Lüneburg. Durch „The Voice“ wurde der er einem großen Publikum bekannt. Heute lebt vom Dahl in Lüneburg und hat die Musik zum Beruf gemacht.

Seinen Ausflug in die Fernsehshow „The Voice of Germany“ vergleicht Jonny vom Dahl mit ‘einmal Höhenluft schnuppern’. „Das ist, wie wenn dich einer mit dem Hubschrauber kurz oben auf dem Berggipfel absetzt. Und danach musst du selbst hoch­laufen.“ 2016 hat er an der Talentshow teilgenommen, holte sich viel Lob von Yvonne Catterfeld und den Fantastischen Vier und schied erst kurz vor den Liveshows aus.

Seitdem hat er sich erfolgreich freigelaufen und die Musik zu seinem Beruf gemacht. Seit vergangenem Jahr lebt der gebürtige Hesse mit seiner Frau in Lüneburg. Bei einem Kaffee mit Blick auf den Stint erzählt der 1,95-Meter-Mann, wie er den Weg am Berg bisher bestritten hat und was ihm dabei Orientierung bietet.

Als ältester von vier Brüdern wuchs der heute 25-Jährige in einer musikalischen Familie auf, er nahm Cellounterricht, brachte sich selbst das Gitarrespielen bei, trat später mit verschiedenen Jugendbands auf. Die Erfahrungen bei Liveauftritten hätten ihm sehr geholfen, sagt Jonny vom Dahl. „Ich habe in diesen Jahren viel von älteren Menschen gelernt, auch gerade, wie man mit Fehlern auf der Bühne umgeht. Den einzigen Fehler, den man nicht machen darf, ist zu zeigen, dass gerade ein Fehler passiert ist. Humor ist ganz wichtig.“

Abstecher in die Fernsehwelt

Nach seinem Abstecher in die Fernsehwelt absolvierte er den Popkurs Hamburg an der Hochschule für Musik und Theater, wo sich bereits Bands wie Wir sind Helden, Boy und Revolverheld gefunden haben. „Ich wollte herausfinden, wie weit das für mich gehen kann mit der Musik.“

Es ging so gut, dass Jonny vom Dahl 2020 sein erstes Album „Sommerstadtgeflüster“ herausbrachte. Die Texte sind inspiriert von einem USA-Trip, Studentenpartys und Kneipentouren, musikalisch bewegen sich die Songs zwischen Pop, Funk und Jazz. Aufgenommen hatte er das Album vor Beginn der Corona-Pandemie mit dem Produzenten Peter Hoffmann, der schon mit Tokio Hotel, Annett Louisan, Falco und Lina gearbeitet hat. Seitdem hatte der Singer-Songwriter einige Auftritte, doch eigentlich hätte er sich gern gleich richtig reingehängt. Aber viele Veranstalter sind verschwunden, bei den verbliebenen haben es Newcomer besonders schwer.

Jonny vom Dahl, der Musiker/Singer-Songwriter und frühere The-Voice-Kandidat lebt in Lüneburg
Jonny vom Dahl, der Musiker/Singer-Songwriter und frühere The-Voice-Kandidat lebt in Lüneburg © Jonny vom Dahl | Jonny vom Dahl

Die Branche sei schwer gebeutelt, sagt Jonny vom Dahl. Das ist auch für ihn schwierig, wenngleich er sich mit einem BWL-Studium abgesichert hat. „Ich bin kein Clueso, ich brauche die Live-Auftritte.“ Aus künstlerischer Sicht kann er diesen unsicheren Zeiten allerdings auch etwas Positives abgewinnen. „Ich mag es, wenn die Wege offenbleiben, das Leben nicht so gesetzt ist. Zum kreativen Prozess gehören anstrengende Phasen dazu.“ Bisher sei er gut durch diese turbulenten Zeiten gekommen, habe viel Zeit zu Hause verbracht und Musik geschrieben.

