Uelzen. In unserer Sommerserie stellen wir Tagesausflüge rund um Hamburg vor. Heute geht es in eine unterschätzte Stadt.

Uelzen? Das ist doch die Stadt mit dem bunten Bahnhof, oder? Viel mehr ist außerhalb ihres Umkreises über die Hansestadt kaum bekannt. Zu sehr strahlt das nahe Lüneburg, zu schwer wiegt das ebenso nahe Celle. Lohnt Uelzen aber vielleicht doch einen Besuch? Wir wollten es wissen und genossen einen herrlichen Tag in einer Schnuckelstadt.

Der schnellste Weg nach Uelzen führt über die Schiene. 48 Minuten braucht die Regionalbahn vom Bahnhof Hamburg-Harburg zum Hundertwasser-Bahnhof von Uelzen. Mit dem ICE geht es sogar noch schneller. Wer allerdings noch ein wenig die Gegend erkunden möchte und deshalb das Auto nimmt, ist von Hamburg aus auch in einer guten Stunde hier.

Uelzens Hundertwasser-Bahnhof ist zum neuen Wahrzeichen der Stadt geworden

Der berühmte Uelzener Hundertwasser-Bahnhof ist eines der letzten architektonischen Werke des Universalkünstlers Friedensreich Hundertwasser (1928 – 2000). Der Kultur- und Umweltbahnhof wurde als Projekt für die Weltausstellung EXPO 2000 in Auftrag gegeben. Hundertwasser musste den Bahnhof nicht neu bauen: Er fand bereits ein prächtiges Gebäude vor, denn bis zur deutschen Teilung war Uelzen ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt, an dem sich die Hamburg-Hannover-Linie und die so genannte Amerikalinie (von Berlin nach Bremen) trafen.

Hundertwasser, Gegner der geraden Linie und der Eintönigkeit, fügte dem Gebäude bunte Schnörkel, Wellenlinien und kleine Küppelchen hinzu. Überall im Bahnhof warten kleine gestalterische Überraschungen auf die Besucher und auf dem Dach sprießt das Grün. Ein Projektladen und ein Galerie-Restaurant (derzeit geschlossen) halten den Uelzen-Besucher schon am Bahnhof fest.

Der Springbrunnen am Schnellenmarkt erinnert an die getöpferten Krüge, die in der Region Alltags-Gebrauchsgegenstände waren 
Der Springbrunnen am Schnellenmarkt erinnert an die getöpferten Krüge, die in der Region Alltags-Gebrauchsgegenstände waren  © xl | Lars Hansen

Damit man sich davon lösen kann und doch noch seinen Weg in die Altstadt findet, haben sich die Stadtoberen etwas einfallen lassen: Den „Weg der Steine“. Das sind 21 mehr als menschenhohe Felsbrocken, die die schwedische Künstlerin Dagmar Glemme bunt bemalt hat. Florale und Tiermotive sowie mystische Szenen gibt es auf den bis zu acht Tonnen schweren Brocken zu entdecken. Der erste Stein auf dem Weg in die Innenstadt zeigt die Geburt der antiken Göttin Flora.

Der Wochenmarkt heißt in Uelzen „Vitalmarkt“ – und das mit gutem Grund

Über die Bahnhofsstraße gelangt man mitten ins Herz der alten Stadt. Dort, wo sich Bahnhofsstraße, Veerßener und Lüneburger Straße sowie die Gudestraße treffen, trifft sich zweimal pro Woche auch ganz Uelzen und das halbe Umland. Dann ist „Vitalmarkt“. So heißt der Uelzener Wochenmarkt rund um diese Kreuzung. Er ist nicht gerade klein. Neben landwirtschaftlichen Produkten aus der Region gibt es hier auch Kunsthandwerk, Naturkosmetik und allerlei andere alternative Produkte zu kaufen. Zahlreiche Imbissstände bieten Snacks aus regionalen Produkten.

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Uns ist erst einmal nach Frühstück. Von den vielen einladenden Cafés rund um den Vitalmarkt entscheiden wir uns für das „Samocca“. Hier gibt es Kaffees aus eigener Röstung, ein kleines Frühstück, das auch Große satt macht und eine entspannte Atmosphäre. Das Samocca ist ein inklusives Projekt. Einige der Angestellten haben eine Behinderung. Man merkt nicht immer, wer.

Der eigentliche Star der Altstadt ist ihre vielfältige Architektur

Der eigentliche Star der Uelzener Altstadt ist ihre Architektur. Dabei war diese mehrmals größtenteils verschwunden. Zwei Stadtbrände im 17. Und 19. Jahrhundert und die fatale Entscheidung der damaligen Stadtväter, am Ende des zweiten Weltkriegs mit der britischen Armee um Uelzen kämpfen zu wollen, richteten schwere Schäden in der Stadt an. Allerdings wurde viel wieder aufgebaut. Stadtarchitekt Konstanty Gutschow, der nach dem Krieg den Auftrag zur Sanierung Uelzens erhielt, bestand darauf, die alten Straßenverläufe zu erhalten, so dass die Stadtoberen, die gut 40 Jahre später den nächsten Sanierungsschub starteten, tatsächlich noch viel Altes fanden, an das sie anknüpfen konnten.

