Lübeck/Hamburg. Ingo Oppelt und Andreas Raffeck sind Wracksucher. Ihr neuester Fund wurde in der Nazi-Zeit zur Abwehr eingesetzt.
„Da liegt ein U-Boot, ich werd verrückt“, dachte Ingo Oppelt im vergangenen Spätsommer, als er mit seinem Tauchkollegen Andreas Raffeck nördlich der Lübecker Bucht unter Wasser ging.
Der 52-Jährige, der nach Wracks in Nord- und Ostsee sucht, hat ein noch offenbar unentdecktes kleines U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden.
U-Boot in Ostsee entdeckt: "Da kribbelt es"
Eigentlich waren die beiden Sporttaucher auf der Suche nach einem verschollenen Segelschiff. Mithilfe seines Sonargeräts hatten Oppelt und sein Kollege bereits über Wasser festgestellt: Da unten ist etwas. Das Gerät zeigte dreidimensionale Konturen mit hellen Bereichen und Schattenbildung auf dem Meeresboden an. Besonders auffällig war dabei, dass mittig vom länglichen Objekt ein Turm herausragte, der sofort an die Silhouette eines U-Bootes denken ließ. Die Qualität des Bildes erinnert an ein Ultraschallbild.
Und ähnlich wie ein Ultraschallbild bei einem werdenden Vater löste das Bild des Sonargeräts etwas in Oppelt aus: „Da kribbelt es“, beschreibt der Hamburger das Gefühl kurz bevor sie sich sicher waren, um was es sich da handelte.
U-Boot wurde im Zweiten Weltkrieg eingesetzt
Mittlerweile waren die beiden Taucher noch vier- oder fünfmal am Fundort nahe der Untiefe Sagasbank, um das U-Boot genauer zu untersuchen.
Oleksiy Konovalov zeichnete das Boot, Erhard Schulz, der auch im Alter von 81 Jahren noch taucht, fotografierte das Wrack unter Wasser. Hobbytaucher ohne die entsprechende Ausrüstung hätten das stark mit Muscheln und Algen bewachsene Wrack wohl kaum als U-Boot identifiziert.
Dank des Sonargeräts und der Tauchgänge konnten Oppelt und Raffeck die Art des Bootes, das in neun Meter Wassertiefe liegt, bestimmen: „Es handelt sich dabei um ein kleines Unterseeboot vom Typ Seehund, das 1944 und 1945 in Deutschland für den küstennahen Einsatz zur Abwehr feindlicher Schiffe gebaut wurde“, sagt der Sporttaucher. Das Boot ist rund elf Meter lang und hat zwei außenliegende Torpedos, es wurde von einer Zwei-Mann-Besatzung gefahren.
Keine Torpedos oder Leichenreste
„Menschliche Überreste sind aber nach ersten Untersuchungen nicht erkennbar“, sagt Oppelt. Auch die zwei außen angebrachten Torpedo-Magazine seien leer, sodass keine Gefahr von dem Wrack ausgehe.
Dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ist das U-Boot laut Oppelt noch nicht bekannt. Auf Anfrage wollte ein Mitarbeiter des BSH keine Standorte von U-Boot-Wracks nennen, die sich vor der deutschen Küste in der Ostsee befinden. Dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern sind vier U-Boot-Wracks bekannt. Wo sie liegen, soll nicht veröffentlicht werden, um Hobbytaucher von den U-Booten fernzuhalten und die Totenruhe nicht zu stören.
Oppelt kennt nahezu jedes Wrack in der Ostsee
Für Oppelt war es nicht der erste spektakuläre Fund. Unter anderem hat er vor sechs Jahren vor Bornholm ein Torpedoboot entdeckt. Seit 26 Jahren taucht Oppelt in der Ostsee und ist „semiprofessioneller Wracksucher“, wie er selbst sagt. Er begleitet Tauchexpeditionen, schreibt Fachbücher und gibt anderen Tauchern Tipps. „Ich kenne nahezu jedes Wrack in der Ostsee, das zwischen Flensburg und Rügen liegt“, sagt Oppelt. Schon als kleiner Junge fand er Wracks spannender als die auf der Elbe fahrenden Schiffe, und die Faszination wuchs.
Zehn unbekannte Wracks hat Oppelt schon entdeckt, das U-Boot ist das elfte – und „der mit Abstand überraschendste Fund“, so Oppelt. „Das ist eigentlich kaum zu glauben“, sagt der Taucher. Oppelt nimmt an, dass der „Seehund“ bei Kriegsende von seiner Besatzung versenkt wurde, damit er nicht als Kriegsbeute in die Hände der Alliierten geraten konnte. In den 50er-Jahren sollten jedoch eigentlich alle U-Boote, die von den Deutschen versenkt worden waren, gehoben werden.
„Um welches Boot es sich genau handelt und wer die beiden Besatzungsmitglieder waren, wird nach 75 Jahren auf dem Meeresboden nicht mehr herauszufinden sein“, sagt Oppelt. Auch der Antriebspropeller sei so stark verrostet, dass die Taucher die damals eingestanzte U-Nummer nicht mehr erkennen können.
Wracksucher leisten „archäologische Arbeit“
Ansonsten sei bei dem U-Boot nicht mehr viel zu erforschen. Interessanter seien Wracks, die man untersuchen und so noch etwas herausfinden kann. „Archäologische Arbeit“ nennt der 52-Jährige das.
Dieser „Reiz des Unbekannten“ treibt Raffeck und Oppelt immer wieder auf das Meer, um längst vergessene Boote auf dem Grund zu entdecken. Auch am kommenden Wochenende wollen die beiden Taucher wieder rausfahren, „wenn die See ruhig ist und das Boot nicht schaukelt“. Das seien ideale Bedingungen für die Wracksuche.