Basketball in der Nachwuchs-Bundesliga

Es war eine ungewohnter Rückzug für den sonst sehr aktiven Musiker. Als Jugendlicher spielte er Basketball in der Nachwuchs-Bundesliga, seit diesem Sommer ist er im Team der Winsen Baskets. Zudem macht er hin und wieder Kampfsport und betreut ehrenamtlich eine christliche Jugendgruppe. Das Vereinsleben ist ihm wichtig, vor allem will Jonny vom Dahl jüngere Menschen auf ihrem Weg unterstützen. Er sei selbst in Jugendgruppen groß geworden und habe dort sein Selbstvertrauen aufgebaut, sagt er. „Ich versuche, ein Mentor zu sein. Es macht sehr viel aus, wenn jemand im jungen Leben hört: Du kannst das.“

Jonny vom Dahl hat offenbar die seltene Gabe, stets neugierig in Bewegung zu bleiben und zugleich erstaunlich gelassen in sich zu ruhen. Anstatt getrieben zu werden, lässt er sich treiben. Er akzeptiert, was ist, und schaut offen nach vorn. Dass er wohl immer auf der Suche bleiben würde, wurde ihm bereits als Kind klar. Als Sohn eines evangelischen Pfarrers wurde er regelmäßig nach seinem Glauben gefragt, setzte sich zwangsläufig mit der Frage und den vielen möglichen Antworten auseinander.

Heute sieht er seinen Glauben als Bereicherung, persönlich und musikalisch. „Ich wäre kein Musiker, ohne Christ zu sein. Auch der Kirche kann ich viel Gutes abgewinnen. Aber ich bin zugleich ihr größter Kritiker. Wenn mir auffällt, dass Menschen eingeengt oder ausgegrenzt werden, sage ich das deutlich und stelle auch unbequeme Fragen.“ Die Regeln der Religion sind ihm oftmals zu statisch, er will seinen eigenen Weg gehen. Schreibt Lobpreismusik und Gitarrenpop, tritt mal bei bei einer christlichen Jugendorganisation und mal bei Fans im Wohnzimmer. Dass nicht jeder das versteht, nimmt er gelassen in Kauf.

Wandeln zwischen Zweifel und Zuversicht

Sein Wandeln zwischen Zweifel und Zuversicht spiegelt sich auch in Jonny vom Dahls Songs wieder. So stellt er in „Still“ die große Frage, ob es einen Gott gebe – und ist überzeugt, dass eine Antwort nur im leisen Zuhören zu finden sein kann. Überhaupt ist dieses Lagerfeuergefühl, wie er es nennt, prägend für seine bisherige Musik, es vereint Freiheit mit Gemeinschaft, Abenteuer mit Demut, die innere Ruhe mit Gute-Laune-Musik. Auch sein erstes Album klingt streckenweise wie fürs Lagerfeuer gemacht, wenngleich das trubelige Treiben in der Stadt im Mittelpunkt steht. In den vergangenen zwei Jahren hat er sich künstlerisch weiterentwickelt, heute würde er ein ganz anderes Album machen, sagt Jonny vom Dahl. Und so überrascht es nicht, dass er bei der Frage nach musikalischen Vorbildern gleich eine ganze Reihe von Namen nennt.

Er bewundere die Musiker, für das was sie jeweils besonders gut können, sagt Jonny vom Dahl. John Mayer für sein Gitarrenspiel, Ed Sheeran für sein Superstaraussehen, Max Herre für sein Texttalent und Bosse für seine Liveperformance. Und Clueso habe gezeigt, dass es auch ohne geraden Weg möglich sei, sehr lange erfolgreich zu sein.

Wenn der Lüneburg selbst auf der Bühne steht, ist die Verbindung zum Publikum sein wichtigstes Ziel. „Diese Connection vereint, das hinterlässt was ganz Großes.“ Um dieses Gefühl der Nähe trotz fehlender Veranstalter endlich wieder zu teilen, hat er kurzerhand in diesem Herbst seine Bei-dir-zu-Hause-Tour organisiert. Dafür konnten seine Fans ihn in ihre privaten Wohnzimmer einladen, elf Konzerte von Wuppertal bis Altensteig sind geplant.

Auch in Lüneburg tritt Jonny vom Dahl auf. In seiner neuen Heimatstadt fühlt er sich wohl, die Größe und die Mischung der Bewohner sei für ihn genau richtig. „Lüneburg ist eine ziemlich geile Stadt. Hier ist es nicht total verschlafen, aber auch nicht zu aufgeregt“, sagt der Musiker, der am Kreideberg wohnt. „Ich bin normalerweise viel unterwegs. Es tut sehr gut, hier nach Hause zu kommen.“