Meckelfeld. Bis zu 100 Menschen können kurzfristig im Helbach-Haus unterkommen. Dort gibt es Betten, Spielzeug – und sogar Borschtsch.
Ein weißes Einhorn wartet im Gymnastikraum auf spielende Kinder, in der Tennishalle sind Stockbetten aufgebaut, zum Laden der Handys wurden Steckdosen eingebaut – im Meckelfelder Helbach-Haus ist alles vorbereitet, damit bis zu einhundert Geflüchtete aus der Ukraine jeweils für einige Tage hier unterkommen können. Die Notunterkunft ist die zweite im Landkreis Harburg, beide werden von der Johanniter-Unfallhilfe betrieben.
Schützenhalle Buchholz: Von 120 Betten sind pro Tag etwa 30 bis 90 belegt
Noch werden alle Ankommenden ohne Schlafmöglichkeit von der Registrierungsstelle in Winsen zur Buchholzer Schützenhalle gebracht. Von den 120 Betten sind pro Tag etwa 30 bis 90 belegt, insgesamt sind seit Mitte März 365 Geflüchtete angekommen. Sobald die Kapazitäten nicht mehr ausreichen, werden die Busse auch Meckelfeld ansteuern. „Das kann jederzeit soweit sein, wir sind auf Stand-by“, sagt Johanniter-Sprecherin Sonja Schleutker-Franke. Wie viele der Menschen, die zurzeit die Ankunft der Ukrainer begleiten, spricht sie von einer „dynamischen Lage“. Während eines Rundgangs durch das Helbach-Haus klingelt mehrmals ihr Telefon, gerade hat ein weiterer Bus den Landkreis erreicht.
Iryna Okay kommt selbst aus der Ukraine, seit 21 Jahren lebt sie in Meckelfeld. Als der Krieg ausbrach, meldete sie sich zunächst als Ehrenamtliche bei den Johannitern. „Ich wollte unbedingt meinen Landsleuten helfen“, sagt die 46-Jährige. Seit zwei Wochen ist sie – wie 15 weitere neue Mitarbeiter – fest angestellt und als Vollzeitkraft sowohl in Buchholz tätig als auch für die Vorbereitung in Meckelfeld zuständig. „Der Job lenkt mich ab, ich bin den ganzen Tag beschäftigt“, sagt sie. „Das tut mir gut.“
Gemeinde Seevetal hat zusätzliches Licht und Steckdosen installiert
In der mit grünem Teppichboden ausgelegten Tennishalle heißt ein großes Plakat die Ankommenden auf Ukrainisch „Herzlich willkommen“. Die Gemeinde Seevetal hat zusätzliches Licht und die Steckdosen installiert, ein Außenbereich wurde mit Holzschnitzeln und Sandkasten in einen Spielbereich umgewandelt. In der 1200 Quadratmeter großen Halle sind 18 Parzellen eingerichtet, jeweils etwa 20 Quadratmeter groß und mit verhängten Zaunelementen voneinander getrennt – für ein bisschen Privatsphäre.
In jedem dieser Schlafräume stehen drei Stockbetten, Kleiderschränke aus Metall, ein Tisch mit Stühlen. Bettzeug und Decken liegen bereit, jedes Abteil ist mit einer Nummer und einem Tiersymbol versehen. So sollen sich auch die Kinder schnell an diesem Ort zurechtfinden können.
Die Gymnastikhalle wurde zum Essensraum mit großen Gruppentischen umfunktioniert, es gibt zwei Mikrowellengeräte und es stehen Getränke bereit. Die Ukrainer können sich selbst Essen holen, auch in dem griechischen Restaurant im Haus wird für sie gekocht. „Es ist gut, dass es hier alles an einem Ort gibt“, sagt Iryna Okay. Sie hat mit dem Betreiber abgesprochen, was ihre Landsleute gern essen würden: Die Rote-Bete-Suppe Borschtsch steht auf dem Plan, außerdem Kartoffelgerichte und viel Weißbrot. Brötchen dagegen sind bei Ukrainern nicht gefragt, das haben sie bereits in Buchholz festgestellt.
Unter den Flüchtenden sind viele Familien mit Kindern
Unter den Flüchtenden sind viele Familien mit Kindern. „Für die ist das alles oft noch wie ein Abenteuer, sie rennen rum und spielen“, berichtet Iryna Okay. Damit die Kleinsten auch in Meckelfeld gut ankommen können, ist neben dem Essensbereich eine große Ecke zum Spielen abgetrennt. Es stehen Kuscheltiere, Fahrzeuge, ein Puppenhaus, Spiele, Bücher und Malsachen bereit. Weiteres Spielzeug werde nicht gebraucht, sagt Sonja Schleutker-Franke. Das gleiche gelte für gespendete Altkleider. Die Menschen aus der Ukraine haben zumeist ihre eigene Kleidung mitgebracht. Diese können sie in einem Container vor dem Haus selbst waschen und trocknen, zusätzlich zu den vorhandenen Dusch- und Toilettenräumen gibt es einen weiteren Container mit Sanitäranlagen.
Andere Spenden sind dagegen sehr hilfreich, wenn sie nach Absprache neu gekauft werden. Iryna Okay berichtet von einer Familie mit sechs Kindern. „Eines der Mädchen lief barfuß herum, weil es die Flucht in dicken Winterstiefeln angetreten hatte. Es hat dann von uns Hausschuhe bekommen.“ Eine Parzelle der Tennishalle dient als Lager für notwendige Ausrüstung. Dort stapeln sich Säcke mit Ersatz-Bettwäsche sowie Kartons mit Babynahrung und Windeln, auch einige Rollatoren sind an der Wand aufgereiht. „In Buchholz kam eine 91-jährige Frau an“, erzählt Iryna Okay. „Sie war auf der Flucht auch noch gestürzt, wir haben sie direkt ins Krankenhaus gebracht.“
Die Ankommenden bleiben in der Regel nur ein bis drei Tage
Die Ankommenden bleiben in der Regel nur ein bis drei Tage, dann sollten sie in private Unterkünfte vermittelt werden. Die Wohnraumvermittlung organisiert das DRK. Für jede Familie soll eine möglichst passende Unterkunft gefunden werden, zum Beispiel mit Kindern in ähnlichem Alter oder möglichst zentral gelegen. „Das ist wie ein Puzzle“, sagt Iryna Okay. Ihre eigene Familie ist bisher nicht aus der Ukraine geflüchtet. Sie sind noch immer in Lwiw im Westen des Landes, zweimal täglich telefonieren sie. Die Männer haben sich zum Militär gemeldet, die Frauen kochen Mahlzeiten für die Freiwilligen, die Kinder besuchen weiterhin Online-Unterricht, erzählt die Helferin. „Das Leben muss trotz allem weitergehen.“
Für die Geflüchteten, die in Deutschland ankommen, ist die Sprache oft eine große Hürde. Viele sprächen weder Deutsch noch Englisch, sagt Okay. Deshalb hängen in der Notunterkunft mehrere Plakate mit Symbolen wie Bett, Topf, Spülmaschine oder Kinderwagen – darunter das entsprechende Wort auf Deutsch, Ukrainisch und in Lautsprache, damit auch die Helfer die ukrainischen Wörter aussprechen können.
Zudem sind Sprachmittler im Einsatz, um die Kommunikation zu erleichtern. Sie sind jedoch schwer zu finden. In Deutschland lebten bisher relativ wenige Ukrainer, sagt Iryna Okay. Auch wussten die Menschen meist nur wenig über ihr Heimatland. „Das hat sich jetzt traurigerweise geändert.“