Buxtehude. Bei den „Toastmasters“ lernen die Mitglieder Rhetorikkniffe. Mancher trat ein, um Rede-Hemmungen zu überwinden.
Bevor es zu den ersten Reden des Abends kommt, gilt es, noch einige Formalien zu klären: „Wer möchte Rede-Bewerter sein?“, fragt Ina Köhlmann in die Runde der rund 20 Teilnehmer, die an diesem Abend im Kulturforum am Buxtehuder Hafen Platz an einem großen Tisch genommen haben. „Und wer Sprachstil-Beobachter, wer Körpersprachen-Beobachter, wer Füllwortzähler – wer Zeitnehmer?“ Schnell sind die Posten besetzt, man trägt Freizeitdress und Schildchen mit dem Vornamen.
Ein kleines Rednerpult ist aufgestellt, Zeitschriften liegen aus: „Learn How To Make People Laugh“, lautet einer der Titel, in dem man hier bei den „Igel Toastmasters Buxtehude“ jetzt blättern könnte. Der Rednerclub ist Teil einer bereits 1924 in den USA gegründeten Rhetorikvereinigung, in Buxtehude gibt es seit den 80er Jahren einen englisch- und einen deutschsprachigen Part. Industriekauffrau Ina Köhlmann ist derzeit Präsidentin der deutschsprachigen Buxtehuder Redner und moderiert heute einen „Schnupperabend“, an dem auch Nichtmitglieder teilnehmen.
Eine Rede aus dem Stehgreif als Aufwärmübung
Und die gleich mit eingebunden werden – wenn man denn möchte: Eben bei ersten kurzen Reden am Tisch und dann bei den „Stegreifreden“ am Pult, die beide so etwas wie die Aufwärmübungen der Toastmasters sind. Zu einem vorher unbekannten Thema muss man wenige Minuten reden, spontan eben und bis der „Zeitnehmer“ einen Knopf drückt und das erste von drei Lämpchen zeigt, dass man die Mindestzeit schon einmal geschafft hat. Der Reporter kann bei der Tischrede wählen zwischen den Themen „Lieblingsgemüse“ und „Persönliches Ziel“. Persönliches Ziel ist zunächst, die Redehemmung hier vor Unbekannten zu überwinden – und das geht mit Gemüse leichter: Wie war das noch mit dem Spinat, warum schmeckte der so gut zuhause und woanders so lappig? Schnell ist es erzählt, die Erinnerungen an die mütterlichen Kochkünste fließen dahin, Zuhörer lächeln. War gar nicht so schwer.
Zu den Toastmasters, um Hemmungen zu überwinden
Wenig später geht es schon ans Pult zur Stegreifrede: Diesmal geht es um den Job, kurz nachgedacht: ein, zwei „Ähhs“ und „Mhhhs“ und wieder lässt sich etwas erzählen, wieder fließt es dahin, wieder schaut man in lächelnde Gesichter. Dann: Das erste Lämpchen blinkt auf, schließlich sogar das zweite, das an das Zeitlimit erinnert. Geschafft – und es hat sogar Spaß gemacht. Ein Effekt, der wohl oft am Anfang einer Mitgliedschaft steht. Auch bei Mona Schlesselmann war es zunächst so, dass sie Hemmungen überwinden wollte und deshalb etwas suchte, um Reden schlicht zu trainieren. „Ich war als Kind da schon sehr schüchtern“, sagt die Steuerberaterin, die nun im Job plötzlich vor Vertretern von Unternehmen Ganztages-Seminare geben musste.
Zunächst dachte sie an einen Volkshochschulkursus, dann hörte sie von den Toastmastern, die quasi ein regelmäßiges Training in „wertschätzender Atmosphäre“ bieten, wie Mona Schlesselmann sagt. Mittlerweile ist sie Vize-Präsidentin des Clubs und schon etliche Jahre dabei. „Das ist eben auch ein tolles Hobby geworden“, sagt sie.
Lea will Besucher durch eine Brennerei führen
Die 18-jährige Lea steht indes noch am Anfang der Redner-Erfahrungen. Sie hat einen eher ungewöhnlichen Beruf und lernt in der Altländer Obstbrennerei ihres Vaters Destillateurin: Für Touristen ist der Betrieb ein beliebtes Besichtigungsziel, Lea soll da die Führungen übernehmen. Und um eben das Reden und Präsentieren zu üben, ist sie zu den Toastmasters gekommen. „Ich hatte davon in der Zeitung gelesen, hab’ mir das angeschaut und war gleich überzeugt“, sagt sie. Heute hält sie nun ihre erste größere und vorbereitete Rede, die sogenannte „Eisbrecherrede“. Als Thema hat Lea ihren Beruf gewählt. Es geht um Liköre und Brände, um Aromen, um Geschmack, was mit wem kombiniert werden kann. Ein Selbstgängerthema, gebannt hört die Runde zu, Lea unterstreicht ihre Rede mit Bewegungen der Hand, guckt nur hin und wieder auf einen Stichwortzettel. Dann gibt es, wie nach jedem Beitrag, Beifall und Fragen aus der Runde.
Am Ende steht eine Beurteilung durch die Jury
Anschließend ist Rainer an der Reihe, der weißhaarige Schachspieler ist schon weiter, hat mehrere „Lernphasen“ absolviert und hat heute die Aufgabe, visuelle Hilfsmittel in seinen Redebeitrag einzubauen. Es geht bei ihm um die Schachfiguren, dazu hat er welche mitgebracht und gestikuliert damit geschickt. Wie überhaupt die Redner hier Hände und Körperbewegungen mit einbauen in ihre Vorträge, die Tonlagen wechseln, es werden Scherze gemacht. Nur bei ganz genauem Beobachten merkt man hin und wieder, dass da mal eine betonende Handbewegung Millisekunden später kommt, als dass es perfekt passt. So als würde das Gehirn sagen: „Nun mach mal wieder eine Bewegung!“ Aber es wird ja auch noch geübt, der Weg zur perfekten Rede führt eben über mehrere Etappen. Und über den dritten Teil eines solchen Clubabends: Den „Bewertungsteil“: Man bewertet Körperhaltung und Sprachstil, immer höflich, immer wohlwollend. Leas Beitrag wird besonders gelobt. Und wie war das bei dem Beitrag des Reporters? Sieben Füllwörter, hat die Füllwortzählerin notiert, in ein paar Minuten nur. Ganz schön viel. Muss wohl noch trainiert werden, das Reden.