Harburg . 700 bis 900 nicht zugelassene Fahrzeuge geraten pro Jahr ins Visier des Bezirks. Anwohner sind genervt von Wracks vor der Haustür.

Sie haben ihre Glanzzeiten hinter sich: Rostlauben parken auf Harburgs Straßen und Plätzen und gammeln vor sich hin – abgestellt, um sie loszuwerden. Einfach so, ohne sich darum zu kümmern, was daraus wird. Mittlerweile prägen zahlreiche solcher Schrottkarren an verschiedenen Stellen das Straßenbild. Und es werden offenbar immer mehr: „Innerhalb eines Jahres werden in Harburg rund 700 bis 900 unbefugt abgestellte Kraftfahrzeuge vom Abschnitt Ordnungswidrigkeiten bearbeitet“, teilte Bezirksamtssprecher Dennis Imhäuser auf Anfrage des Abendblattes mit. Darunter fallen alle Fahrzeuge die ohne Kennzeichen im öffentlichen Raum stehen. Selbst Wohngebiete werden mittlerweile nicht mehr verschont. Anwohner sind genervt.

Dieser herrenlose Leichenwagen steht in der Hannoversche Straße.
Dieser herrenlose Leichenwagen steht in der Hannoversche Straße. © Jörg Riefenstahl

Fahrzeuge abzuschleppen erweist sich als schwierig

Gegen illegal auf der Straße entsorgte Rostlauben vorzugehen, erweist sich oft als schwierig. Allein schon deren Halter zu ermitteln, fällt nicht leicht. Und selbst wenn es gelingt, fehlt oftmals die rechtliche Handhabe, gegen sie einzuschreiten. Beispiel Wilstorf, Walsroder Weg 2. In der ruhigen Wohngegend mit Einfamilien- und Reihenhäusern steht ein alter Mercedes E-Klasse am Straßenrand. Der TÜV des Wagens ist im Januar 2018 abgelaufen. Der Lack ist matt, die Reifen sind platt. Frisches Grün bahnt sich seinen Weg von der Bordsteinkante bis zur Motorhaube. Vertrocknete Kiefernnadeln säumen die verspakte Windschutzscheibe. „Das Auto steht seit mehr als einem Jahr hier, ohne bewegt zu werden“, berichtet ein Anwohner, der die Situation ständig beobachtet. Ein Polizist, Bürgernaher Beamter, sei vor einiger Zeit dagewesen. Er habe gesagt, dass er da „nichts machen könne“, weil von dem Auto „keine Gefahr“ ausgehe, berichtet der Anwohner.

Verwaister Mercedes ohne TÜV nervt Anwohner seit anderthalb Jahren

Ein anderer Anwohner, der seinen Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen möchte, versucht seit Monaten vergeblich, dafür zu sorgen, dass der vergammelte Wagen endlich von der Straße verschwindet. „Der Mercedes steht dort schon seit Januar 2018. Er verschandelt das Straßenbild. Parkraum ist knapp. Wir brauchen den Platz“, sagt der Anwohner, der Mitarbeiter in einem städtischen Wohnungsbauunternehmen ist.

Seit Januar 2018 ohne TÜV: aufgegebener Mercedes im Walsroder Ring.
Seit Januar 2018 ohne TÜV: aufgegebener Mercedes im Walsroder Ring. © Jörg Riefenstahl

Im Februar hatte er die Polizei über die Situation im Walsroder Ring informiert. Aufforderungen von Amts wegen an den Halter, seinen Wagen zu entfernen, liefen ins Leere. Da den Polizeibeamten für weitere Schritte eine Rechtsgrundlage fehlte, wandte sich der Anwohner an das Bezirksamt. Doch auch dort sah man keine Möglichkeit, den Wagen abschleppen zu lassen, da dieser „noch zugelassen und kein Gefahrenzustand gegeben“ sei.

