Winsen. Die Anlage im Eckermannpark wird komplett mit regenerativer Energie betrieben und erwirtschaftet sogar energetische Überschüsse

Die Luhestadt erhält ein Markenzeichen, das europaweit einmalig ist. Im geplanten Naturbad im Winsener Eckermannpark wird die notwendige Energie nicht nur ausschließlich mit Wind und Sonne erzeugt. Es wird auch ein komplett CO2-neutraler Bau. „Wir wollen nicht nur eine Anlage bauen, die während des Betriebs Strom CO2-neutral erzeugt, sondern über einen Zeitraum von 30 Jahren das während des Baus und Rückbaus entstehende CO2 durch Überschüsse aus regenerativer Energie kompensiert“, sagt Stefan Bruns. „Das erstmals in einem öffentlichen Bad zu realisieren, ist das Ziel.“

Planungsgruppe setzt das Projekt jetzt auch um

Bruns, einer der beiden Geschäftsführer der im Dezember 2020 fusionierten Polyplan-Kreikenbaum-Gruppe mit Hauptsitz in Bremen, arbeitet bereits seit 2019 auf die internationale Premiere hin. Denn das Unternehmen hatte damals schon die Machbarkeitsstudie für das Bad gewonnen. Es soll dem 2006 zur Niedersächsischen Landesgartenschau errichteten Park ein neues Gesicht geben. Lange hatten sich Verantwortliche über die geringe Nutzung, Vandalismus und häufigen Reparaturen im Park geärgert. Doch als Investoren ihre Fühler für einen Kauf der knapp sieben Hektar ausstreckten und über neue Wohnungen am Rand der Stadt nachgedacht wurde, drehte sich die Lage.

Ideenwettbewerb mit viel Bürgerbeteiligung

„Unsere Telefone standen nicht mehr still, so viele Anwohner meldeten sich. Sie wollten nicht von dem Park lassen“, erinnert sich Angelina Gastvogel, Landschaftsarchitektin bei der Stadtverwaltung. Es folgten eine Ideensammlung an einem verkaufsoffenen Sonntag, eine Auftaktveranstaltung, Sitzungen von Arbeitsgruppen, schließlich die öffentliche Präsentation und der Beschluss des Stadtrates.

Windkraftanlage und Fotovoltaik

Nun sind Bruns und sein Team dran, die nun zudem den Planungsauftrag erhalten haben. Der Maschinenbau-Ingenieur und Wasserbauspezialist zählt die Verbrauchsstellen im neuen Bad auf: Wasseraufbereitung, Elektrotankstellen, Beleuchtung, Heizung für das geplante Hauptgebäude nebst Duschwasser. Den Strom dafür werden eine 400 Quadratmeter große Fotovoltaikanlage und eine Kleinwindkraftanlage liefern. „Die stellen wir bewusst mitten in den Park“, sagt der Ingenieur. Der 20 Meter hohe Turm gilt für ihn nicht nur als Wahrzeichen, sondern vor allem als „Ausrufezeichen für regenerative Energie.“

Die beiden Anlagen sollen über ein Jahr hinweg mit 49.000 Kilowattstunden deutlich mehr Strom erzeugen als die knapp 35.000 Kilowattstunden, die als Bedarf berechnet sind. Mit diesem Überschuss kann innerhalb von 30 Jahren Betriebszeit die beim Bau und Abbau verbrauchte, konventionell erzeugte Energie kompensiert werden. Zudem bleibt noch genug übrig, um künftig die für den Parkplatz des Bades geplanten zwei Auto- und vier Fahrrad-Elektrotankstellen zu versorgen.

Reinigungsteiche statt Filtertechnik mit Chlor

Bei den erneuerbaren Energien will es Bruns aber nicht allein belassen. Statt der Standard-Filtertechnik und Chlor für das Wasser zieht der Polyplan-Kreikenbaum-Chef eine biologische Wasseraufbereitung vor. Das Wasser fließt mit leichtem Gefälle in Becken, unter denen in Bodenfiltern Bakterien gesundheitsgefährdende Keime und Nährstoffe für Algen eliminieren. „Das Schwimmbad mutet so an wie ein Badesee“, erklärt Bruns. „Von oben sehen die Biotope für die Reinigung mit ihren Wasserpflanzen aus wie klare Teiche“, sagt Gastvogel.

