Neu Wulmstorf. Wie der Erfinder der „Sylter Salatfrische“ mit seinem Neu Wulmstorfer „Landhof“ ein Landwirtschafts-Konzept für die eigene Produktion schuf.
Mit leisem Surren schiebt sich der Melk-Roboter unter die Kuh, rotes Laserlicht glimmt auf, um die genaue Position zu messen. Es surrt wieder, der Roboter schiebt sich vor, zurück, seitwärts – verharrt schließlich direkt unter dem Euter, wo Sekunden später zwei kleine Bürsten an dem Gerät hochfahren und kurz die Zitzen putzen – was entfernt fast an eine Autowaschanlage im Miniformat erinnert. Dann ploppen die automatischen Saugköpfe am Euter fest, der Melkvorgang beginnt – während die Kuh weiter völlig entspannt an ihrem Kraftfutter hier im Melk-Raum des Neu Wulmstorfer „Landhofs“ kaut.
„Wir verknüpfen moderne Technik mit traditioneller Haltung“, sagt Betriebsleiter Torben Meyer, der gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Lea Hauschild dem erstaunten Besucher diesen eher technisch anmutenden Betriebsteil zeigt. Die 23-jährige Lea Hauschild studiert Ökologische Landwirtschaft und ist Tochter von Thomas Hausschild, der mit dem „Landhof“ seine Idee einer „anderen Landwirtschaft“ jetzt umgesetzt hat.
2015 begannen die ersten Umsetzungen, im letzten Frühjahr wurde der große Kuhstall fertig gebaut, dann folgten Schuppen und Scheune – jetzt arbeitet der Hof im ersten Jahr im Vollmodus. Seit den 90er Jahren führt Hauschild schon das Neu Wulmstorfer Restaurant „Zum Dorfkrug“, das er von seinen Eltern übernommen hatte. Bundesweit bekannt wurde Hauschild mit dem Dressing „Sylter Salatfrische“, das er zunächst nur für sein Restaurant entwickelt hatte.
Als eigene Marke trat die Salatfrische aber bald schon einen Siegeszug in den Supermarktregalen des gesamten Landes an. Inzwischen produziert sein Unternehmen in einer eigenen Fabrikation in Neu Wulmstorf unter dem Markennamen „Zum Dorfkrug“ auch viele andere Saucen, Puddings, Milchreisprodukte oder Rote Grütze. Und überall, wo Milch zur Herstellung benötigt wird, kommt sie nun eben vom eigenen „Landhof“. Ebenso wie das Fleisch für das Restaurant. Grundfutter wie Gras und Mais oder auch das Stroh für den Stall stammen von eigenen Pachtflächen rundherum.
Beste Zutaten für ein gutes Endprodukt
140 Hektar insgesamt werden vom Neu Wulmstorfer „Landhof“ mittlerweile bewirtschaftet. Ein in sich geschlossenes System, um „beste Zutaten für ein gutes Endprodukt“ zu bekommen, wie es in einer Beschreibung des Hof-Prinzips heißt. „Wir machen alles etwas anders als andere“, sagt dazu Betriebsleiter Meyer, der selbst auf einem Hof im Landkreis Harburg aufgewachsen ist. Tatsächlich ist der erste Eindruck beim Landhof schon anders als bei vielen anderen Betrieben.
Der Hof mit seinen neuen Gebäuden liegt mitten in einer sanft hügeligen Weidelandschaft, nicht in der Enge eines Dorfes. Man sieht auf weite Wiesen, schwarzgefleckte Schweine wuseln in einer Ecke: Bunte Bentheimer, eine alte Rasse, robust und genügsam, die hier wie früher draußen leben können und nicht in engen Ställen. Weiter entfernt grasen Rinder mit mächtigen Hörnern: Texas-Longhorns, die als besonders wetterbeständig gelten und ein geschmackvolles Fleisch mit geringem Cholesteringehalt und vielen ungesättigten Fettsäuren liefern.
Das Herzstück der Anlage jedoch ist der gut 100 Meter lange Kuhstall. Was zuerst auffällt, sind die mächtigen Holzbinder des Daches und die offenen Seiten. In einer langen Reihe kauen Kühe hier ihr Futter. Bei manchen dreht sich eine große, automatische Bürste über den Rücken. „Unser Wellnessbereich“, grient Meyer.
Milchkühe lagern auf einem riesigen Strohlager
In der Mitte ruhen einige der Milchkühe auf einem riesigen Strohlager. Holsteiner Schwarzbunte, die typische Kuh des Nordens, hält der Landhof hier. Dazu noch Angler Rotvieh, eine fast ausgestorbene Rinderrasse, die eine besonders gehaltvolle Milch mit hohem Fettanteil liefert – ideal für Puddings, wie Lea Hauschild erklärt. Die Kühe sind hier an mindestens 200 Tagen des Jahres draußen – wann, das entscheiden sie selbst. Die Milch vom Landhof gilt damit als Weidemilch. Und tatsächlich ist die gesamte Anmutung dieses Stalles eher eine Sache von draußen als von drinnen.
Ruhig ist es, man hört nur das sanfte Schnaufen und Schmatzen der Kühe – kein Hall von Geräuschen, die von engen Stallwänden reflektiert werden. „Das schafft für die Tiere eine entspannte, stressfreie Atmosphäre und wir haben daher bei ihnen mit weniger Krankheiten oder Verletzungen zu “, sagt Öko-Landwirtin Hauschild, um dann noch einmal den Melk-Roboter zu zeigen, der so etwas wie das Gegenstück zu dem klassischen Strohlager ist. Völlig selbständig gehen die Kühe auch dorthin, wenn sie den Druck eines vollen Euters spüren.
Über einen Chip am Halsband kann er einzelne Tiere erkennen, die Positionen der Saugköpfe gleich einstellen, Menge, Temperatur, Fettgehalt der Milch und auch Gesundheitswerte der Kuh selbst messen: Da die Tradition früherer Rinderhaltung, hier Hightech. Eine Kombination, von der längst nicht zu Beginn klar war, ob sie auch funktioniert. Betriebsleiter Meyer deutet als Beispiel auf einen Strohhalm, der am Euter der Kuh hängengeblieben ist. „Wie reagiert der Roboter darauf, funktioniert das System auch bei einem Strohlager? – das mussten wir erst herausfinden“, sagt Meyer.
Es funktionierte aber. Und so fließt wie jetzt die schwere, 38 Grad warme Milch durch die Schläuche zur Messtechnik und dann in den großen stählernen Kühl-Tank. Bereit, um im nahen Neu Wulmstorfer Gewerbegebiet daraus Pudding oder Milchreis zu machen.