Tostedt. „Sahnestück“ für Museum am Kiekeberg: Siedlungshaus mitsamt Stall wird nach Ehestorf geholt. Bund stellt 3,84 Millionen Euro bereit.

Die Suche nach den Häusern für das Projekt Königsberger Straße des Kiekeberg Museums ist endgültig abgeschlossen. Das Museum hat jetzt ein Siedlungshaus und den dazugehörigen Stall in Tostedt vorgestellt. „Beide Gebäude sollen bis Ende Februar abtransportiert werden.“, sagte Museumsdirektor Stefan Zimmermann am Mittwoch bei einem Besuch vor Ort.

Die beiden Gebäude gehören zu den insgesamt sechs Häusern, mit denen die Nachkriegsgeschichte in dem Freilichtmuseum nachgestellt wird. Für das mehr als sechs Millionen Euro teure Projekt stellt allein der Bund 3,84 Millionen Euro bereit. Zu den weiteren Förderern gehören Niedersachsen, die Metropolregion, der Landkreis und mehrere Stiftungen.

1953 wurde das Haus gebaut

Das Siedlungshaus hatten Bruno und Herta Matz, die beide aus Ostpreußen geflohen waren, von 1953 an etwa zwei Kilometer außerhalb des Zentrums von Tostedt gebaut. Zunächst gehörte Matz noch einem Siedlerverein an. „Er trat aber aus, weil er mit der Vorgabe nicht einverstanden war, Wohnhaus und Stall in einem Gebäude unterzubringen“, erklärte Zofia Durda, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Volkskunde des Museums.

Matz beauftragte dann einen Architekten aus Tostedt damit, zwei Häuser statt eines zu bauen und setzte damit seine eigenen Vorstellungen um. Dafür verzichtete er sogar auf finanzielle Unterstützung. Insgesamt entspricht das Haus aber dennoch im Grundriss und in der Raumaufteilung weitgehend den Siedlungshäusern, die nach dem Krieg in großer Zahl errichtet wurden.

Für das Museum ein Glücksfall

Alexander Eggert, der Leiter der Abteilung Volkskunde, nennt das Haus ein „Sahnestück“ für das Museum. Es wurde wenig umgebaut und Gegenstände aus dem 1950er und 1960er Jahren sind noch erhalten. Kein Wunder: In den Generationen wurde nur wenig weggeworfen, sondern vielmehr erst einmal aufbewahrt. „Die Geschichte des Hauses hat die Familie gleich mitgeliefert“, freut sich Eggert. „Über die Ansiedlung von Flüchtlingen wurde im Gemeinderat von Tostedt bereits von 1948 an diskutiert, weil in dem Ort zu wenig Wohnraum vorhanden war.“, so Durda. Das geht aus den Protokollen der Sitzungen hervor, in denen sie recherchiert hat.

Am längsten in dem Haus gewohnt hat von 1955 an Sabine Stelzer, die Tochter des Ehepaares Matz. Zuletzt lebte sie dort von 1974 bis 1980 mit ihrem Mann Manfred, der ebenfalls in der Siedlung groß geworden war. Beide waren am Mittwoch mit ihren Schwiegersohn Phillip Rüthemann zu dem Termin mit dem Kiekeberg gekommen. Als das Ehepaar im ehemaligen Garten einen Neubau bezog, blieb Sabine Stelzers Mutter Herta noch bis 2012 dort.

Das Haus geht unentgeltlich an den Kiekeberg

Vor der Übernahme durch den Kiekeberg im Januar 2020 wohnte Tochter Tanja Stelzer mit ihrem Mann noch einige Jahre in dem Haus. Rüthemann hatte auf eine Suchanzeige des Museums reagiert und so den Kontakt zum Kiekeberg angebahnt. Das Haus mitsamt dem daneben stehenden Stall geht nun unentgeltlich an das Museum. „Wir freuen uns, dass es nicht abgerissen wird“, sagte Manfred Stelzer. Das Ehepaar Rüthemann will auf dem freiwerdenden, 750 Quadratmeter großen Grundstück nun ebenfalls ein neues Haus bauen.

Das Siedlungshaus ist bereits für den Transport zum Freilichtmuseum vorbereitet.
Das Siedlungshaus ist bereits für den Transport zum Freilichtmuseum vorbereitet. © Rolf Zamponi | Rolf Zamponi

Das Siedlungshaus ist derzeit bereits transportfähig hergerichtet und steht auf Stahlträgern, die wiederum auf einem Fundament ruhen. „Die Thüringer Spezialfirma Bennert hat ähnlich einem Tablett eine stabile betonierte Grundplatte unter das Haus geschoben“, erklärte die Architektin des Museums, Theda Boerma-Pahl. Der Abtransport dürfte aber trotz dieser Vorarbeiten nicht ganz einfach werden.

Acht Hydraulikpressen heben das Gebäude an

So soll das Haus zunächst mit acht Hydraulikpressen vorsichtig 20 Zentimeter angehoben werden. „Allein dieser Vorgang ist auf fünf Stunden angelegt“, so Boerma-Pahl, die zu den Leitern des Projektteams Königsberger Straße zählt. Über eine extra angelegte Bahn soll das Gebäude dann auf die angrenzende Straße rutschen. Dort wird ein ferngesteuerte Spezialtieflader die 200 Tonnen schwere Last zunächst übernehmen und sie dann weiter auf die nächst größere Straße fahren. Erst dort soll die Fracht auf einen Tieflader gehoben werden. Der Transport soll es am zweiten Tag über die Grenzen von Tostedt hinaus schaffen. Am dritten Tag ist Pause und erst am vierten Tag abends soll das Museum erreicht werden. „Das Haus wird dort auf einen eigens angelegten Keller aufgestellt“, so Boerma-Pahl.

Transport nach Ehestorf dauert vier Tage

Neben dem Siedlungshaus wird auch der Stall zum Museum geholt. Die Familie hielt dort zwei Schweine, Hühner und Kaninchen. In der Sommerküche konnten die Erträge aus dem Nutzgarten verarbeitet werden.

Der Stall tritt an die Stelle des zuerst geplanten Bauernhofes. Einen passenden Hof hatte das Museum trotz mehrjähriger, auch auf die Nachbarkreise ausgedehnter Suche nicht finden können und schließlich die Recherchen eingestellt. „Wir wollten ein Original und nicht wie beim Siedlungsdoppelhaus erneut nachbauen“, hatte sich Direktor Zimmermann im Juli festgelegt. Jetzt müssen die beiden Häuser nur noch einige Wochen auf ihren großen Tag warten.