Schneverdingen/Stelle.

Von außen wirkt der Bahnhof von Schneverdingen wenig modern: Das Hauptgebäude ist ein Fachwerkbau, die jüngsten Nebengebäude noch mit Wirtschaftswundergeld errichtet und die Haltesignale haben tatsächlich noch Klappflügel. Fast möchte man hier einen Western drehen, so verlassen wirkt der Bahnhof.

Innen jedoch, verkündet die Bahn, ist der Bahnhof Schneverdingen seit einer Woche mit einem der modernsten Fahrgastangebote ausgestattet, das solche Regionalbahnhöfe zu bieten haben. Ein Videoreisezentrum. Schneverdingen hat eines von erst sieben, die es in Niedersachsen gibt. In Schleswig-Holstein ist es gar erst eines.

Auf den ersten Blick sieht das Video-Reisezentrum aus, wie ein Fahrkartenautomat. Genau das soll es aber nicht sein. Sich selbst am Automaten durch die Vielfalt des Bahnangebots zu navigieren, überfordert und verunsichert manchmal sogar technik-affine Kunden. Am Video-Reisezentrum gibt es deshalb keinen Touchscreen, sondern nur ein einziges Bedienelement: Einen grünen Knopf.

Zentrale in Braunschweig

Drückt man den, leuchten die beiden Bildschirme auf. Auf dem linken sieht man alle Angebote und Auswahlmöglichkeiten, die einem auch der Automat bietet. Auf der rechten Seite erscheint der Reiseberater. Die Reiseberater sitzen in einer Zentrale in Braunschweig und bedienen von dort aus zwölf Video-Reisezentren in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen.

Julia Saur möchte von Schneverdingen nach Trier reisen. Und sie möchte das neue Reisezentrum ausprobieren. Also betritt sie den kleinen Schalterraum und drückt den grünen Knopf. Aus Braunschweig meldet sich Frau Pekrul: Gut gelaunt, lächelnd und in Bahn-Uniform, fragt sie, wie sie helfen kann. Nachdem Julia Saur ihr Ziel und das gewünschte Reisedatum genannt hat, wird der zweite Schirm lebendig. Was dort erscheint, sieht aus, wie das, was man von den Schirmen am Fahrkartenautomaten kennt, nur dass Julia Saur es nicht selbst bedient, sondern Frau Pekrul – und zwar mit traumwandlerischer Sicherheit und Geschwindigkeit.

Dreimal pro Stunde kann man ab Schneverdingen in Richtung Trier reisen, erklärt Frau Pekrul, aber die Reisedauern sind sehr unterschiedlich zwischen exakt sieben und knapp über achteinhalb Stunden. Eine frühe Verbindung über Hannover und Köln ist die schnellste. Später, aber mit längerer Fahrzeit, ginge auch Buchholz-Bremen-Koblenz-Trier, Soltau-Bremen-Koblenz-Trier oder Hannover-Fulda-Frankfurt-Koblenz-Trier. Letztere ICE-Odyssee mit vier Umstiegen ist noch nicht einmal die günstigste Variante, aber die längste.

Alle Vorschläge besser als die aus dem Internet

Doch auch diese schlägt immer noch die Vorschläge der berühmtesten Suchmaschine der Welt, welche die Fahrgäste über Hamburg schicken würde. Julia Saur entscheidet sich für eine der mittleren Varianten und bestellt auch gleich Reservierungen. An einem dritten Gerät kann sie zahlen und die Fahr- und Platzkarten in Empfang nehmen. Fertig. „Das interessanteste war, den Angebotsbildschirm zu beobachten, während Frau Pekrul ihn bediente“, sagt Julia Saur, „Das ging so viel schneller, als wenn ich das selbst gemacht hätte!“

Im ländlichen Raum ein Gewinn für alle Beteiligten

Mit den Video-Reisezentren versucht die Deutsche Bahn AG den Spagat zwischen wirtschaftlichem Fahrkartenverkauf und menschlicher Bedienung. Vier Reiseberater sitzen in Braunschweig und können die Bedienung in zwölf Bahnhöfen sicherstellen. So fällt es auch weniger ins Gewicht, wenn beispielsweise am Bahnhof Himmelpforten stundenlang Totentanz ist, weil an einem anderen Schalter in Norddeutschland bestimmt jemand gleich den grünen Schalter drückt und fern-bedient werden möchte. „Die Video-Reisezentren sind gerade im ländlichen Raum ein Gewinn für alle Beteiligten“, sagt Beate Steps, Leiterin Regionaler Vertrieb Nord/Ost bei der DB Vertrieb GmbH.

„Die Kundinnen und Kunden profitieren von längeren und durchgehenden Öffnungszeiten sowie kundigen Reiseberatern. So verbindet das Video-Reisezentrum die Vorteile der Digitalisierung mit den Annehmlichkeiten einer persönlichen Beratung. Und für die Mitarbeitenden werden in den Video-Zentralen zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen.“

Bis zum Herbst gab es in Schneverdingen noch eine DB-Agentur. Das ist, verkürzt gesagt, eine privat betriebene Fahrkartenverkaufsstelle. Nachdem die Agentur in Schneverdingen schloss, wurde nach einer anderen Lösung gesucht. Zuständig für diesen Bahnhof ist die Regionalbahngesellschaft erixx. „Es gibt dann verschiedene Möglichkeiten", sagt erixx-Sprecher Björn Pamperin. „Wenn es in dem betreffenden Ort in der Nähe des Bahnhofs ein Reisebüro mit Bahn-Lizenz gibt, verweisen wir darauf. Ansonsten ist ein Video-Reisezentrum unter Umständen eine gute Alternative. Hier war dies der Fall. Darum haben wir die DB gebeten, hier eines einzurichten.“

Die Bahn AG betont, dass sie auch gerne weitere Video-Reisezentren einrichtet, Bestellen müssen das aber die Regionalverkehrsgesellschaften. Entscheiden müssen es die Bundesländer. Wer also auch an seinem Bahnhof ein Video-Reisezentrum möchte, sollte sich an seine Landtagsabgeordneten wenden.

Das Video-Reisezentrum in Schneverdingen hat montags bis freitags von 7.30 bis 17.30 Uhr, sonnabends von 8 bis 13 Uhr geöffnet. Im Hamburger Umland gibt es weitere Videoreisezentren bislang in Bordesholm, Himmelpforten, Stelle und Bad Fallingbostel. Bundesweit betreibt die Deutsche Bahn seit dem Start vor rund acht Jahren mittlerweile über 100 Video-Verkaufsstellen. Besonders in Bayern und Nordrhein-Westfalen ist das Format weit verbreitet. Braunschweig ist eine von sieben Video-Zentralen.