Hittfeld. Knapp 300 Anhänger bejubeln Kanzlerkandidaten der Union. Der lässt sich per Hubschrauber einfliegen und läuft zu Rocky-Musik ein.
Vielleicht ist es Zufall, vielleicht ein ganz bewusst gesetzter Akzent. Als CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet am Donnerstagmittag durch die tobende Menschenmenge Richtung Wahlkampfbühne schreitet, ertönt aus den Boxen der Soundtrack des Kinoklassikers „Rocky III“: „Eye of the Tiger“. 1982 die meistverkaufte Single, Oskar nominiert, die Box-Hymne schlechthin. Ein Song, der für Erfolg steht, für Kämpfer und Menschen, die nicht aufgeben.
Die philippinische Boxikone Manny Pacquiao nutze den Titel für den Walk-in zum Ring und wurde insgesamt acht Mal Weltmeister. Ein Erfolgstitel also, der auch Armin Laschet den nötigen Rückenwind geben soll, um das Ruder doch noch herumzureißen. Jüngsten Umfragen nach steht die Bundes-CDU nur noch bei knapp über 20 Prozent. Zehn Tage bleiben noch für die Aufholjagd.
Erst Hamburg, dann Seevetal, Bremen und später noch Celle
Also tourt Laschet durch Deutschland. Heute ist der Norden dran. Erst Hamburg, dann Seevetal, Bremen und später am Nachmittag noch Celle. Rund 300 Zuschauerinnen und Zuschauer sowie die CDU-Prominenz aus dem Hamburger Süden haben sich an diesem Donnerstag Punkt zwölf auf dem Parkplatz der Burg Seevetal versammelt, um den Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen endlich einmal live zu erleben. Sie wollen wissen, wie der Rheinländer wirklich tickt, was er zu sagen hat und wie er es schaffen will, die Mehrheit der Wählerschaft doch noch von sich zu überzeugen.
Den Auftakt der Show machen die Seevetaler Bürgermeisterkandidatin Emily Weede, der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Grosse-Brömer und Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann. „Was gibt es Schöneres für Laschet, als vor den Seevetaler Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen?“, scherzt Althusmann. „Das habe ich vor einer Woche auch den Braunschweigern in Braunschweig gesagt.“ Auch Grosse-Brömer nutzt die Veranstaltung für seinen Wahlkampf: „Kennen Sie noch diesen Slogan?“, ruft er den Besucherinnen und Besuchern zu. „Vater, Mutter, Tochter, Sohn - alle wählen die Union.“ Und: „Wahlkampf macht Spaß, man muss am Ende nur gewinnen.“
Mit 20 Minuten Verspätung kommt er per Hubschrauber
Das will auch Armin Laschet. Mit 20 Minuten Verspätung kommt er schließlich per Hubschrauber, bahnt sich unter Anfeuerungsparolen der Jungen Union seinen Weg durch die Menge, gibt Autogramme, beißt sich grinsend auf die Zunge und strahlt schließlich über das ganze Gesicht. Es ist das Laschet-Lachen, dass im Juli im Flutgebiet in Erftstadt für ungute Schlagzeilen gesorgt hat.
Doch das ist Schnee von Gestern. Jetzt gilt es, den Blick nach vorn zu wenden, die eigenen Ideen unter’s Volk zu bringen und die Menschen davon zu überzeugen, dass der nächste Bundeskanzler ein Christdemokrat sein muss. „Der grandiose Erfolg der CDU bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen mit 31 Prozent zeigt, wohin die Reise geht. Lasst die Anderen reden, wir gewinnen die Wahlen - das ist unser Ziel“, sagt Laschet. Und dann legt er los.
Warnt vor einer möglichen Rot-Rot-Grünen Regierung, vor Enteignung, Steuererhöhungen und dem Verlust der Sicherheit, sollte es einen Linksrutsch bei den Wahlen geben. „Wenn eine Partei sagt, wir wollen raus aus der Nato, wir wollen den Verfassungsschutz abschaffen, wir sagen bei jedem europäischen Einigungsschritt immer Nein, dann darf eine solche Partei nicht in Deutschland regieren.“ Es sei nicht die Zeit für ideologische Spielereien. Wir brauchen mehr Sicherheit in der Außen- und Innenpolitik - und das kann Rot-Rot-Grün nicht gewähren.“
Und dann das Thema wirtschaftliche Stärke. „Wenn wir erreichen wollen, klimaneutrales Industrieland zu werden, können wir das nur mit gigantischen Investitionen schaffen. Dafür aber müssen wir erstmal wieder wirtschaftlich stark werden“, so Laschet. „Aber wie kommen wir wieder zu Wachstum?“ Nicht mit Steuererhöhungen, wie es die SPD wolle. Nicht mit Verboten als Innovationstreiber, so wie es die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vorschlage. „Im Gegenteil, wir müssen Beschränkungen wegnehmen, Vorschriften abschaffen.“ Sein Appell: „Lasst die Leute doch einfach mal machen!“ Drittes Thema: Europa. „Wir müssen ein Europa voranbringen, das den Systemwettbewerb mit China auch annehmen kann“, sagt Laschet. „Es hilft nicht zu jammern. Bündeln wir also unsere Kompetenzen, machen wir künstliche Intelligenz, Quantencomputing, Batterieforschung - nehmen wir europaweit die Kräfte zusammen und den Wettbewerb mit China auf.“
30 Minuten dauert Laschets Besuch in Seevetal
30 Minuten dauert Laschets Besuch in Seevetal. Dann sind die wichtigsten Themen der Union abgehakt. Bevor es weitergeht stimmen die CDUler noch schnell die Nationalhymne an. Es gibt als Gastgeschenk Pralinen aus der Region und zufriedenes Schulterklopfen. Die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer sind zufrieden. Sie haben einen kämpferischen Kanzlerkandidaten erlebt, einen Menschen, der gerne lacht und der nicht bereit ist, den Kopf in den Sand zu stecken. „Laschet war spitze“, sagt CDU-Ratsmitlied Julian Leroux aus Sottorf. „Von Laschet kann man lernen, wie man standhaft bleiben kann - auch wenn alle auf einem rumhacken.“
Doch es gibt auch kritische Stimmen. Lasse Petersen, Erstwähler aus Sittensen, ist nicht wirklich zufrieden mit dem Auftritt von Armin Laschet. „Themen, die mir wichtig sind, wie der Klimawandel, Corona oder die zunehmende soziale Ungleichheit, wurden überhaupt nicht angesprochen“, kritisiert er. Der 20-jährige hätte gerne gefragt, was denn an einer stärkeren steuerlichen Umverteilung nachteilig sei. Und er hätte zu gern ein Selfie mit sich und dem Kanzlerkandidaten gemacht. Doch dafür bleibt keine Zeit.
Nach dem obligatorischen Laschet-Appell: „Ich will Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden. Dafür kämpfe ich. Und dafür bitte ich um Ihre Unterstützung!“, nach Gastpralinen, Nationalhymne und kurzem TV-Interview am Bühnenrand muss der Rheinländer auch schon wieder weiter auf Stimmenfang. Michel Grosse-Brömer, Emily Weede, Bernd Althusmann und die vielen anderen CDU-Anhänger auf dem Burg-Parkplatz sind zufrieden. Sie haben den Moment an Laschets Seite genossen. Und sie sind sich einig, dass die Aufholjagd erst begonnen hat.