Meckelfeld. 1945 stürzte ein US-Bomber in Meckelfeld ab. Archäologen finden nun Flugzeugteile. Gemeinde schafft Ort des Gedenkens.

Am Morgen des 17. Januar 1945 starten an der Ostküste Englands 250 Flugzeuge, sie nehmen Kurs auf Hamburg. Dort sollen die US-amerikansichen Bomber die Harburger Ölraffinerie angreifen. Es ist 12.11 Uhr, als neun der Flugzeuge über Meckelfeld zum erneuten Angriff drehen – und eines durch eine deutsche Flak-Granate abgeschossen wird. Es stürzt senkrecht auf eine Marschfläche zwischen Autobahn und Seevedeich und bohrt sich metertief in den Boden. Ein Maschinist versucht noch, mit dem Fallschirm abzuspringen, doch es ist zu spät: Alle zwölf Besatzungsmitglieder sterben. Ein weiterer Bomber filmt den Absturz.

Rund 75 Jahre später beginnt ein ehrenamtliches Team, den Absturz der 42-51481 anhand von Zeitzeugenaussagen und historischen Dokumenten zu rekonstruieren. Nahe der Absturzstelle erinnert nun eine neue Gedenktafel an das Kriegsereignis und die dabei ums Leben gekommenen Soldaten. Die Crew war erfahren und hatte bereits viele Einsätze über Deutschland geflogen, für den erst 24 Jahre alten Piloten Dean B. Strait war es der 27. Einsatz.

Der Absturz des US-Bombers über Meckelfeld wurde gefilmt

Mit einer neuen Gedenktafel erinnern Gemeinde Seevetal und das Archäologische Museum Hamburg an den Absturz und die dabei gestorbenen Menschen.
Mit einer neuen Gedenktafel erinnern Gemeinde Seevetal und das Archäologische Museum Hamburg an den Absturz und die dabei gestorbenen Menschen. © Lena Thiele | Lena Thiele

Die Gedenktafel ist eine Kooperation der Gemeinde Seevetal und des Archäologischen Museums Hamburg. Initiiert hat die Recherche Ole Uecker, Mitarbeiter des Museums und Experte für den Zweiten Weltkrieg. „Der Absturz ist einer der wenigen, der unmittelbar dokumentiert ist“, sagt der Archäologe. Im Internet war er auf ein Schwarz-Weiß-Bild gestoßen, auf dem das Flugzeug bereits beschädigt jedoch noch in der Luft ist. Anhand von sogenannten Abschusslisten fand Uecker heraus, dass der Bomber vom Typ „Consolidated B-24 Liberator“ in Meckelfeld abstürzte. Mit Unterstützung des Leiters des Seevetaler Gemeindearchivs, Arndt-Hinrich Ernst, erhielten die Experten des Museums Zugang zu weiteren Quellen.

Auch Zeitzeugen halfen bei der Rekonstruktion des damaligen Geschehens. So berichtete ein Meckelfelder, der den Absturz als Junge mit seinen Eltern aus einem Splitterschutzgrabben heraus beobachtete: „Es dauerte wieder nur einige Sekunden und die Maschine ging in den Sturzflug über und kam nun mit großer Geschwindigkeit direkt auf uns zu gerast.“ Nach monatelanger Recherche fand Uecker im Spätsommer 2021 schließlich die Absturzstelle, zusammen mit einem Team aus ehrenamtlichen Mitarbeitern des Museums untersuchte er den Ort.

Archäologenteam finden zahlreiche Dinge der Besatzung, darunter Fluchtkarten und eine Münze

Dort, wo der Bomber im Boden versank, fanden sie zahlreiche Objekte, darunter einen Sauerstofftank, einen Kompass, Überreste von Fallschirmen sowie Silberarmbänder mit eingravierten Namen und die Flak-Weste eines der Besatzungsmitglieder. Auch in Kleidungsstücke eingenähte Fluchkarten aus Stoff wurden gefunden, mit deren Hilfe die Soldaten im Notfall zurück über die Frontlinie finden sollten. Auf einem Fragment sind Altona und Pinneberg zu erkennen, auf einem anderen Stade. Auch eine Morphium-Spritze aus dem Erste-Hilfe-Set der Crew zählt zu den Fundstücken. Eine Fünf-Franc-Münze diente einem Besatzungsmitglied möglicherweise als Glücksbringer. Mit der Gedenktafel in Meckelfeld wurde nun ein Ort des Erinnerns für die Gefallenen geschaffen, stellvertretend für alle Opfer des Krieges. Es ist die erste ihrer Art in der Gemeinde.

Gedenktafel erinnert an die Schrecken des Kriegs und das Schicksal der Getöteten

Seevetals Bürgermeisterin Emily Weede ist der Gedenkort ein besonderes Anliegen. „Das Erinnern ist eine Mahnung für uns und ein Auftrag für die Zukunft, dass so etwas nie wieder passiert“, sagt sie. Der Krieg und seine Auswirkungen betreffe viele Nationen und Generationen. „Der Schrecken wirkt in die folgenden Generationen nach. Auch deswegen ist es so wichtig, dass wir daran erinnern. Es darf nie wieder einen Krieg geben. Dies sollten wir in jeder Sekunde unseres Handelns beachten.“

In Hittfeld stützte ebenfalls 1945 eine US-amerikanische B-17 nahe  der Autobahn ab.
In Hittfeld stützte ebenfalls 1945 eine US-amerikanische B-17 nahe der Autobahn ab. © Gemeindearchiv Seevetal | Gemeindearchiv Seevetal

„Wir wollen mit unserer Arbeit an den Schrecken des Krieges erinnern“, sagt auch Jochen Brandt, zuständiger Archäologe für den Landkreis Harburg und Mitarbeiter des Museums. Die genaue Absturzstelle wird geheim gehalten, damit niemand auf eigene Faust auf die Suche nach weiteren Funden geht. „Das Risiko, auf scharfe Kampfmittel zu stoßen, ist viel zu groß. Das sollte man den Fachleuten überlassen“, sagt Brandt. Zudem gelten solche Orte als Kriegsgräberstätten, wer die Totenruhe stört, begeht eine Straftat.

Insgesamt sind im Landkreis 33 Flugzeugabstürze im Zweiten Weltkrieg dokumentiert, Ole Uecker schätzt die tatsächliche Zahl auf etwa 70. In Meckelfeld wurden während des Kriegs zwei weitere Flugzeuge beim Anflug auf die Harburger Industrieanlagen abgeschossen, ein amerikanisches und ein britisches.

Die Gedenktafel steht am Seevedeich in Höhe der Einmündung Giebelortsdamm. Wer mehr über das Schicksal der Crew des US-Bombers 42-51481 und die archäologische Recherche erfahren will, kann per Smartphone über einen QR-Code auf der Gedenktafel eine weiterführende Internetseite des Archäologischen Museums aufrufen.