Buchholz. Jörn Jepsen nimmt die Herausforderung an. In Buchholz und Winsen sollen jeweils 14 Mediziner pro Monat 50.000 Impfungen schaffen.

Ein weißes Zelt vor dem Eingang, ein Sicherheitsdienst, eine Anmeldezone mit Schaltern hinter Plexiglas, Arzträume für die vorgeschriebenen Gespräche, Impfräume und eine Registrierung am Ausgang.

Leichtbauwände vor allem in Weiß gehalten. Die Schützenhalle in Buchholz hat ihr Inneres verändert: Vom Treffpunkt zu klinisch reinen Räumen, zu einem der beiden Impfzentren des Landkreises Harburg. Die Schützenhalle und die Winsener Stadthalle sind zwei von 50 Standorten in Niedersachsen, an denen die  Schlacht gegen einen unsichtbaren Feind gewonnen werden soll: Covid-19.

An der Spitze der Teams aus Ärzten und medizinische Fachpersonal vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) und der Johanniter-Unfall-Hilfe steht ein Hanstedter: Der Haus- und Notarzt Jörn Jepsen.

Der 66-Jährige lässt an diesem Vormittag keinen Zweifel daran, dass er so rasch wie möglich mit der Arbeit beginnen will. „Wenn wir in beiden Zentren mit maximal 14 Ärzten am Tag impfen, können wir 50.000 Impfungen im Monat schaffen und damit bei zwei notwenigen Terminen pro Kopf 25.000 Menschen versorgen“, rechnet Jepsen vor. „Dann hätten wir die Aufgabe für den gesamten Kreis bis zum Jahresende geschafft.“ Das würde ihm gefallen. Doch der Einstieg war mehr als zögerlich.

Lesen Sie auch:

Zwar sind die beiden Zentren seit dem 15. Dezember einsatzbereit. Bislang reichten die in den Landkreis gelieferten 2000 Dosen aber nur für die Bewohner von Heimen, deren Personal und die Mitarbeiter von Krankenhäusern auf den Aufnahme- und Intensivstationen. Nach wenigen Tagen war alles verbraucht. Erst Ende dieser Woche (15./16. Januar) soll Nachschub kommen. „Wir verlieren Zeit, während jeden Tag bis zu 1000 Menschen sterben“, beklagt Jepsen. „Schrecklich!“

Haus- und Notarzt Jörn Jepsen kann schlecht nein sagen

Diese Lage soll der Mediziner nun zum Besseren wenden. Dabei ist es ohne Zweifel kein Zufall, dass der Landkreis ihn an die Spitze der lebenssichernden Organisation berufen hat. Jepsen hat sich seit 1985, als er seine Approbation erhielt, immer im Bezirk Harburg oder im Landkreis engagiert.

Vor allem als Notarzt, der über 16 Jahre jeden Freitag an Bord eines Wagens 24 Stunden unterwegs war und erst in den vergangenen beiden Jahre seinen Einsatz auf zwölfstündige Schichten ein- bis zweimal im Monat reduzierte.

Aber auch als Ausbilder, Kreisverbandsarzt des DRK und als Kreissprecher für die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen. „Alle Beteiligten am Aufbau und dem künftigen Betrieb der Impfzentren kennen mich seit Jahren“, fasst Jepsen zusammen. Dazu kommt: Der verheiratete Vater von zwei Söhnen kann schlecht nein sagen. 

Das Impfzentrum in Buchholz.
Das Impfzentrum in Buchholz. © Rolf Zamponi | Unbekannt

So war er sich mit dem Ersten Kreisrat Kai Uffelmann rasch einig, die Herausforderung anzunehmen. Im Dezember unterschrieb er einen Vertrag für die Leitung der Impfzentren. Der gilt nun, „solange ich gebraucht werde.“

Zu seinem Studium war Jepsen nicht auf dem direkten Weg gekommen. Vielmehr hatte er sich nach dem Abitur am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Harburg als Pilot bei der Lufthansa beworben und wurde angenommen. Aber als heimatverbundener Mensch, dem die Nähe zur Familie schon damals wichtig war, sagte er dennoch ab. Dann also die Medizin, die „ich interessant und spannend fand“. 

