Schutz“, sagt der Gewässerobmann des Vereins, der nicht nur als Naturschützer ein Interesse an einem lebendigen Fluss hat, sondern auch als Angler. „Wir wollen dem Fluss mehr Tiefe geben.“
Die Este hat nämlich ein Problem: Sie ist zu breit. „Früher maß die Este nur ein Drittel von heute“, weiß Detlef Gumz. „Man hat die Flüsse begradigt, um das anschließende Land zu entwässern. Dadurch wurde die Fließgeschwindigkeit erhöht.“ Die Folge: An vielen Stellen besteht das Bett bloß noch aus Sand. Und darin können keine Fische laichen. Landkreis, Verein sowie der Kreisverband der Wasser- und Bodenverbände Harburg sorgen daher immer wieder dafür, dass Kies und Totholz in die Este eingebracht werden. Und wenn Detlef Gumz heute an der Butterbergbrücke kurz hinter Bötersheim steht, dann lauscht er nicht nur mit Freude dem lebendigen Gurgeln des Flüsschens. Dann blickt er der Este auch gern auf ihren Grund. „Wenn zwischen dem dunklen Kies auch helle Steine liegen, ist das ein gutes Zeichen“, erklärt er. „Das heißt, hier haben Forellen gelaicht.“ Denn dunkel wird der Kies nur, wenn er lange unbewegt im Wasser liegt. Ein Tipp für sommerliche Tage: Wer durch eine polarisierende Sonnenbrille auf das Wasser der Este blickt, kann bis auf den Grund gucken.
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Vorbei an den für die geschützten Flora-Fauna-Habitate (FFH-Gebiete) wichtigen Erlenauwäldern – die Erle ist der einzige Baum, der Sauerstoff aus dem Wasser ziehen kann – führt der Weg wunderbar geschwungen durch das Estetal und seine Mischwälder, begleitet vom Gesang der Rotkehlchen. Auf dem Boden blühen schon die Buschwindröschen, weiter oben der Weißdorn. Traubenkirsche und Waldgeißblatt sorgen für zaghafte grüne Flecken im Braun. Sobald die Temperaturen steigen, werden Weiden, Birken und Buchen Blätter aus den Ästen strecken. „Nach dem trockenen März tat der Regen gut“, sagt Gumz. „Sobald es wärmer wird, ist hier ist alles grün.“
Bummelig drei Kilometer später, hinter einer weiteren Brücke über die Este, versucht ein Schild zu verhindern, was ansonsten unvermeidbar wäre: dass Spaziergänger an dem vorbeigehen, was hier ganz in der Nähe liegt und einen Stopp lohnt. Damit das nicht passiert, hat der Heimat- und Verkehrsverein Estetal e.V. einen Wegweiser aufgestellt. Hier warten Ludwig Hauschild und Johannes Matthiesen vom Verein auf uns. Denn innerhalb des mehr als 1200 Jahre alten Ringwalls der Alten Burg Hollenstedt hat Gärtnermeister Hauschild gemeinsam mit vielen helfenden Händen hier 2011 einen Garten angelegt. „Meine Idee war, ihn wie zur Zeit Karls des Großen zu gestalten, also um das Jahr 800 herum“, erzählt der Ehrenvorsitzende des Vereins, besser bekannt als „Lutz“.
Mittelalter-Garten mit typischen Heilkräutern in Alter Burg
Inmitten eines Weidezauns wachsen Wegwarte, Bärlauch und Meisterwurz. „All diese Heilkräuter sind typisch für das Mittelalter.“ So ordentlich angelegt wie der Mittelalter-Garten in der Alten Burg sind übrigens nicht alle Projekte des Vereins: die Blühwiesen entlang des Wanderweges zum Beispiel. „Dort braucht die Natur eher ein wenig Unordnung“, erklärt Johannes „Hanno“ Matthiesen, Nachfolger von Hauschild als Erster Vorsitzender des Vereins und zwinkert. Vertrocknete Blumen etwa geben Insekten Schutz und bleiben daher stehen. So wie im Wald und im Fluss ganz bewusst Totholz nur scheinbar herumliegt und immer einen Zweck erfüllt: zum Beispiel Mikroorganismen einen Lebensraum zu bieten. Der Heimat- und Verkehrsverein Estetal sorgt außerdem für die Ausschilderung des Weges – die großen Holzschilder hat ein Mitglied mit der Hand geschnitzt – hält Wege und Bänke in Schuss.
Immer wieder entfernen die Ehrenamtlichen das invasive Drüsige Springkraut, versuchen Hundehalter in Sachen Leinenpflicht zu sensibilisieren und sorgten dafür, dass vor der Brücke bei der Alten Burg eine Art Labyrinth aus Holz aufgestellt wurde – damit Radfahrer vor der Querung absteigen müssen und Reiter nicht länger auf die Idee kommen, über die Brücke zu reiten. „Ohne die ehrenamtliche Unterstützung ginge das hier alles nicht“, sagt Detlef Gumz. „Ohne all die engagierten Menschen wären die Este heute nicht die, die sie mittlerweile ist. Und der Wanderweg wäre längst nicht so schön.“ Der Abschnitt Bötersheim-Hollenstedt ist der Lieblingsabschnitt von Detlef Gumz. Gleich danach kommt übrigens der von Appelbeck nach Moisburg.
Tipps und Infos:
- Der Estewanderweg führt von Bötersheim über Hollenstedt, Appelbeck, Moisburg, Nindorf, Daensen und Heimbruch nach Buxtehude. Die Strecke beträgt insgesamt ca. 25 km. Gekennzeichnet ist der Weg mit gelben Pfeilen mit schwarzem Rand. Der Abschnitt Bötersheim-Hollenstedt ist ca. 7 km lang. An der alten Eiche in Bötersheim am Esteweg gibt es einige Parkplätze. Von dort dem Esteweg durch das Dorf folgen, am Ende ist der Wanderweg ausgeschildert. Offiziell beginnt der Wanderweg an der ehemaligen Bötersheimer Wassermühle.
- Achtung: Im Augenblick müssen Spaziergänger noch über einzelne bei den Februar-Stürmen umgefallene Bäume hinwegsteigen. Bötersheim ist nicht an den HVV angebunden. Die nächste Bushaltestelle liegt in Drestedt (ca. 2,5 km), der nächste Bahnhof in Buchholz (11 km). Der Wanderweg ist verzeichnet in der Freizeitkarte des Regionalparks Rosengarten e.V.
- Weitere Infos: www.regionalpark-rosengarten.de