Buchholz. Zusätzlich zum Streaming hat das Publikum die Chance, sich mit den Musikern und anderen Zuschauern direkt auszutauschen.
Als Sandy Edwards ihr erstes digitales Konzert plante, war der Sängerin eines schnell klar: Sie will nicht nur in eine Kamera singen und niemanden sehen außer den Technikern. „Ich möchte Interaktion. Nichts Eindimensionales.“ Um das auch in Zeiten coronabedingter Einschränkungen möglich zu machen, hat die Musikerin gemeinsam mit ihrem Partner und einer Buchholzer Firma für Veranstaltungstechnik ein neues Konzertformat entwickelt: Neben dem digital übertragenen Livekonzert können sich die Zuschauer per Videokonferenz zuschalten. Und die Band hat auf einmal wieder ein Publikum.
Seit mehr als 20 Jahren machen Sandy Edwards und Matthias Lutz gemeinsam Musik, der Name der Lüneburger Band ist weit über die Region bekannt: „Nite Club“. Vor Beginn der Corona-Pandemie spielten sie häufig bei Firmenveranstaltungen, waren auch schon auf einem Kreuzfahrtschiff gebucht. Dazu zahlreiche öffentliche Livekonzerte – all das fällt seit mehr als einem Jahr aus. „Wir haben daher eine Alternative gesucht und gefunden“, erzählt Sandy Edwards. In Kontakt mit der Veranstaltungsfirma Groh-P.A. aus Buchholz ist die Band ohnehin seit vielen Jahren – Inhaber Jan Grohmann-Falke hatte bereits die Schulkonzerte am Gymnasium Meckelfeld beschallt, als Sandy dort als Schülerin sang.
Die Videokonferenz schafft die Möglichkeit von Livekonzerten ganz neuer Art
Der ursprünglich in Maschen ansässige Betrieb hat im Gewerbegebiet in Vaensen eine 500 Quadratmeter große Halle gebaut, die Künstler wie Johannes Oerding als Proberaum für Hallentourneen nutzen – bis vor einem Jahr. Diese Halle ist zu einem Übertragungsort für Livekonzerte der neuen Art geworden.
„Ausprobiert haben wir die Idee mit geschlossenen Firmenveranstaltungen“, sagt Matthias Lutz, Gründer und musikalischer Leiter der Band. So haben Unternehmen die im vorigen Jahr ausgefallenen Weihnachtsfeiern zum Beispiel durch ein exklusives Streaming-Konzert ersetzt. Nach der Rede des Vorstands kam die Band dran. „Da waren Mitarbeiter in Asien und der halben Welt dabei“, erzählt Lutz. „Es funktionierte super. Das gab uns den Mut, am 30. Dezember vorigen Jahres das erste öffentliche Konzert zu streamen und mit einer Videokonferenz zu koppeln.“
Zuschauer müssen ein Ticket kaufen – rund 300 bis 500 sind jedes Mal dabei
Das Ganze kostenlos zu tun wie viele andere Bands es derzeit halten, kam für „Nite Club“ allerdings nie in Frage. „Wir denken, dass Arbeit einen Wert hat“, sagt Edwards. „Daher haben wir von Anfang an Tickets verkauft.“ Nach dem Ticketkauf erhalten die Zuschauer nicht nur einen Link zu der Konzertübertragung per Streaming, sondern auch eine Einladung zu einer Videokonferenz über das Programm „Zoom“. Viele bauen daher zu Hause zwei Bildschirme auf: einen für das Konzert und einen für die Schalte zu den anderen Leuten. Etwa ein Drittel der regelmäßig 300 bis 500 Zuschauer nutze die Gelegenheit, andere Besucher zu sehen – nicht alle schalten ihre Kameras ein, aber viele.
„Für uns ist das großartig“, sagt Sandy Edwards. „Die Leute haben Discokugeln in ihren Küchen und tanzen schick angezogen in ihrem Wohnzimmer.“ Über zwei große Fernsehbildschirme kann die Band ihre Zuschauer sehen. „Zuerst war uns nicht ganz klar, ob die Menschen zu Hause verstehen, dass wir sie sehen. Mittlerweile gibt es echte Interaktion. Das macht Riesenspaß, ist ein echtes Highlight. Wir haben Lampenfieber, Anspannung und Vorfreude. Es tut unheimlich gut.“
Nach dem Konzert steht die Band noch für Fragen des Publikums zur Verfügung
Nach dem Konzert wechseln Sandy Edwards und Matthias Lutz von der Bühne in die Videokonferenz und beantworten die Fragen ihres Publikums. „Auch dieser Austausch ist uns total wichtig“, sagt Matthias Lutz. Es gebe sogar Leute, die sich über die Videokonferenz kennen gelernt haben und sich später in Lüneburgs Innenstadt begegnet sind – per Zufall.
Doch hinter dem Erlebnis für einige hundert Menschen steckt ein immenser Aufwand. Nicht nur die achtköpfige Band studiert für jeden Auftritt ein neues Programm ein. Eine Stunde vor Konzertbeginn wärmt Discjockey „Tybreak“ das Publikum auf, neun Kameras wollen bedient werden, die Lichtanlage eingestellt, der Ton geregelt, die digitale Übertragung betreut. Neun Techniker plus Aufbauteam sind pro Auftritt im Einsatz. Allein über den Ticketverkauf ist so ein Abend nach Angaben von Edwards und Lutz daher nicht rentabel. „Ohne unsere Sponsoren würde wir Verlust machen“, sagt Edwards.
Auch Bands wie Truck Stop, LaLeLu und Versengold nutzen das Buchholzer Format
Nicht nur für die Band sind die Konzerte der neuen Art der Weg, die auftrittslose Zeit wirtschaftlich zu überstehen. Auch die Firma Groh-P.A. mit ihren etwas mehr als 30 Mitarbeitern inklusive sieben Auszubildenden kommt mit der Neuausrichtung durch die Corona-Krise. „Wir haben ein Fernsehstudio in die Halle gebaut“, sagt Inhaber Jan Grohmann-Falke. „Wir haben uns und unsere Mitarbeiter im Bereich Video geschult und weitere Technik angeschafft.“ 50 Prozent der Investition hat Groh-P.A. über das Förderprogramm Digitalbonus.Niedersachsen der NBank als Zuschuss erhalten.
Bereits im Mai vergangenen Jahres gab es die ersten Streamings. Neben „Nite Club“ nutzen auch andere Bands das Buchholzer Format, darunter „Truck Stop“, „LaLeLu“ und „Versengold“. Konzerne nutzen Halle und Technik für Vorstandsversammlungen und Konferenzen, die Ausbildungsmesse Buxtehude wurde von hier aus per „Zoom“ veranstaltet, und der Rotary Club Seevetal sammelte hier digital Spenden für die Kinderkrebshilfe Seevetal. „Unsere Zukunftsvision: Streaming bleibt, und zwar hybrid“, sagt Grohmann-Falke. „Mit Menschen vor Ort und Menschen, die digital zugeschaltet sind.“
Das nächste Konzert namens „Together Again“ der Band Nite Club findet statt am Mittwoch, 12. Mai. Beginn ist um 20 Uhr. Ein Einzelticket kostet 16,50 Euro, für eine Familie 33 Euro. Als Gast dabei ist an diesem Abend Ron Jackson. Karten gibt es unter anderem hier: www.lztickets.de, www.adticket.de.