Als Notarzt rettete er vielen Menschen das Leben

Bis zur Aufnahme des Studiums in Hamburg musste er jedoch aufgrund seines Abiturdurchschnitts noch fünf Jahre warten. Sie überbrückte er mit zwei Jahren bei der Bundeswehr und drei Jahren, in denen er in der Hansestadt Taxi fuhr oder als Wache an Krankenbetten des damaligen Allgemeinen Krankenhauses in Harburg (heute Asklepios) saß. Als Notarzt rettete er später wohl mehreren 100 Menschen das Leben. „Wenn man sie nach einigen Tagen im Krankenhaus wieder trifft und sieht, dass es ihnen gut geht, macht einen das glücklich.“

Seit 1993 führt der Mediziner nun als wirtschaftliches Hauptstandbein die älteste und mit zehn Mitarbeitern auch größte Hausarztpraxis in Hanstedt zusammen mit zwei Kollegen. Die Zulassung für die Krankenkassen will der neue Ärztliche Leiter der Impfzentren jedoch zum 31. März abgeben und sich so auf seine neue Aufgabe konzentrieren. Weil er aber immer noch schwer nein sagen kann, wird er, vielleicht einmal pro Woche, für kassenärztliche Notdienste bereit stehen - auch am Wochenende.

So sieht es im Inneren des Impfzentrum in Buchholz aus.
So sieht es im Inneren des Impfzentrum in Buchholz aus. © Rolf Zamponi | Unbekannt

Inzwischen seit zwei Wochen gegen Corona geimpft und fühlt sich Jepsen „absolut gut. Es gab nur ein wenig Druckschmerz an der Einstichstellen“. Dennoch trägt er immer eine FFP-2-Maske, die gleichzeitig ihren Träger schützt. Das wird auch für die Arztgespräche gelten, die er in den beiden Impfzentren mit führen wird. Niedersachsenweit steht der Startschuss jetzt fest.

Die kostenlose Hotline für die Terminvergaben (0800/9988665) soll am 28. Januar für Termine vom 1. Februar an geschaltet werden. Ein Online-Portal soll zeitnah folgen. Mit der Zulassung des Impfstoffs von Moderna für die EU könnte sich die Lage entspannen und mehr Impfdosen auf den Markt kommen.

70 bis 80 Prozent der Bevölkerung müssen sich impfen lassen

Jepsen hält das Impfen schlicht für alternativlos, um die Pandemie zu besiegen. „Die Skepsis ist wissenschaftlich unberechtigt.“ Im Gegensatz zu Impfungen bei Grippe oder Masern wird bei Corona nicht infektiös geimpft. „Vielmehr“, erklärt der promovierte Mediziner, „wird ein Botenstoff geimpft, der den Körper dazu bringt, harmlose, aber dem Corona-Virus ähnliche Gebilde aufzubauen.

Der Botenstoff baut sich rasch ab und der Körper stellt von sich aus Antikörper gegen die neuen Gebilde her.“ Kommt es zu einer Infektion, stehen die Abwehrkräfte und damit die richtige Waffen schon bereit, um den Feind im Körper abzuwehren. „Wir rechnen mit einer Sicherheit von 95  Prozent.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Wie schnell das Virus besiegt werden kann, bleibt eine Frage des Impftempos, der Bereitschaft der Menschen und von schnellen und ausreichenden Lieferungen. „Wir brauchen eine Beteiligung von 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung. Das reicht aus, damit sich das Virus nicht mehr fortpflanzen kann. Das bedeutet, es wird sterben.“

Mit voller Auslastung der beiden Zentren könnten so noch in diesem Jahr ausreichend Menschen im Kreis Harburg geimpft werden. Jepsen ist zuversichtlich: „Schaffen wir das, wäre 2022 ein normales Leben wieder möglich.“ Ganz ohne Maske.