Mienenbüttel. Fall für die Polizei: Warum „Lobby pro Tier“ empört ist, dass im neuen Zentrum auf Gelände des LPT-Labors zwei Schafböcke leben.

Vermummte Gestalten, die im Dunkeln um die eingezäunte Anlage schleichen, Suchscheinwerfer, mit denen das Tun aufgedeckt werden soll und ein Spitzel und Verräter in einer geschlossenen Facebook-Gruppe, der Internes nach außen kehrt. Zutaten für einen spannenden Krimi? Nein, das passiert wirklich.

Die Handlung spielt am Ortsrand von Mienenbüttel, im und um das Gelände des inzwischen geschlossenen LPT-Labors, das die gemeinnützige GmbH Tierzentrum Neu Wulmstorf derzeit zu einem Tierheim umbaut. Hier streiten sich Tierschützer mit Tierschützern. Es hagelt Drohungen, Strafanzeigen und Anschuldigungen. Vorläufiger Höhepunkt: die Auseinandersetzung um Yin und Yang. Das sind die Namen von zwei Lämmern, Böcken – um genau zu sein.

Tiere leben auf Areal des ehemaligen Tierversuchslabor

Sie leben auf dem Areal des ehemaligen Tierversuchslabor. Genau hier beginnt das Problem. Während sich die einen darüber freuen, darauf verweisen, dass die Tiere vor der Schlachtung gerettet werden konnten und nun ein Zuhause gefunden haben, wo einst Hunde für Versuchszwecke dienten, sind die anderen entsetzt über die Aktion. Zu den letzteren gehört Sabine Brauer.

Sie ist Mitbegründerin und Sprecherin der Gruppe „Lobby pro Tier Mienenbüttel“, die gegen das Tierversuchslabor gekämpft hatte. Damals Seite an Seite mit den Tierschützern, mit denen man sich jetzt so sehr streitet. „Lobby pro Tier“ war es auch, die den Fall mit den Lämmern jetzt öffentlich machte. In einer Pressemitteilung geht es um die Haltung der Tiere. Denn aus Sicht der örtlichen Initiative verstoßen Eigentümer und Partner damit bewusst gegen das im Januar 2020 vom Landkreis Harburg ausgesprochene Tierhalteverbot auf dem Gelände. „Wir prangern an, dass durch die Hintertür Tiere angeschafft und trotz Verbots gehalten werden“, kritisiert Brauer.

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Aus ihrer Sicht sei das typisch: Es würden einfach Fakten geschaffen. So läge bislang keine Betriebsgenehmigung der Gemeinde für das geplante Tierzentrum vor, trotzdem würden bereits seit Monaten die ehemaligen Versuchsgebäude umgebaut. Warum sich eine Tierschützerin, die erfolgreich gegen das Versuchslabor protestiert hat, sich nun nicht über ein Tierzentrum freut? Brauer fürchtet, dass das Unternehmen LPT, das nun Provivo Biosciences heißt, und weiter Eigentümer des Grundstücks ist, das Zentrum für Imagezwecke benutzt. „Solange LPT im Spiel ist, wollen wir das Tierzentrum nicht.“

Das sieht man auf der anderen Seite ganz anders. „Die beiden Böcke wurden auf einer Milchfarm geboren. Ihre Mutter hat sie verstoßen. Man hätte sie getötet“, sagt Doris Firlus, die Chefin des künftigen Tierzentrums. So nahm sie Sebastian Marten, einer ihrer Mitarbeiter, auf und zog sie mit der Flasche auf. Die Ankunft der Tiere habe ein Spitzel aus einer geschlossenen Facebook Gruppe nach außen und damit zur „Lobby pro Tier“ getragen. Die setzte mit ihrer scharfen Kritik nach.

Tierzentrum in Mienenbüttel mit der künftigen Geschäftsführerin Doris Firlus
Tierzentrum in Mienenbüttel mit der künftigen Geschäftsführerin Doris Firlus © Rolf Zamponi | Rolf Zamponi

Folge: Firlus will nun Strafanzeige gegen Brauer stellen. Dazu wurde die Facebook-Gruppe von 92 auf zunächst noch 69 Mitglieder verkleinert. „Wir haben jetzt nur noch Mitglieder, die wir gut kennen“, fasst die Tierzentrum-Chefin zusammen.

