Neu Wulmstorf. SPD fordert Soforthilfe gegen Pendlerfrust bei der S-Bahn: Mit den vielen Neubaugebieten könnte alles noch schlimmer werden.
S-Bahnkunden im Süderelberaum mussten in den vergangenen beiden Tagen wieder einmal harte Nerven bewahren: Erst meldete die S-Bahn am Mittwoch im abendlichen Berufsverkehr gut 50 Minuten Verspätungen wegen eines Polizeieinsatzes. Dann musste die S-Bahn am Donnerstagvormittag gegen 7.30 Uhr erneut eine massive Störung auf der Strecke bekanntgeben.
Diesmal war es ein „schadhafter“ Zug, der in Fischbek liegengeblieben war. Ein Ersatzverkehr sei im Aufbau, hieß es bei der Bahntochter auf Twitter - während Tausende Berufspendler wieder einmal voller Frust im Regen auf den Bahnsteigen warteten.
„Es reicht“, sagt jetzt der Neu Wulmstorfer SPD-Fraktionschef Tobias Handtke, der selber von den ständigen Ausfällen betroffen ist. „Wer als S-Bahn-Pendler nach Hamburg will, muss regelmäßig Verspätungen einplanen, die Verlässlichkeit der S-Bahn hat sich stetig verschlechtert“, zürnt Handtke.
Eigentümer der Züge ist die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft
Die SPD-Gemeinderatsfraktion in Neu Wulmstorf fordert daher jetzt eine schnelle Verbesserung der Situation und hat dazu auch einen konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt: Um die S-Bahn zu entlasten, müsste es künftig einen zusätzlichen Regionalzughalt in Neu Wulmstorf geben.
Damit könnten auch große Angebotslücken an den Wochenenden geschlossen werden, heißt es bei der SPD, die nun über die Gemeindeverwaltung einen Vertreter der zuständigen, niedersächsischen Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) nach Neu Wulmstorf einladen will. Der LNVG gehören die Regionalzüge im südlichen Hamburger Umland, sie schreibt auch die Strecken aus. Die Linie Hamburg – Cuxhaven wird dabei derzeit von der Bahntochter „Start Unterelbe“ betrieben.
Bisher halten die Start-Züge auf der parallel zur S3 geführten Strecke noch in Stade, Horneburg und Buxtehude – und dann wieder in Harburg. „Neu Wulmstorf ist mit 21.000 Einwohnern aber viel größer als Horneburg mit 13.000 Einwohnern“, untermauert die Neu Wulmstorfer SPD ihren Vorschlag und fordert auch insgesamt mehr Investitionen in diese Pendlerstrecke, die jetzt schon oft überlastet sei.
7000 Ein- und Aussteiger täglich am Bahnhof Neu Wulmstorf
Der für den Fahrplanwechsel am 15. Dezember ausgeweitete 10-Minuten-Takt sei zwar positiv, reiche aber nicht aus. „Das Verkehrsangebot muss verbessert werden, qualitativ und quantitativ“, sagt auch der Neu Wulmstorfer SPD-Nahverkehrsexperte Jürgen Waszkewitz.
„Signalstörung, Weichenstörung, Polizeieinsatz, liegengebliebener Zug, Feuerwehreinsatz, umgestürzter Baum, Personen im Gleis, Zugausfall - jeden Tag etwas anders, wir können es bald nicht mehr hören“, sagt der SPD-Politiker, der die S-Bahn ebenfalls als Berufspendler nutzen muss – und damit offensichtlich zu einer großen Gruppe Berufstätiger im Ort zählt: So würden in Neu Wulmstorf mittlerweile täglich 7000 Ein- und Aussteiger am Bahnhof gezählt. Viel mehr, als ursprünglich prognostiziert worden seien.
Doch damit nicht genug: Im Süderelberaum entstehen zur Zeit auch einige Neubaugebiete; unmittelbar an der Grenze zu Neu Wulmstorf werden mit den Fischbeker Reethen beispielsweise mehr als 2000 Wohneinheiten für noch einmal gut 5000 Menschen gebaut. Hinzu kommt dort ein großer Anteil von Gewerbebauten - die dann auch von Arbeitnehmern erreicht werden müssen. „Wie soll die S-Bahn alle diese Menschen noch aufnehmen?“, fragt SPD-Politiker Waszkewitz.
Gut 5000 Neubürger kommen von 2021 an ins Neubaugebiet
Wie weit die Planung für dieses Neubaugebiet Fischbeker Reethen bereits ist, stellte die Stadtplanerin Beate von Boxberg als Vertreterin des Bezirksamts Harburg am Mittwochabend im Neu Wulmstorfer Bauausschuss vor: Derzeit werde am konkreten Bebauungsplan gearbeitet, der zum Ende des Jahres in die Abstimmung mit anderen Behörden und Nachbar-Kommunen gehen soll. Baustart könnte dann 2021 sein.
Das Gebiet unmittelbar an der Bahnlinie wird als „autoarmes“ Quartier im Sinne einer „Gartenstadt“ konzipiert. Breite und zentrale Fuß- und Radwege sollen dabei beispielsweise zu den nahen S-Bahn-Anschlüssen und auch nach Neu Wulmstorf führen. Ob dann die S-Bahn für diese zusätzlichen Kunden weiter ausgebaut ist, dürfte daher tatsächlich noch reichlich Diskussionsstoff in der Politik bieten.
Wie es aber schon heute ist, wenn man von Hamburg nach Neu Wulmstorf möchte, konnte die Harburger Stadtplanerin gleich schon einmal selbst testen: Sie geriet ebenfalls mitten in die S-Bahn-Panne im Berufsverkehr und kam später an als geplant.
Zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember wird es auf der S-Bahnlinie der S 3 zunächst jetzt schon einmal eine leichte Verbesserung geben: Der kurze Zehn-Minuten-Takt zwischen Neugraben und Buxtehude wird dann von montags bis freitags ausgeweitet: Und zwar 60 Minuten länger am Abend und 60 Minuten früher am Morgen. Zwischen Neugraben und den den anderen Hamburger Stationen sollen zudem im Berufsverkehr nur noch Langzüge mit neun Wagen und Platz für 1500 Fahrgäste eingesetzt werden, heißt es beim HVV.
Doch auch Einschränkungen sind auf der Linie S3 vorerst wieder einmal geplant: Von kommenden Montag, 16. Dezember, bis Sonnabend, 21. Dezember, soll es zwischen Neugraben und Stade nachts zwischen 22.50 und 4.40 Uhr einen Schienenersatzverkehr geben. Grund sind Gleisbauarbeiten. Die Reisezeit-Verlängerung dadurch gibt der HVV recht optimistisch mit 15 Minuten an.