Sylt. Hoteliers und Gastronomen stehen in den Startlöchern und warten auf weitere Lockerungen. „Am Strand ist Platz für alle“.
Das war gestern der Beginn zurück zur Normalität: Stau an der Autoverladestation nach Sylt und langes Warten. Weil die Zweitwohnungsbesitzer seit Montag wieder auf die Insel dürfen, sind viele von ihnen gleich angereist. Die Deutsche Bahn hat allerdings die Taktung des Syltshuttles noch zurückgefahren. Statt wie zu Spitzenzeiten 18, fahren derzeit lediglich neun Züge am Tag. Der Ansturm könnte ein Vorgeschmack auf das sein, was Sylt erwartet, sollten weitere Lockerungen kommen. Hoteliers und Gastronomen freuen sich, gleichzeitig schwingt die Sorge vor zu vielen Besuchern mit.
„Die Stimmung ist gedrückt, aber auch getragen von einer Welle der Solidarität und Kreativität. Eine Ferieninsel ohne Feriengäste ist für eine gewisse Zeit tragbar, eine Pandemie ohne Schutzmaßnahmen nicht“, sagt Moritz Luft, Geschäftsführer der Sylt Marketing GmbH. Mit den Bürgermeistern der Sylter Gemeinden haben Tourismus- und Wirtschaftsvertreter in einer Risikobewertungen die Anforderungen für einen Neustart des Tourismus in Corona-Zeiten untersucht.
Generell gilt: Was in Großstädten möglich ist, ist auch auf Sylt machbar. „Es gibt keinen Grund, warum beispielsweise die Menschenströme auf der Mönckebergstraße in Hamburg machbar sind, nicht aber in der Fußgängerzone in Westerland“, sagt Luft. Für die Verhaltensweisen und Schutzmaßnahmen sei nicht der Ort entscheidend.
Sicherheit der Gäste gewährleisten
„Es kommt auf die Eigenverantwortlichkeit der Menschen an.“ Maßnahmen werden erarbeitet, wie man die Sicherheit der Gäste gewährleisten kann. Für den Tourismuschef steht fest: „Es geht nicht um die absolute Anzahl der Gäste, es geht darum, unsere Inselfläche optimal und umfänglich gemäß der aktuellen Vorgaben auszurichten.“ Bei 40 Kilometern Sandstrand sei genug Platz für alle, die Wege werden eventuell etwas weiter. Urlaub werde ein wenig verplanter und weniger spontan, Restaurantbesuche müssten vorab gebucht werden.
Die Gastgeber sind bereit und hoffen auf baldige Lockerungen. „Unsere sieben Ferienwohnungen haben jeweils einen separaten Eingang, den Infektionsschutz können wir gewährleisten, das wäre kein Problem“, sagt Anette Runkel, die Bauernhofurlaub bei Kampen anbietet. Die Wohnungen würden vor jedem Besuch gereinigt und desinfiziert werden.
„Wir haben optimale Bedingungen“, so Anette Runkel. Sie überlegt, zwischen der Abreise der einen Gäste und der Anreise neuer Gäste einen Tag Pause zu lassen, um die Wohnungen zu lüften. Wäsche wird, wenn möglich, bei 90 Grad gewaschen. Runkel: „Ich finde das nicht so kompliziert.“ Sorge bereitet den Gastgebern die Masse an Gästen. Wenn alle Urlaub in Deutschland verbringen und bis zu 80.000 Gäste auf einmal an einem Tag auf die Insel kommen, „wäre das beunruhigend“, sagt Anette Runkel.
Möglich wäre in der Saison auch eine Sperrstunde
Das sieht Lars Horn ähnlich, der das Restaurant Kap Horn in Hörnum betreibt. Im Restaurant seien die Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen kein Problem, die Menschenmengen müssten aber vor allem am Strand und an der Promenade kontrolliert werden. „So viel Polizei haben wir gar nicht.“ Er hofft, dass die Urlauber sich an die Corona-Regeln halten werden und ist zuversichtlich, wirtschaftlich einigermaßen heil aus der Krise zu kommen.
„Wir sind seit zehn Jahren am Standort – das macht es einfacher. Wenn wieder Menschen auf die Insel und wir öffnen dürfen, wird das klappen.“ Für andere Betriebe, die erst geöffnet haben und noch neu sind, werde es schwieriger. „Es wird ein Gastrosterben geben.“ Er freut sich, dass Zweitwohnungsbesitzer auf die Insel dürfen: „Ich habe in Westerland viele verschiedene Autokennzeichen wahrgenommen und freue mich sehr darüber. Bei uns ist jeder willkommen.“
Es ist ein Spagat zwischen Reglementierungen einerseits und Urlaubsfreude andererseits. „Die Menschen sehnen sich danach, am Strand spazieren gehen zu können“, sagt Dirk Erdmann, Inhaber des Hotels Rungholt in Kampen. Als Gastgeber muss es ihm gelingen, die strengeren Maßnahmen in seinem Haus durchzusetzen und den Gästen trotzdem Freude zu bereiten. Abstand zwischen den Tischen im Restaurant, Frühstück im Mehrschichtsystem sind einige der Maßnahmen.
Bald mehr Syltzüge
- Noch fährt der Sylt Shuttle der Deutschen Bahn in verringertem Umfang: Lediglich neun Züge sind es derzeit am Tag. Das könnten aber je nach Bedarf mehr werden.
- Ab dem 18. Mai werden es laut einer Bahnsprecherin 14 Züge am Tag sein, zunächst bis zum 5. Juli. Wenn dann der Sommerfahrplan greift, steigt die Zahl der Züge auf 18 in der Woche und 19 am Wochenende. „Erhöht sich das Aufkommen, können wir das jederzeit anpassen“, so die Sprecherin.
- Auch der blaue Autozug Sylt nimmt wieder Fahrt auf und erhöht ab Freitag, 8. Mai, deutlich die Taktung. Während des Lockdowns hatte das Unternehmen seinen Betrieb aufrecht gehalten. Der aktuelle Fahrplan kann unter www.autozug-sylt.de/fahrplan abgerufen werden.
„Zwischen den Frühstücksschichten lüften wir mindestens 15 Minuten, um die Aerosole aus der Luft zu bekommen.“ Sollten sich die Leute im alkoholisierten Zustand nicht an die Regeln halten, sei eine Sperrstunde eine Möglichkeit, findet Erdmann. Gäste, die ihren Urlaub aus Sorge gar nicht antreten möchten, können vier Wochen vorher kostenfrei stornieren. Zukunftssorgen hat Erdmann nicht, auch wenn die Stimmung derzeit am Boden ist. Denn: „Die Leute werden in diesem Sommer Urlaub in Deutschland machen.“
Bastian Freddrich vom Hotel Blaumuschel in Westerland sieht der Buchungslage gelassen entgegen: „Wir sind sehr gut gebucht, auch schon im Herbst.“ Die Saison sei noch nicht verloren. Wer bei ihm stornieren möchte, kann das jederzeit kostenlos machen. Freddrich ist geradezu euphorisch, sagt er. Obwohl der Hotelier bislang 20 bis 25 Prozent Umsatzverlust hat, blickt er optimistisch in die Zukunft: „Die Lage ist extrem, aber ich habe keine Existenzängste mehr wie am Anfang der Krise.“ Für ihn könne es jederzeit losgehen. Er ist für seine Gäste bereit.