Das Herausputzen von Uelzen ist ein kontinuierlicher Prozess, der an vielen Ecken schon schöne Ergebnisse zeigt, aber auch einige Straßenzüge hat, in denen er erst noch beginnen muss. Während etwa kleine Verbindungsgassen, wie die Hannemannsche Twiete zu echten innerstädtischen Kleinodien entwickelt wurden, zeigt so manche Straße, die vom schönen Schnellenmarkt weggeht, noch nur die schnöden Rückseiten von Häusern, die auf der anderen Seite prächtige Fassaden haben.

Schnellen waren Tonkrüge – im Mittelalter ein echter Alltagsgegenstand

Der Schnellenmarkt heißt nach Tonkrügen, die früher hier gehandelt und rund um den Markt getöpfert wurden. Schnellen waren mittelgroße Transportgefäße und im Mittelalter Alltagsgegenstände, die häufig nachgekauft werden mussten. Ein Springbrunnen auf dem Platz weist auf die Uelzener Schnellentradition hin. Sehr wahrscheinlich ist es übrigens, dass die Uelzener in ihren Schnellen mehr Bier als Wasser holten. Die Uelzener Braukunst war im Mittelalter berühmt.

Ein Mix aus mittelalterlichen Fachwerkhäusern, wie beispielsweise dem tiefroten Tuchmacherhaus, alten Kirchen und Kapellen sowie gründerzeitlichen Häusern prägen das Stadtbild von Uelzen. Die Skyline bestimmt aber etwas anderes: Die Zuckerfabrik nördlich der Innenstadt. Ab September, wenn die Rübenkampagne beginnt, bestimmt sie auch das Leben in der Stadt: Tag und Nacht kommen Lastwagen und Treckerzüge mit den Zuckerrüben vorgefahren, damit hier in einem nicht einmal eintägigen Prozess aus hässlichen Knollen feinste Zuckerkörnchen hergestellt werden. Wer sich seinen Uelzen-Ausflug auf Wiedervorlage für den nächsten Herbst legt, kann dann – so hofft man in der Fabrik – auch wieder beim Zuckerkochen zugucken. Zuckerfabrikführungen gehörten vor Corona zu den touristischen Attraktionen von Uelzen. Vor allem für Kinder, denn natürlich fällt dabei auch eine Kostprobe an.

Die Zuckerfabrik beherrscht die Skyline von Uelzen
Die Zuckerfabrik beherrscht die Skyline von Uelzen © xl | Lars Hansen

Abkühlung gibt es ringsum – im Oldenstädter See oder an der Ilmenau

Zurück in der Stadt ist eine kleine Stärkung angesagt. Wir nehmen sie im Café im Stadtgarten, weil wir gerade daran vorbeikommen. Die Auswahl ist von deftig bis süß, mit Schwerpunkt auf letzterem – und einer großen Eis-Karte.

Dann fahren wir in die Umgebung. Abkühlung suchen die Uelzener gerne im Oldenstädter See, oder, wenn sie nicht schwimmen wollen, an den Ufern der Ilmenau und des Elbe-Seitenkanals. Beim Schiffe-Gucken einen Happen essen kann man gut am Uelzener Yachtclub.

Ein geschlossenes Museum als absoluter Geheimtipp

Ein absoluter Geheimtipp ist derzeit ein geschlossenes Museum – so widersinnig das auch scheint. Das Barockschloss in Holdenstedt, gut neun Kilometer südlich von Uelzen gelegen, wurde den Besitzern in den 1970er Jahren abgekauft und sollte eine Waldorfschule werden. Daraus wurde nichts. Die Stadt Uelzen erwarb das Haus dann für kulturelle Zwecke. Eine heimatkundliche Ausstellung sowie Lesungen und Aufführungen zogen auch lange Besucher an. Allerdings nicht genug, um die dringend notwendigen Erhaltungs- und Erneuerungsarbeiten zu finanzieren. Derzeit arbeitet Uelzen an einem Konzept den Kulturbetrieb mit seniorengerechtem Wohnen zu kombinieren. Solange daran noch gedacht wird, ist das Schloss geschlossen, das Gelände jedoch begehbar. Da es jetzt im Sommer überall wuchert, entsteht eine wahrhaft verwunschene Atmosphäre rund um das schlafende Ensemble – ein romantischer Abschluss für einen Tag in einem Schnuckelstädtchen.