Die Architektin aus dem Geschäftsbereich Stadtplanung und Bauordnung im Rathaus hat sich von Anfang an in das Bad-Projekt hineingekniet und koordiniert nun den Ablauf. Den Zeitplan hat sie im Kopf: „2021 brauchen wir noch zum planen, 2022 für die Genehmigungen und die Ausschreibungen. Im Herbst des Jahres wollen wir die Aufträge vergeben. Baubeginn soll im Frühjahr 2023 und im Winter 2023/24 alles fertig sein.“ Denn die Stadtwerke brauchen drei Monate, um am 1. Mai 2024 eröffnen zu können. Als Betreiber auch des Freizeitbades „Die Insel“ in der Stadt ist Gastvogel sicher: „Die haben das Personal und das Know how für eine zweite Anlage.“

2024 soll eröffnet werden

Im November 2020 wurde im Rathaus eine weitere Hürde für das innovative Projekt genommen. Der Bund stellt mit großer Sicherheit drei Millionen Euro und damit die vorgesehene Höchstsumme über das Bundesprogramms Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel bereit. Vorgesehen ist das Geld grundsätzlich für Projekte in vom Klimawandel bedrohten Grünanlagen wie Parks und Gärten mit überdurchschnittlichem Investitionsvolumen oder mit hohem Innovationspotenzial. Eingebunden in den im Juli 2020 gestellten Antrag auf das Fördergeld war auch Michael Grosse-Brömer, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, der auch regionaler Abgeordneter ist. Er hatte sich mehrfach mit seinem Verdener Kollegen Andreas Mattfeldt, dem Berichterstatter im Haushaltsausschuss, getroffen und ihn von dem Vorzügen des Bads im Park überzeugt. Auch die regionale SPD-Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler half beim Coup für Winsen.

Angelina Gastvogel kann inzwischen mit einem Gastronomen aufwarten, der im runden Pavillon als Hauptgebäude ganzjährig, also auch außerhalb der Saison, ein Restaurant führen will. Namen nennt sie aufgrund der unsicheren Lage in Corona-Zeiten noch nicht. Klar ist aber, dass die 500 Quadratmeter Flächen zwischen der Gastronomie und dem Räumen für den Badebetrieb aufgeteilt werden sollen. Damit würde Winsen nicht nur ein neues Freibad, sondern auch ein neues Restaurant bekommen.

Um die 1000 Badegäste am Tag werden erwartet

Täglich werden nach den Planungen 900 Badegäste am Tag erwartet, vor allem Winsener aber auch aus der Region. Weil nun auch Gäste von außen, die sich nur treffen oder entspannen wollen, kommen können, könnten auch 1100 Besucher erreicht werden. Auf dem Wasser lockt eine schwimmende Plattform, in die ein Sprungturm, eine Rutsche oder ein Kletterturm im Wechsel eingehängt werden können. Draußen werden Strandkörbe stehen und kleine Wellen bis zu einer Tiefe von 30 Zentimetern über einen Sandboden schwappen. Wer schwimmen will: Es wird fünf 25-Meter- Bahnen mit zwei Meter Wassertiefe geben. In der Mitte werden auch drei Meter erreicht.

„Es handelt sich um ein spannendes Projekt für alle Generationen an einem tollen Standort. Das erste CO2-neutrale Bad zu bauen, ist ein anspruchsvolles, aber auch lohnendes Vorhaben“, sagt Bürgermeister André Wiese. Dabei sei der drei Millionen-Euro-Zuschuss eine große Hilfe. Zu den Gesamtkosten äußert sich Wiese noch nicht. Nur so viel: „Jetzt gilt es, zusammen mit der Politik und bei Fortsetzung der Bürgerbeteiligung aus dem Konzept möglichst zügig Realität werden zu lassen.“ Auf einen Badetag im Eckermannpark 2024 dürfte sich nicht nur der Bürgermeister freuen.