Landkreis Harburg. Geprüft werden soll unter anderem, ob eine vorübergehende Zusammenarbeit mit privaten Busunternehmen sinnvoll ist.
Zwei Stunden dauerte die Debatte. Dann waren sich die Fraktionen einig: Überfüllte Schulbusse und dichtes Gedränge an den Haltestellen der Schulzentren darf es in Zeiten von Corona nicht mehr geben. In einem interfraktionellen Antrag fordern die Parteien unisono schnelle Lösungen.
„Die Landkreis-Verwaltung wird aufgefordert, eine corona-konforme Schülerbeförderung weiter zu entwickeln“, sagt Tobias Handtke, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion. Heißt: Die Verwaltung soll prüfen, an welchen Strecken besonderer Bedarf herrscht und wie umsetzbare Lösungen aussehen können. Dabei geht es nicht nur um den Einsatz weiterer Busse aus dem Bestand.
Geprüft werden soll auch, ob eine vorübergehende Zusammenarbeit mit privaten Busunternehmen sinnvoll ist. Darüber hinaus sollen die Schulen in den Prozess eingebunden werden. Sie sollen mit flexibleren Unterrichtszeiten zu einer Entzerrung der Situation in den Schulbussen und an Haltestellen beitragen.
„Gefahrensituation, die uns zwingt, pragmatische Lösungen zu finden“
„Über volle Schulbusse klagen wir nicht erst seit Corona“, sagt Tobias Handtke. „Aber jetzt haben wir eine andere Gefahrensituation, die uns zwingt, pragmatische Lösungen zu finden. Die Kreisverwaltung muss nachsteuern.“ Die Situation in den Bussen sei nicht tolerierbar, findet auch der FDP-Abgeordnete Arno Reglitzky: „Es kann aber auch nicht sein, dass einige Busse fast leer abfahren, andere wiederum proppevoll sind. Hier müssen wir an die Eigenverantwortung der Schüler appellieren, sich besser zu verteilen.“
André Bock von der CDU betont, dass neben der Entzerrung der Bussituation auch über eine Entzerrung des Unterrichts nachgedacht werden müsse: „Es gibt nicht die eine Lösung. Wir müssen an vielen Stellen ansetzen und auch den Schülern deutlich machen, dass sie ihren Mundschutz im Bus tragen müssen. Denn die Situation in den Schulbussen werden wir nicht komplett entzerren können.“ Laut Bock, der das Thema im Schulausschuss des Landtags weiter behandeln möchte, seien die Schülertransporte allerdings nicht die Hot-Spots für Ansteckungen.
Ruth Alpers von den Grünen, deren Fraktion das Thema gemeinsam mit den Linken als Dringlichkeitsantrag in den Kreistag eingebracht hatte, plädiert auch dafür, den Radverkehr in die Maßnahmen einzubeziehen: „Es muss geprüft werden, inwiefern bei den Fahrradstellplätzen an den Schulzentren nachgebessert werden muss.“ Angelika Gaertner von den Freien Wählern Harburg-Land sieht die Schulen in der Pflicht. „Die Verwaltung muss sich mit den Schulleitern zusammensetzen und besprechen, was in Sachen gestaffelter Unterricht geht.“
Unterrichtsbeginn und -ende staffeln?
Genau das möchte Landrat Rainer Rempe jetzt tun. „Wir werden das Gespräch mit den Schulleitungen suchen und erörtern, ob Unterrichtsbeginn und -ende gestaffelt werden können“, so Rempe. Er gehe jedoch davon aus, dass jede Schulleitung gute Gründe habe, warum genau das nicht gehe. Laut Rempe tue der Landkreis bereits jetzt vieles, um nachzusteuern. „Wenn es Beschwerden gibt, reagieren wir auch“, sagt er. Auf einigen Strecken seien Kapazitäten vergrößert worden, nachdem Eltern das Problem beim Landkreis gemeldet hätten.
Laut CDU-Kreistagsmitglied Maximilian Leroux könne eine realistische Lösung jedoch nicht heißen, die Busse nur so weit zu füllen, dass ein Abstand von 1,5 Metern eingehalten werden könne. „Wenn wir die Abstandsregeln einhalten wollen, bräuchten wir bei 25 Schülern pro Gelenkbus und 15 in normalen Bussen entweder 455 Gelenkbusse oder 733 normale Busse. Das ist nicht zu schaffen.“ Aktuell werden täglich 161 Busse eingesetzt, davon 32 Gelenkbusse an etwa 60 Linien. 11.100 Schüler haben Anspruch auf eine kostenlose Beförderung.
Mitarbeiter der Verwaltung flexibel einsetzen
Die Verwaltung will nun mit Hochdruck daran arbeiten, dass spätestens Ende Oktober Lösungen gefunden sind. Damit kommt auf eine Verwaltung, die schon jetzt aufgrund der Coronapandemie an ihre Belastungsgrenzen stößt, ein weiterer corona-bedingter Auftrag zu. „Die Belastung, vor allem in den Gesundheitsabteilungen, ist riesengroß. Seit einem halben Jahr wird hier unter Dauerstress gearbeitet“, so Rempe. „Wir können die Arbeit nur bewältigen, wenn wir Mitarbeiter der Verwaltung flexibel einsetzen.“ Das aber habe Auswirkungen auf die anderen Aufgaben. „Wir haben nicht das Personal, um alles immer zu 100 Prozent und sofort leisten zu können“, so Rempe, der davon ausgeht, dass die Belastung im Zuge der Pandemie weiter steigen werde.
Anlass zu dieser Annahme geben die Zahlen der vergangenen zwei Wochen. 122 Neuinfektionen wurden zwischen dem 16. und 30. September gezählt. Allein zwischen dem 23. und 30. September waren es 70 Personen, ein Zuwachs von zehn Infizierten pro Tag. „Aktuell haben wir 30 Covid-19-Infizierte je 100.000 Einwohner“, sagt Reiner Kaminski, Bereichsleiter Soziales beim Landkreis. „Damit nähern wir uns immer weiter der 50-Personen-Marke.“
Zur Steigerung der Zahlen habe vor allem der Corona-Ausbruch im Seniorenwohnheim „Haus an den Moorlanden“ in Neu Wulmstorf beigetragen. In der Einrichtung, in der 123 Patienten wohnen, waren am vergangenen Wochenende 36 Bewohner und zehn Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt. Zwei der infizierten Bewohner sind im Krankenhaus verstorben. Drei weitere befinden sich in der Klinik, die anderen in Quarantäne. Aktuell werden im Buchholzer Krankenhaus vier Covid-19-Patienten behandelt, einer davon auf der Intensivstation.