Buchholz. Polizei startet in Zusammenarbeit mit Banken Präventionsaktion im Landkreis Harburg. Vorbild ist ein erfolgreiches Projekt in Gütersloh.

Ein Dienstag gegen Mittag, das Telefon klingelt und unterbricht Marthas Mittagsschlaf. „Rate mal, wer hier spricht?“, schallt eine junge Stimme etwas gedämpft aus dem Hörer. Gute Frage. „Martha, dein Lieblingsenkel ist dran!“ Die Seniorin überlegt: „Felix?“ Von der anderen Seite des Telefons kommt freudig: „Genau, der Felix.“ Er erzählt, dass er gerade jetzt eine Wohnung in ihrer Nähe kaufen könne. Allerdings brauche er Geld als Anzahlung. „Ich dachte… und deine WG? Gefällt es dir dort nicht mehr?“ Martha schwankt zwischen Freude und Verwirrung. Nun müsse schnell gehandelt werden. Ob sie ihm etwas Geld leihen könne? Sie könne es gleich dem Martin übergeben. „Erinnerst du dich denn nicht mehr an Martin?“

Es ist eine Szene, die sich in dieser Art zigtausend Mal in Deutschland abgespielt hat. Auch jetzt in diesem Moment, vielleicht sogar im Landkreis Harburg, klingelt das Telefon. Denn auch hier häufen sich trotz viel Präventionsarbeit die Betrugsfälle. Dabei ist der Enkeltrick nur ein Beispiel für eine Vielzahl an Varianten des Telefonbetrugs. Die Polizei stellte nun in Buchholz ein Projekt vor, mit dem verhindert werden soll, dass ältere Menschen auf diese Art und Weise um ihr Geld gebracht werden.

„Umschlag gegen Telefonbetrug“ ist eine Präventionsmaßnahme

Der „Umschlag gegen Telefonbetrug“ ist eine Präventionsmaßnahme, entspringt einer Idee der Polizei Gütersloh (NRW) aus dem vergangenen Jahr und wird nun erstmals im Landkreis Harburg eingeführt. Ein Umschlag als Rettung vor Betrug? Genau. Kommt ein Kunde zum Bankschalter und möchte einen auffällig hohen Betrag abheben, ist es für die Angestellten schwierig, Einfluss auf diese Person zu nehmen. Selbst wenn ihre Sorge berechtigt ist. Denn häufig versuchen die Betrüger im Vorfeld das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bankberater und ihrem Opfer zunichte zu machen.

„Mehr als darauf hinweisen können wir nicht“, erklärt Frank Soetbeer von der Volksbank Lüneburger Heide mit Blick auf die Rechte der Kunden. Die Neuerung: Bankmitarbeiter können das abgehobene Geld in einen Briefumschlag stecken, der mit den Worten „Vorsicht! Betrugsgefahr!“ eine letzte, optisch auffällige Warnung darstellt. Die Person wird mit sechs Fragen konfrontiert. Kann sie mindestens zwei davon bejahen, lautet die klare Ansage: „Wählen Sie sofort die 110!“

Vor allem die ältere Generation ist massiv betroffen

Die Polizei setzt im Kampf gegen Telefonbetrug auf die Zusammenarbeit mit Banken (v.l.): Frank Freienberg, Sandra Becker, Frank Soetbeer und Carsten Bünger.
Die Polizei setzt im Kampf gegen Telefonbetrug auf die Zusammenarbeit mit Banken (v.l.): Frank Freienberg, Sandra Becker, Frank Soetbeer und Carsten Bünger. © HA | Sven Bleilefens

„Leider ist vor allem die ältere Generation wirklich massiv betroffen“, stellt Frank Freienberg als Leiter des Zentralen Kriminaldienstes besorgt fest. So ein Betrugsversuch laufe dabei stets ähnlich ab: „Egal ob Enkeltrick, Anlagebetrug oder der falsche Polizist – es fängt fast immer mit einem Telefonat an.“ Die Person wird vom Anrufer überrascht, dazu gedrängt, Geld abzuheben und schließlich zu einer Übergabe an Dritte aufgefordert. Carsten Bünger, Beauftragter für Kriminalprävention, berichtet von bestürzenden Schicksalen, wenn auf einmal das ein Leben lang Ersparte verloren geht. Und die Gefahr ist real.

„Im Landkreis Harburg gibt es fast jeden Tag eine Tat“, sagt Bünger. Im Jahr 2020 waren es knapp 350 Fälle. Dabei ist die Aufklärungsquote niedrig, die Dunkelziffer schätzt die Polizei als hoch ein. Der Großteil könnte glücklicherweise verhindert werden. Doch wenn die Täter Erfolg haben, sind häufig fünf- bis sechsstellige Summen verloren.

Organisierte Täter werden immer geschickter und immer perfider

Bei der Polizei habe man sich gefragt, wie es trotz einer enorm verstärkten Präventionsarbeit noch immer zu solchen Vorfällen kommen könne. Freienberg argumentiert mit den Methoden der organisierten Täter, die „immer geschickter, immer perfider“ werden. Den Briefumschlag lobt er als besonders zielgerichtetes Mittel. Bünger bringt es auf den Punkt: „Er ist die letzte Bastion.“

Beide betonen jedoch auch, dass die Idee in der Umsetzung nur in Kooperation mit den Geldinstituten funktioniere. Die ersten sind mit der Volksbank Lüneburger Heide und der Sparkasse Harburg-Buxtehude schon dabei, andere könnten nachziehen. Frank Soetbeer von der Volksbank zeigt sich „erstaunt, wie hinterlistig die vorgehen“. Gemeint sind die Kriminellen, deren Werkzeug nicht der Dietrich oder die Pistole, sondern einzig die Sprache ist. Zwar könne das geschulte und sensibilisierte Personal einiges verhindern, doch tragische Einzelfälle gebe es laut Sandra Becker von der Sparkasse immer wieder. Sie hebt hervor, dass es nicht nur senile Senioren treffe: „Die arbeiten mit Angst.“

Häufig konzentrieren sich die Anrufe auf einen regionalen Bereich

Allein in Buchholz gab es an diesem Tag bis zum Nachmittag bereits vier gemeldete Tatversuche. Häufig konzentrieren sich die Anrufe regional, um dann einen Ortswechsel vorzunehmen. Bünger vermutet hier logistische Hintergründe, die angeworbenen Kuriere seien dann schon einmal vor Ort. Um diese Tendenzen erkennen und auf ein erhöhtes Risiko hinweisen zu können, seien Anzeigen bei der Polizei unumgänglich. Erschwerend komme hinzu, dass die Organisation meistens aus dem Ausland erfolge, sodass die Strippenzieher kaum zu fassen seien. Präventionsarbeit ist folglich besonders wichtig.