Helmstorf. Hermann Garbers Reise vom Hof in Helmstorf führte ihn bis Brüssel. Für seine Verdienste erhielt er nun das Bundesverdienstkreuz

Er ist der älteste Sohn und soll den väterlichen Bauernhof übernehmen. „Höchstens mittlere Reife, sonst wirst Du kein Bauer“, sagte Vater Hermann damals zu seinem Sohn. Es kam anders. Denn der Sohn hatte einen Mentor, den Dorfschullehrer. „Hermann, der muss zur Oberschule“, entgegnete der Lehrer dem Vater. So schlug der Junge vom Hof in Helmstorf im Landkreis Harburg, der auch Hermann heißt, seinen eigenen Weg ein. Einen Weg, der ihn bis nach Brüssel führte.

Hermann Garbers bestand die Aufnahmeprüfung am Jungengymnasium Alexander von Humboldt in Harburg, die eine ganze Woche dauerte. Er studierte, promovierte und stieg zum Topmanager auf, der schließlich bundesweit und international mitredete, wenn es darum ging, die Landmaschinenbranche voranzubringen.

Maschinenbau-Ingenieur erhielt das Verdienstkreuz am Bande

Jetzt hat Maschinenbau-Ingenieur das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik erhalten, in einer Feierstunde von Landrat Rainer Rempe. „Aber zu Hause in Helmstorf wissen wohl nur wenige, was ich beruflich gemacht habe“, sagt der Ausgezeichnete bei einem Hausbesuch danach. Garbers liegt es nicht, sich in den Vordergrund zu drängen oder seine Karriere herauszustellen.

Die begann an der Technischen Universität Braunschweig. Der Einstieg, der 1976 zum Ingenieur-Diplom im Maschinenbau führte. Der erste Job beim Baumaschinenkonzern in Dortmund war nicht der richtige. Die Schornsteine rauchten im Ruhrgebiet, die Luft war stickig. „Keine langfristige Perspektive“ glaubten Heidi und Hermann, die seit 1977 verheiratet sind. Ein Jahr später fragte die Universität an. Das Angebot, Beamter auf Widerruf mit einem Studienratsgehalt zu werden und die Promotionsmöglichkeit, nahmen die Eheleute gern an. Es ging bis 1984 zurück an die Uni. Dort galt schon damals die Devise, dass sich alle wissenschaftlichen Assistenten außerhalb der Hochschule Kontakte sichern, Vorträge halten, Vertreter der Industrietreffen und Netzwerke aufbauen sollten.

Dieses Netzwerk führte zu einen Termin bei Helmut Claas, Mehrheitseigner des international führenden Herstellers von Landtechnik in Harsewinkel (Ostwestfalen-Lippe). Claas war vom jungen Mann angetan. Er erhielt sofort Führungsaufgaben und wurde 1988, nach vier Jahren, Entwicklungschef.

Garbers war für ersten Mähdrescher mit digitaler Steuerung verantwortlich

Als Verantwortlicher stand Garbers für den ersten Mähdrescher mit digitaler Steuerung. Mit ihm können diverse Getreidearten, aber auch Erbsen, Reis oder Bohnen mit einem deutlich erhöhten Durchsatz gedroschen werden. „Durchschnitt waren damals 18 Tonnen pro Stunde, jetzt wurden 40 Tonnen möglich“, so Garbers. Das Projekt, in das Garbers Arbeitgeber rund 60 Millionen D-Mark steckte, wurde zum Erfolg, weil die Kosten für die Landwirte sanken. Heutige, weiter entwickelte Modelle des Typs, schaffen 100 Tonnen Getreide pro Stunde und kosten etwa 500.000 Euro. Trotz ihrer Größe ist der Verbrauch von Diesel seit 1995 von vier auf unter zwei Liter pro Tonne Getreide gesunken. „Wenn wir die deutsche Landwirtschaft weltweit wettbewerbsfähig halten wollen, brauchen wir solche Maschinen“, ist der Ingenieur und Manager überzeugt.

Schon Ende der 1990er nahm die Digitalisierung immer mehr zu. Daten darüber was, wo und wie viel geerntet wird, über den Input von Saatgetreide, Dünger oder teuren Pflanzenschutzmitteln werden von der Maschine über eine Cloud auf Bildschirme auf den Höfen übertragen. Alles ist sofort abrufbar. Strohpressen steuern die Geschwindigkeit der ziehenden Traktoren, um die Ballen optimal aufzunehmen. Garbers treibt diese Entwicklung bei Claas und zwischendurch drei Jahre beim Konkurrenten Fendt in Marktoberdorf (Allgäu) voran. „Solche Möglichkeiten sind der Hintergrund dafür, dass Höfe mit den entsprechenden Investitionen mit weniger als einer Arbeitskraft für eine Fläche von 100 Hektar auskommen“, weiß Garbers.

In zahlreichen Verbänden war der Helmstorfer aktiv, auch auf EU-Ebene

Dieser zögerte nicht, als er auf eine Mitarbeit in Verbänden angesprochen wurde. Er arbeitete für den Verein Deutscher Ingenieure im Bereich Agrartechnik, war Gründungsmitglied des Lenkungskreis Landtechnik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und organisierte den europäischen Branchenverband Cema neu, um näher an der Politik zu sein.

Zum größter Erfolg des Lenkungskreises im VDMA wurde, dass sieben internationale Firmen es schafften, standardisierte Schnittstellen für Maschinen unterschiedlicher Marken zu vereinheitlichen. Die Cema wird heute bei der EU gehört, wenn es um Gesetze für die Landwirtschaft geht. „Der Verband kann Entscheidungen mit vorbereiten. Wir werden wahrgenommen“, sagt Garbers. „Vorher haben sie in Brüssel die Standards für die Landtechnik von denen für Autos abgeleitet.“

Die Garbers leben wieder auf dem Grundstück und ehemaligen Hof der Eltern.
Die Garbers leben wieder auf dem Grundstück und ehemaligen Hof der Eltern. © Rolf Zamponi

Bis 2014 stand der heute 70-Jährige an der Führungsspitze bei Claas. Bis 2016 arbeitete er noch in den Verbänden. Dann zog er einen klaren Schnitt. Das alte Bauernhaus in Helmstorf war da schon seit 2007 abgerissen, ein neues auf dem gleichen Grundstück mitsamt Scheune aufgebaut. Die Familie nutzte es über Jahre als Wochenendhaus. Doch 2015 wurde das Haus in Harsewinkel verkauft und das Ehepaar kam nach Helmstorf zurück. „Wenn man nicht mehr aus Erfahrung spricht, sondern nur noch aus Erinnerung, sollte man es besser sein lassen“, stellt Garbers trocken fest.

Jetzt stehen drei Traktoren, zwei von den Höfen der Eltern von Heidi und Hermann und ein neuer Claas mit Frontlader in der Scheune. Garbers hält damit die Ränder des verpachteten Landes (20 Hektar) in Schuss, holt Holz aus dem Wald oder planiert Wege. Für ihn ein Hobby. Wenn er auf dem Trecker unterwegs ist, winken ihm die Nachbarn zu, als wäre er nie weg gewesen.