Auch den Landkreis beschäftigt der Fall

Für Yin und Yang, die beiden Böcke, und alle künftig unterzubringende Tiere im neuen Zentrum kommt es nun darauf an, ob das neue Unternehmen Tiere halten darf. Der Landkreis hat jetzt zunächst klargestellt: Für das Gelände des ehemaligen Tierversuchslabors in Mienenbüttel gibt es keine Tierhaltungserlaubnis nach Paragraf 11 Tierschutzgesetz. „Der Fall der beiden Lämmer ist uns bekannt, wir sind einer möglichen Missachtung des Tierhaltungsverbotes nachgegangen. Nach Angaben der Nutzerin des Geländes handelt es sich um Tiere, die von einem Mitarbeiter zeitweilig auf das Gelände gebracht werden, nicht um sie dort dauerhaft zu halten“, sagt Kreis-Sprecher Andres Wulfes. Offensichtlich können die Böcke erst einmal bleiben. Firlus geht dabei davon aus, dass man sich mit dem Veterinäramt des Landkreises nach einer weiteren Prüfung über die Tierhaltung einigen wird. Dann könnten Yin und Yang bleiben und zu Maskottchen der Anlage werden.

Tierschützer gegen Tierschützer: Klar ist: Das Ringen um die Zukunft des Areals ist eskaliert. „Es ist eine Schlammschlacht“, sagt Brauer. Sie berichtet von Drohungen, Mobbing und Verleumdung. Ein anonymer Anrufer hätte ihr Gewalt am Telefon angedroht. Zwei Anzeigen hätte sie bereits gestellt. Drei Biker seien vor ihrem Haus erschienen, hätten ihr mit einer Unterlassungserklärung gedroht. Doch einschüttern lasse sie sich nicht.

Polizeiinspektion Harburg prüft Sachverhalt nun strafrechtlich

Der Streit in Mienenbüttel hat inzwischen Eingang in die Dokumentation der Polizeiinspektion Harburg in Buchholz gefunden. „Es werden Sachverhalte verfolgt und strafrechtlich geprüft“, sagt Polizeihauptkommissar Henning Flader. Es gehe um Verleumdungen und Beleidigungen von beiden Parteien.

Für Brauer wird der Fall erst erledigt sein, wenn das Unternehmen LPT keine Rolle mehr in der Gemeinde spielt. Aus ihrer Sicht seien Versuche an Tieren unerträglich. Zumindest darin sind sich die Tierschützer dann doch noch einig.

Die andere Gruppe der Tierschützer steht deshalb wieder protestierend vor den Türen des neues Sitzes der Firma unter neuem Namen in Hamburg-Neugraben. Sie halten dort Mahnwachen ab, genauso wie einst in Mienenbüttel.

Die Pläne:

  • Das Tierzentrum Neu Wulmstorf soll als gemeinnützige GmbH (gGmbH) agieren. In Mienenbüttel soll ein Resozialisationszentrum für benachteiligte Tiere entstehen. Neben Wild- und Fundtieren sollen gefährliche Hunde, Katzen und Exoten wie Schlangen oder Spinnen untergebracht werden können. Chefin vor Ort ist Doris Firlus.
  • Finanziert werden soll der Beginn der Arbeit zunächst aus den Mitteln von fünf Investoren, zu denen neben Firlus auch ihr Partner Fikret Saglamsoy gehört. Das Gelände des ehemaligen Tierlabors LPT, für das sie eine Miete an die Provio Biosciences entrichten, ist 3,5 Hektar groß. Dort stehen fünf Gebäude. Jedes von ihnen bietet 700 bis 800 Quadratmeter Platz. In Provio Biosciences hat sich das ehemalige LPT umbenannt.
  • Parallel zur gGmbH soll eine GmbH gegründet werden. Sie soll zum wirtschaftlichen Bein des Tierzentrums werden. Mit der Gesellschaft können dann Aktivitäten wie die Klinik, ein Hundehotel, eine Hundeschule, eine Tierheilpraxis oder ein Gebrauchsartikelhandel aufgebaut werden. Gebäude ließen sich auf dem Gelände untervermieten. Immerhin rechnet die künftige Geschäftsführerin bei 20 bis 30 Mitarbeitern im Zentrum mit monatlichen Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich.