Westerland/Scharbeutz. Schleswig-Holstein ist zerrissener denn je: Während in einigen Kreisen die Notbremse greift, bereiten sich andere auf Touristen vor.
Wer wissen will, wie die Corona-Lage in Schleswig-Holstein ist, der wird in diesen Tagen vergeblich nach einer klaren Antwort suchen. Das Land zwischen den vom Tourismus geprägten Meeren ist zerrissener denn je. Während in den Modellregionen darüber diskutiert wird, unter welchen Bedingungen Urlaub erlaubt werden soll, während an der Schlei und in Eckernförde Tourismus ab Montag wieder erlaubt ist, werden in anderen Regionen die Corona-Schutzmaßnahmen verschärft.
Denn die Zahl der Neuinfektionen steigt auch in Schleswig-Holstein. Manch einem Touristiker wird nun unwohl bei dem Gedanken, mitten in steigende Inzidenzen hinein Urlauber ins Land zu holen. Denn es kämen dann sicher auch Urlauber aus Hochinzidenz-Regionen.
Unterschiedliche Konsequenzen in Schleswig-Holstein
In dieser widersprüchlichen Fakten- und Interessenslage haben die sechs Modellregionen unterschiedliche Konsequenzen gezogen. Die Region innere Lübecker Bucht mit den Hauptorten Scharbeutz und Timmendorfer Strand hat den für Montag geplanten Start erst einmal um eine Woche auf den 26. April verschoben. Und es ist durchaus möglich, dass eine weitere Verschiebung erforderlich wird.
Denn im Kreis Ostholstein, zu dem die Modellregion gehört, ist die Inzidenz in den vergangenen Tagen deutlich nach oben gegangen. Am Freitag vergangener Woche, als Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP) in Kiel verkündete, welche Modellregionen an den Start gehen dürfen, lag der Kreiswert bei 45,9. Am Donnerstag waren es schon 64,8. Ostholsteins Landrat Reinhard Sager sagt: „Derzeit ist nicht auszuschließen, dass der Starttermin 26. April verschoben werden muss. Wir sind mitten in einer dritten Welle.“
Ostholsteiner entscheiden über Start als Modellregion
Die Kreisverwaltung ist in einer misslichen Situation. Zum einen zwingt die Überschreitung des 50er-Grenzwerts bei der Inzidenz zur Verschärfung der Maßnahmen. Die bislang geöffneten Einzelhandelsgeschäfte müssen ab Montag wieder zum Click & Meet zurückkehren. Die Bäderregelung – also die bei den Touristen beliebte Geschäftsöffnung an den Wochenenden – ist ohnehin ausgesetzt.
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Zum anderen drängt die Hotellerie, drängen Gastwirte und Ferienhausvermieter darauf, endlich wieder Geld zu verdienen. Landrat Sager lässt allerdings keinen Zweifel daran, was für ihn jetzt im Mittelpunkt steht. „Die wichtigste Frage ist, ob das Gesundheitsamt in der Lage ist, die Kontakte nachzuverfolgen.“ Am kommenden Mittwoch wollen die Ostholsteiner entscheiden, ob die Modellregion am 26. April starten kann. Prognose: Sinkt die Inzidenz bis dahin nicht deutlich, gibt es eine neuerliche Verschiebung.
Büsum verschiebt Start wegen steigender Inzidenz
Ähnlich ist die Lage in der Modellregion Büsum (Kreis Dithmarschen). Dort wurde der Start gleich um drei Wochen verlegt. Statt am kommenden Montag soll es nun am Montag, 10. Mai, losgehen. Grund: Auch im Kreis steigt die Inzidenz. Am Freitag vergangener Woche lag sie bei 27,8, am Donnerstag waren es 75,8. Auch hier gilt die Prognose: Sinkt die Inzidenz nicht, wird es nichts mit dem Büsum-Tourismus.
Komplizierter ist die Lage auf der Insel Sylt und im Kreis Nordfriesland. Das Sylter Modellregionskonzept ist gescheitert – unter anderem, weil es für die geplante Testpflicht für Einheimische und Berufspendler keine Rechtsgrundlage gibt. Nun bleibt nur noch die Möglichkeit, das weniger strenge Konzept des Kreises Nordfriesland umzusetzen.
Inzidenz in Nordfriesland gestiegen
Ob das geschieht, wird unter anderem in der Gemeinde Sylt entschieden, die einen Großteil der Inselgemeinde vertritt. Die Kommunalpolitiker werden am kommenden Donnerstag über die Frage beraten. Die CDU wird wohl für eine Übernahme des Nordfriesland-Konzepts votieren. „Bei uns ist der Tenor, dass wir es damit versuchen sollten“, sagte Fraktionschef Kay Ebeling. Bei den Grünen ist man skeptischer. „Der Kreis müsste sein Konzept nachbessern“, sagte die Fraktionschefin Maria Andresen.
Ob er das tut, gilt als fraglich. Die nordfriesische Modellregion soll am 1. Mai starten. Auch hier dürfte die Frage der Inzidenz entscheidend sein. Sie lag am Freitag vergangener Woche bei 31,9 – das ist exakt auch der Wert vom Donnerstag. Zwischendurch war er allerdings auf 44,1 angestiegen.
Universitätsklinik Lübeck rechnet mit Corona-Patienten
Nordfrieslands Landrat Florian Lorenzen hielt es zudem am Donnerstag für nötig, auf die Arbeitsverteilung bei dem Modellprojekt hinzuweisen. „Wenn der Tourismus in Nordfriesland voraussichtlich ab dem 1. Mai eingeschränkt wieder beginnt, sind die Beherbergungsbetriebe dafür verantwortlich, dass ihre Gäste alle zwei Tage auf das Coronavirus getestet werden“, sagte er. Und er mahnte: „Jeder Betrieb entscheidet selbst, ob er unter den Bedingungen der Modellregion öffnen will oder ob er es vorzieht, geschlossen zu bleiben.“
Und noch eine widersprüchliche Nachricht aus dem Land zwischen den Meeren: Die Universitätsklinik in Lübeck rechnet damit, schon ab der kommenden Woche Corona-Patienten aus anderen Bundesländern aufnehmen zu müssen.