Anfang Mai wandte sich der Anwohner daraufhin an den ADAC Hansa. Das Ergebnis: Der Bezirk verhandelte nun direkt mit dem Fahrzeughalter. Der versprach, seinen Wagen binnen zwei Wochen zu entfernen. Geschehen ist es aber bisher immer noch nicht. „Der zugelassene Mercedes im Walsroder Ring ist dem Bezirksamt seit dem 5. April 2019 bekannt“, sagt Imhäuser. Dem Fahrzeughalter sei „aufgrund seiner persönlichen Situation“ eine angemessene Frist zur Selbstbeseitigung eingeräumt worden. Nach Abendblatt-Informationen soll sich der Besitzer des Wagens gerade um die Zwangsräumung seiner Wohnung kümmern. Komme der Eigentümer der Aufforderung nicht nach, werde der Wagen nach Fristablauf vom Bezirksamt beseitigt, verspricht Imhäuser.

60 bis 70 Schrottautos lässt der Bezirk abschleppen

Ob es klappt? Pro Jahr lässt der Bezirk 60 bis 70 Schrottautos in Harburg abschleppen. Allein an der Hannoversche Straße nahe der Einmündung Marschwinkel kommt dafür theoretisch ein ganzes Dutzend mehr oder weniger schrottreife Mobile in Betracht. Einige der Autos, die das Kopfsteinpflaster säumen, scheinen den ansässigen Autohandelsbetrieben zu gehören. Was aber mit den Autos geschieht – und wem sie tatsächlich gehören – bleibt rätselhaft. Eins aber ist offensichtlich: Das Umfeld und der Zustand der Fahrzeuge, darunter auffallend viele Ford und ein Wohnwagen mit zertrümmerten Scheiben auf einem Anhänger, lassen darauf schließen, dass sie hier schon lange stehen.

Gefahr – nicht nur für Kinder: Fiat-Kastenwagen am Freizeitbad.
Gefahr – nicht nur für Kinder: Fiat-Kastenwagen am Freizeitbad. © Jörg Riefenstahl

„Die Hannoversche Straße wird mindesten zwei- bis dreimal die Woche überprüft und nicht mehr zugelassene Kraftfahrzeuge werden erfasst“, sagt Imhäuser. „Fahrzeuge die nicht zugelassen sind oder aufgegeben erscheinen, werden vom Abschnitt Ordnungswidrigkeiten erfasst und nach der fachlichen Weisung Beseitigung unbefugt abgestellte Kraftfahrzeuge bearbeitet.“ Häufig würden Fahrzeughalter im Bezirk Harburg ihre unbefugt abgestellten Kraftfahrzeuge aus dem öffentlichen Raum entfernen, wenn diese schriftlich dazu aufgefordert worden sind. In Fällen, in denen kein Halter ermittelt werden konnte, werde eine deutlich sichtbare rote Markierung mit dem Hinweis auf die bevorstehende Räumung angebracht.

Gefahr am Freizeitbad – nicht nur für spielende Kinder

So eine „Markierung“ war lediglich an zwei Fahrzeugen in der Hannoversche Straße erkennbar – an einem silbernen Ford Ka und einem Ford Transit-Leichenwagen. „Reagiert der unbekannte Eigentümer nicht und das Fahrzeug ist zum Fristende noch im öffentlichen Raum abgestellt, muss abgeschleppt werden“, sagt Imhäuser. Geschieht das denn auch? Ein Fall, bei dem wir bei weiteren Recherchen am MidSommerland am Gotthelfweg stießen, lässt zweifeln: Auf dem Parkplatz am Freizeitbad steht seit Längerem ein „markierter“ schrottreifer Fiat-Kastenwagen – mit zertrümmerten Spiegeln, ausgebautem Scheinwerfer und zersplitterten Rückleuchten. Eine akute Gefahr – nicht nur für spielende Kinder.

Wenn ein Autobesitzer sein abgemeldetes Fahrzeug nach Aufforderung des Ordnungsdienstes des Bezirksamtes nicht aus dem öffentlichen Raum entfernt, wird es abgeschleppt.

Die verwahrten Fahrzeuge werden an die Eigentümer zurückgegeben (falls diese sich doch noch melden) oder wenn von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht angeordnet der Verwertung zugeführt oder als Einziehungsgegenstand versteigert.

Es ist erlaubt, ein Schrottauto dauerhaft auf einem – auch öffentlich zugänglichen – Privatparkplatz stehen zu lassen. Es sei denn, es geht eine Gefahr für die Umwelt von dem Wagen aus.