Im Landkreis Harburg verzeichnen die Standesämter hohe Nachfrage. Hamburger weichen wegen Beschränkungen ins Umland aus.
Die Liebe ist stärker als die Seuche. Dass Corona nun schon im zweiten Jahr unser aller Leben auf den Kopf stellt, hält Paare in Stadt und Land nicht davon ab, sich zu trauen. Gerade jetzt im Sommer, bei moderaten Inzidenzraten, sind Standesbeamte im Dauereinsatz. Und auch in Kirchen wird wieder geheiratet.
„Unsere Kapazitäten sind gut genutzt, wir haben dieses Jahr schon fast wieder so viele Hochzeiten wie im Vergleichszeitraum 2019“, erklärt Ute Röhrs, eine von fünf Standesbeamtinnen in Buxtehude. In der Estestadt kann mittwochs und freitags im historischen Rathaus der Bund für die Ehe geschlossen werden und einmal im Monat sonnabends in der historischen Wassermühle Ovelgönne. „Unser nächster freier Termin für eine Trauung läge Ende Oktober, aber auch für den Dezember gibt es bereits Voranmeldungen“, berichtet Christian Päsler, der gemeinsam mit zurzeit zwei Kolleginnen im Standesamt Buchholz und den Außenstellen tätig ist. „Diejenigen, die heiraten wollen, die tun es auch. Corona spielt bei der Entscheidung nur eine geringe Rolle.“
Weniger Eheschließungen gibt es auch in Hamburger Standesämtern nicht
Dass die Pandemie überraschend wenig Einfluss auf die Entscheidung Heiratswilliger hat, beweisen Zahlen aus Lüneburg. Wurden im Jahr vor Ausbruch der Seuche insgesamt 962 Trauungen durchgeführt, waren es 2020 immerhin noch 840 und in diesem Jahr waren es bis zum Monatsende Juli 406. Knapp 200 weitere Trauungen sind bereits jetzt für die zweite Jahreshälfte angemeldet.
Ähnlich ist es auch in Hamburg. „Ein Rückgang an Eheschließungen in den Hamburger Standesämtern kann derzeit, aufgrund der aktuellen Datenlage, nicht erkannt werden“ sagt Dennis Imhäuser, Sprecher des Bezirksamts Harburg. Dass die Standesämter im Umland allesamt gut gebucht sind, liegt laut Christian Päsler auch daran, dass viele Hamburger, die in der Hansestadt keinen Standesamts-Termin bekommen, an den Rand der Metropolregion ausweichen. „Wir sind auch ein Auffangbecken für Hamburg“, sagt der Buchholzer Beamte.
Bis April durften nur Brautpaar und Standesbeamte ins Trauzimmer
Das war auch von Herbst 2020 bis April dieses Jahres zu spüren, als aufgrund der Corona-Verordnung allein das Brautpaar und der Standesbeamte im Trauzimmer anwesend sein durften. Durch diese Einschränkung verzeichnete auch die Nordheidestadt einige Hochzeits-Absagen von Ansässigen. „Die frei gewordenen Termine konnten wir mit Anfragen von Hamburgern wieder füllen“, sagt Päsler. Es habe aber auch etliche Paare gegeben, die es genossen hätten, sich in aller Stille das Ja-Wort zu geben. Dass die Umstände sie von der gesellschaftlichen Erwartung entbanden, eine große Feier zu veranstalten, hätten viele ältere, aber auch einige junge Brautleute als Erleichterung empfunden.
Wer damals in der Außenstelle Dibberser Mühle heiratete, konnte einige Angehörige und Freunde zumindest optisch an der Zeremonie teilhaben lassen. „Die standen vor den Fenstern und schauten von außen herein.“ Wie viele Gäste heute bei der Trauung dabei sein dürfen, hängt von der Größe der Räumlichkeiten und der aktuellen Inzidenz ab.
Trauungen in Lüneburg auch im Wasserturm und Kloster Lüne
In Lüneburg dürfen bei einer Inzidenz unter zehn im Wasserturm und im Kloster Lüne insgesamt 25 Personen im Trausaal anwesend sein, inklusive Brautpaar und Standesbeamte. Im Heine Haus sind maximal 17 Personen erlaubt. Im Buxtehuder Rathaus lässt man momentan bis zu zehn Personen zu. Ein Spuckschutz trennt die Liebenden vom Staatsdiener, es herrscht Maskenpflicht für alle. „Für den Hochzeitskuss machen wir natürlich eine Ausnahme“, sagt Standesbeamtin Röhrs.
Kirchliche Trauungen haben lange Zeit – wie Gottesdienste überhaupt – gar nicht stattgefunden. „In der Hittfelder Kirche gab es im vergangenen Jahr eine einzige Hochzeit vor dem Lockdown im März. Alle anderen wurden auf 2021 verschoben. Und davon die meisten dann wiederum auf 2022“, berichtet Gemeindesekretärin Gaby Possin. Die erste Trauung dieses Jahres fand Anfang Juli statt. „Die war sehr kurzfristig geplant worden, wohl innerhalb von acht Wochen“, erzählt Pastorin Anja Lipponer.
Glocke der Hittfelder Mauritiuskirche läutet für Brautleute und 85 Gäste
Anna-Lena und Jonas Mädel dagegen haben ihre Hochzeit der Pandemie zum Trotz von langer Hand vorbereitet. Für die jungen Emmelndorfer war klar: Am Datum ihres Kennenlernens möchten sie sich vor dem Standesbeamten das Ja-Wort geben, am Wochenende darauf den kirchlichen Segen empfangen. Und sie hatten Glück: Alles klappte perfekt. Am 24. Juli läutete für die Brautleute und 85 Gäste die Glocke der Hittfelder Mauritiuskirche.
Einzig die Tatsache, dass Pastorin Lipponer für die Segnung eine Maske aufsetzte, erinnerte noch an das Virus. Die Hochzeitsgesellschaft sang mit Inbrunst aus vollen Kehlen, denn alle waren geimpft oder negativ getestet. In Anja Lipponers Kalender stehen schon drei weitere Trauungen. Die Liebe ist stärker als die Seuche.
Info: Wendepunkt auf dem Weg in den säkularisierten Staat
Jahrhundertelang wurde nur in den Kirchen über das Leben der Menschen Buch geführt. Geburt, Tod und Heirat wurde von Pfarrern und Pastoren in den Kirchenbüchern registriert. Erst 1874 trat in Deutschland das so genannte Personenstandsgesetz nach napoleonischem Vorbild in Kraft. Seither gibt es standesamtliche Trauungen, die es den Bürgern ermöglichen, sich unabhängig von Glaube und Konfession auch vor dem Staat das Ja-Wort zu geben. Das Gesetz markiert einen entscheidenden Wendepunkt auf dem Weg in den säkularisierten Staat.