Neu Wulmstorf. Gemeinderat beschließt unsicheren Finanzplan und diskutiert über die Ursache. War allein Corona schuld daran?

Normalerweise ist der finale Beschluss über einen kommunalen Haushaltsplan in einer Ratssitzung gern genommene Gelegenheit von Bürgermeistern, noch einmal ein rosiges Bild der Zukunft zu zeichnen. In Neu Wulmstorf war das jetzt anders. Seinen „letzten Haushalt“ habe er sich eigentlich nicht so vorgestellt, sagte Wolf Rosenzweig (SPD), der bei den anstehenden Bürgermeisterwahlen im Herbst aus Altersgründen nicht wieder antreten wird. „Eigentlich hätte ich meinem Nachfolger eine bessere Perspektive gewünscht“, so Rosenzweig. Doch da sei im Haushalt 2021 zwischen Ausgaben und Einnahmen jetzt schon Defizit von rund sechs Millionen Euro entstanden. Noch könne das zwar mit Rücklagen der Gemeindekasse aufgefangen werden, „doch das eigentliche Problem liegt in der Zukunft“, so der Bürgermeister.

Tatsächlich dürfte die weitere Finanzplanung der kommenden Jahre schwierig werden in Neu Wulmstorf, weitere Defizite sind programmiert und zusätzliche Kredite wohl notwendig, um das ehrgeizige Programm aus Schulbauten und anderen Infrastrukturmaßnahmen finanzieren zu können. Warum die Gemeinde in diese Lage geschlittert ist, das war dann auch Kern der Debatte, bevor der Rat schließlich mit breiter Mehrheit und nur einer Enthaltung dem aktuellen Haushaltsplan und der weiteren Finanzplanung bis 2024 zustimmte. Rund 40 Millionen Euro beträgt dabei die Summe der gesamten Aufwendungen in diesem Jahr.

Doch was ist die Ursache für die eher düstere Finanzlage in Neu Wulmstorf? Corona? Zu viele Wünsche der Ratspolitik? Darüber gingen die Meinungen auseinander, wenn auch doch leise Töne der Selbstkritik zu hören waren. Als einsamer Mahner in Sachen Finanzen gab sich CDU-Politiker Gerhard Peters. Wieder einmal. In den vergangenen Jahren hatte er immer wieder vor problematischen Haushaltslagen gewarnt. „Das war nicht Corona, das waren wir“, hielt er seinen Ratskollegen daher jetzt vor. Nicht fehlende Einnahmen, sondern hohe Ausgaben seien das Problem.

Wachsende Bevölkerungszahlen machen Ausbau der Infrastruktur notwendig

Auch die SPD-Finanzpolitikerin Anneliese Scheppelmann sprach von „bedrückenden Zahlen“. Aber sie frage sich auch, ob in Zeiten von Negativzinsen, die selbst Neu Wulmstorf zahlen müsse, es nicht „ökonomisch besser“ sei, jetzt kräftig zu investieren und Vermögenswerte zu schaffen? Zumal die wachsenden Bevölkerungszahlen in der Gemeinde einen Ausbau der Infrastruktur notwendig machten.

„Das ist doch eigentlich alternativlos“, so Scheppelmann, die während der Ratssitzung für ihre 20-jährige Mitgliedschaft in dem Gremium geehrt wurde. Die beiden Fraktionschefs von SPD und CDU, Tobias Handtke und Malte Kanebley, bewerteten die Finanzlage indes im Kern eher einmütig. Alle Fraktionen trügen die Verantwortung dafür, Investitionen seien notwendig und ein finanzieller Kahlschlag jetzt die falsche Reaktion – so in etwa die übereinstimmende Einschätzung der beiden Politiker.

Kanebley mahnte zudem die Entwicklung von weiteren Gewerbeflächen an, um die Einnahmesituation zu verbessern. Eine eher differenzierte Ursachenforschung nahm Bürgermeister Rosenzweig vor: Es gebe keine einfache Antworten, die Wahrheit sei komplex, sagte Rosenzweig und zählte dann doch ein ganzes Bündel von Einzelpunkten auf: Der größte Investitionsposten sei der Neubau der Grundschule am Moor samt neuer Multifunktionshalle, die beide zusammen in den nächsten Jahren rund 25 Millionen kosten werden.

Erhebliche Mindereinnahmen angesichts der Corona-Pandemie

Aber auch die zweite Grundschule im Ortskern müsse demnächst neu- oder umgebaut werden. Rosenzweig: „Und auch die dritte in Elstorf lauert schon.“ Sprich: Auch dort sind in den kommenden Jahren Millionenausgaben notwendig, die letztlich tatsächlich eine Folge der wachsenden Bevölkerungszahlen sind. Hinzu kommt, so Rosenzweig, „die Sanierung des Hallenbads, dringende Straßensanierungen und, und und.“

Auf der anderen Seite habe es Neu Wulmstorf aber auch mit Mindereinnahmen und unsicheren Prognosen angesichts der Corona-Pandemie zu tun. Auf rund vier Millionen schätzt der Neu Wulmstorfer Bürgermeister den Verlust gegenüber ursprünglich erwarteten Einnahmen. Rückgänge gebe es beispielsweise beim Anteil der Einkommenssteuer und auch bei der Gewerbesteuer. Nicht immer habe das mit Corona zu tun, in einem Fall habe die Gemeinde eine Million Euro Gewerbesteuervorauszahlung aus 2019 zurückzahlen müssen.

„Und von dem Betrieb werden wir auch nichts mehr zu erwarten haben“, so Rosenzweig. Wegen Corona habe es ansonsten bei den Gewerbesteuern zusätzlich eine Mindereinnahme von 1,5 Millionen Euro gegeben, weil Unternehmen weniger Umsatz gemacht hatten. Rosenzweig: „Wo das noch hinführen wird, wissen wir nicht – auch nicht, ob es die Betriebe bald noch gibt“.

Corona: Keine Veranstaltungen bis zum 30. Juni

In Neu Wulmstorf sollen bis 30. Juni noch keine Veranstaltungen stattfinden. Das kündigte jetzt Bürgermeister Wolf Rosenzweig in der jüngsten Ratssitzung mit. Grund sei weiter die Corona-Pandemie. Auch Schützenfeste und die beliebten Osterfeuer seien von den Beschränkungen zur Eindämmung des Virus noch betroffen. Grund für die so weit reichende Entscheidung sei die unsichere Lage, so der Bürgermeister. „Wir haben einfach keine Planungssicherheit“, sagte Rosenzweig. So kämen vom Land Niedersachsen sehr kurzfristig neue Regelungen.

Einen Corona-Ausbruch in der Gemeinde gebe es zur Zeit aber nicht. Zudem seien Schnelltest-Sets jetzt an die Kitas verteilt worden.