Ovelgönne. Schon seit zwei Jahren gibt es einen Aufnahmestopp. Nur im absoluten Notfall können noch Tiere aufgenommen werden.

Cucaracha, eine schwarze Stute, könnte jetzt nicht auf der Wiese in Ovelgönne grasen, wenn Bernhard Kutz sie nicht vor neun Jahren aufgenommen hätte. Möglicherweise wäre sie längst tot. Viele Besitzer wollen auf dem Gnadenhof Pferdeoase im Landkreis Wesermarsch ihre alten Tiere abgeben - etwa wenn sie nicht mehr für die Kosten aufkommen können. Die Nachfrage sei immens, sagt der 80-Jährige. Auf seinem Hof sind derzeit 35 Pferde, 19 Esel, 12 Hunde und andere Tiere untergebracht, von denen viele nicht mehr leben würden, wenn sie nicht hier gelandet wären.

Einige Hunde lebten vorher auf der Straße. Kutz hat in den rund 36 Jahren auf seinem Hof bisher etwa 450 Pferde versorgt. Seit zwei Jahren hat er allerdings einen Aufnahmestopp. Nur im absoluten Notfall nehme er noch Tiere auf, erzählt der 80-Jährige: „Eine Frau ist in ihrem Haus verbrannt, dann sind Tiere da, dann kann man nicht sagen, nein wir haben Aufnahmestopp.“

Pferde mit Lungenbeschwerden

Pferdegnadenhöfe sind nach Angaben von Tierethikerin Friederike Schmitz wichtig, weil sie Empathie und Verständnis wecken. Sie machten Tiere als wertvolle Individuen sichtbar und ermöglichten persönliche Begegnungen von Menschen und Tieren, sagt Schmitz, die zuletzt unter anderem an der Freien Universität Berlin lehrte und Mitgründerin des Vereins Mensch Tier Bildung ist.

Wie Kutz erzählt, haben viele Pferde Lungenbeschwerden, weil sie in der Vergangenheit zu wenig Bewegung gehabt hätten. Auf dem Gnadenhof könnten sich die Pferde nun auf 60 Hektar Weideland austoben. Wären sie nicht hier, wären 80 Prozent frühzeitig zum Schlachten gegangen, schätzt der Tierfreund.

Bernhard Kutz lässt seine Pferde auf eine neue Weide.
Bernhard Kutz lässt seine Pferde auf eine neue Weide. © dpa | Sina Schuldt

Das habe wirtschaftliche Gründe. Ein Pferd benötige im Jahr ungefähr einen Hektar Weideland. Wenn es in den Ruhestand gehe, verdiene man mit ihm nichts mehr.

Vor etwa 40 Jahren passierte nach Kutz' Beobachtung ein Wandel im Umgang mit Pferden. Früher seien die Pferde Nutztiere gewesen, heute seien sie oft Sportgeräte. „Nur jemand, der zufrieden ist, gibt auch etwas. Ein Pferd, das nicht zufrieden ist, verweigert den Sprung, patzt im Bewegungsablauf, da kann der Reiter noch so gut sein“, sagt der Mann mit den grauen Haaren.

Schöner Lebensabend

Wenn Pferde auf einem Gnadenhof ihren Lebensabend verbringen, heißt das nicht, dass sie in der Vergangenheit schlecht behandelt wurden. Darauf weist die Deutsche Reiterliche Vereinigung hin. „Pferdegnadenhöfe sind für uns vielmehr auch ein Zeichen einer sich verändernden Einstellung gegenüber dem Pferd und dafür, dass die Pferde immer älter werden“, heißt es vom Dachverband aller Züchter, Reiter, Fahrer und Voltigierer.

Zwischen den meisten Reiterinnen und Reitern und ihren Pferden bestehe eine partnerschaftliche Beziehung und die meisten Pferdebesitzer wollten ihren Pferden einen schönen Lebensabend ermöglichen, versichert Verbandssprecherin Uta Helkenberg. Dass Pferde dagegen oft nur Sportgeräte seien, sieht der Verband nicht so. „Das Bewusstsein für eine pferdegerechte Haltung und Nutzung des Pferdes ist gestiegen“, betont Helkenberg.

Besitzer Kutz bleibt – auch wenn es einen Nachfolger gibt

Die Beträge für die Pflege und das Futter für die Pferde auf dem Gnadenhof in Ovelgönne werden über Spenden finanziert, erklärt Besitzer Kutz. Zudem habe fast jedes Pferd einen Paten. er möchte zudem dafür sorgen, dass seltene Rassen nicht aussterben. So leben auf seinem Hof fünf Poitou-Esel. Sie haben ein langes, zotteliges Fell und sind anhänglich.

Bisher kümmert sich der fitte Rentner zum großen Teil allein um den Hof. Auch wenn ihn die Arbeit in der Natur jung zu halten scheint, weiß Kutz, dass er langfristig gesehen Hilfe benötigt. Schon länger sucht der 80-Jährige, allerdings bislang erfolglos, nach einem Nachfolger.

Dieser sollte eine Zuneigung zu Tieren mitbringen und bereit sein, auch mal ein paar Stunden länger zu arbeiten. Auch wenn ein Nachfolger gefunden ist, ist es für Kutz klar, dass er auf seinem Hof bleiben und sich weiter um seine Tiere kümmern will. „Wie kann man einen alten Baum verpflanzen?“, fragt er und lacht.