Radbruch/Bardowick. Bachbegleitende Waldflächen im Forstamt Sellhorn bieten dem größten Nagetier Europas wieder ein Zuhause.
Man bekommt den Biber, das größte Nagetier Europas, nur selten zu Gesicht. Er ist dämmerungs- und nachtaktiv. In der zu den Niedersächsischen Landesforsten gehörenden Revierförsterei Busschewald deuteten aber bereits 2019 eindeutige „Spuren“ auf das Vorkommen des reinen Pflanzenfressers hin. Er erschließt sich gerade neue Gebiete im Forstort Hohes Holz.
Ursprünglich war der Europäische Biber in weiten Teilen Europas bis nach Asien hinein heimisch. Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führten Lebensraumzerstörung und direkte Verfolgung zur großflächigen Ausrottung des Bibers in ganz Eurasien, er galt als fast ausgestorben. Kleine Restvorkommen hatten in nur vier isolierten Gebieten überlebt, unter anderem im Bereich der Mittleren Elbe.
Durch Schutzmaßnahmen, gezielte Wiederansiedlungsprojekte und natürliche Ausbreitung erobert sich der Biber heute sein ursprüngliches Areal wieder zurück. Burkhard von List, Leiter der Revierförsterei Busschewald, freut sich: „Ich habe 1986 meine Diplomarbeit über die Ermittlung und Bewertung von Habitaten für ein Vorhaben zur Wiederansiedlung des Elbebibers geschrieben. Umso mehr freue ich mich, dass sich der Biber seit einigen Jahren hier in dem von mir betreuten Revier wieder ansiedelt und heimisch fühlt. Die Bedingungen für die Wiederansiedlung sind hier optimal.
Er findet einen Lebensraum mit fließenden und stehenden Gewässern und in den Uferbereichen viele vom ihm bevorzugte Weichlaubhölzer. Der Biber hat sich von der Elbe kommend das Hohe Holz über den Haus- und Trompeterbach erschlossen.“ Die Spurenlage weise heute möglicherweise sogar auf das Vorkommen mehrerer Biberfamilien hin, das sei allerdings noch nicht eindeutig geklärt.
Biber bringt in einer Art Sanduhrtechnik Bäume zu Fall
Um an Nahrung zu gelangen und Dämme und Burgen zu bauen, bringt der Biber in einer Art Sanduhrtechnik Bäume zu Fall. Die an- und abgenagten Bäume und die sehr groben Holzspäne fallen im Biberrevier besonders auf. Der aufmerksame Beobachter kann außerdem abgenagte Triebe und Äste mit groben Zahnspuren und die Biberdämme entdecken. Als Vegetarier fressen Biber am liebsten die schmackhaften jungen Zweige und Knospen von hoch oben aus den Baumkronen sowie im Winter auch die Rinde stärkerer Baumstämme. Sie bevorzugen Weichhölzer wie Weiden und Pappeln, nehmen aber auch Harthölzer wie die Eiche.
Die Biberdämme verändern das Landschaftsbild im Hohen Holz. Immer wenn der Wasserstand nicht ausreicht oder zu stark schwankt, baut er Dämme – oft mehrere hintereinander – um das abfließende Wasser zurückzuhalten. Damit erhöht und reguliert er den Wasserpegel. So vergrößert sich die Wasserfläche in diesem Revierteil deutlich. Mit diesen „Biberteichen“ schafft er zusätzlichen, wichtigen Lebensraum für viele Pflanzen, Fische, Amphibien, Insekten und Vögel. Außerdem gelingt es ihm dadurch, dass der Eingang seiner Burg zum Schutz vor Feinden immer unter Wasser liegt.
„Das 252 Hektar große Naturschutzgebiet „Hohes Holz“ ist besonders geprägt durch grundwasserbeeinflusste Niedermoorböden mit seinen charakteristischen Pflanzen- und Tierarten. Um den Schutz des sensiblen Gebietes zu gewährleisten, gilt hier ein Wegegebot. Die deutlichen Spuren des Bibers können die Waldbesucher bequem von den Wanderwegen aus entdecken. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass Biberbauten natürlich nicht zerstört werden dürfen“, erklärt Burkhard von List.
Körperbau ist dem Leben im und am Wasser angepasst
Hintergrund: Der 17 bis 30 Kilogramm schwere und bis zu 1,35 Meter lange Biber kann etwa 15 Jahre alt werden. Der Biber ist ein semiaquatisches Säugetier, das heißt, dass sein Lebensraum sowohl im Wasser als auch an Land liegt. Er ist auf fließende und stehende Gewässer sowie deren Uferbereiche mit passender Vegetation angewiesen. Der Biber bewegt sich an Land wegen seines plumpen Körperbaus nur langsam, er erschließt sich lediglich einen bis zu 50 Meter breiten Uferbereich.
Sein Körperbau ist dem Leben im und am Wasser ausgezeichnet angepasst. Das Fell des Bibers ist eines der dichtesten im Tierreich. Es besteht aus zwei Haartypen: den oberen langen Grannenhaaren und der dichten Unterwolle. Dazwischen bildet sich eine isolierende Luftschicht, die als Wärmeschutz und Auftrieb beim Schwimmen dient. Ein Biber besitzt bis zu 23.000 Haare pro Quadratzentimeter.
Er pflegt sein Fell mit einer extra ausgebildeten Putzkralle und fettet es regelmäßig mit einem öligen Analsekret ein um es wasserabweisend zu machen. Weiter ist er mit seinem spindelförmigen Körper, einem breiten, abgeplatteten, mit lederartiger Haut bedeckten und unbehaarten Schwanz, Kelle genannt, und den Schwimmhäuten zwischen den Zehen optimal an das Leben im Wasser angepasst. Der Biber kann bis zu 20 Minuten lang tauchen, dabei verschließt er Nase und Ohren.
Die Gründe für die fast vollständige Ausrottung des Bibers waren vielfältig. Zum einen war es sein begehrter dichter Pelz, zum anderen das als Wundermittel gegen allerlei Krankheiten geltende Bibergeil. Das Bibergeil ist ein Sekret, welches im Körper des Bibers gebildet wird. Nicht zuletzt wurde der Biber verfolgt, weil sein Fleisch als Fastenspeise galt. In der Fastenzeit durfte damals kein Fleisch aber Fisch verzehrt werden. Daher hat man den Biber kurzerhand wegen seines fischschuppenartigen, kellenförmigen Schwanzes zu den Fischen gezählt.