Hamburg. Auf einem ehemaligen Bundeswehrareal direkt an der Geltinger Birk entsteht ein luxuriöses Feriendorf unter Reet.

Ein Spaziergang entlang der Geltinger Birk vor gut vier Jahren ist schuld daran, dass sich das Leben von Marion und Norbert Essing radikal verändert hat. Ein Spaziergang, bei dem das Ehepaar einen „wunderschönen Ort“ entdeckte, wie Marion Essing heute sagt. „Wir sind hier entlanggelaufen, haben dieses ehemalige Bundeswehrareal direkt am Naturschutzgebiet gesehen und gedacht, hier liegt eine große Chance vor uns“, so die Architektin, die seit rund 15 Jahren das Gut Roest bei Kappeln betreibt.

Zurück zu Hause habe sie begonnen zu recherchieren, was es mit dem Gelände auf sich hat. Marion Essing hatte sofort eine Idee, was man mit den insgesamt zehn Hektar Land nahe der Ostsee anfangen könnte. „Wir wollten ein Dorf mit reetgedeckten Ferienhäusern auf Fünf-Sterne-Niveau bauen. Eingebettet in die Natur und im Stil des Landes.“ Inklusive Rezeption an der Einfahrt des Areals, Tagungsräumen für Firmen oder Hochzeitsgesellschaften. Unweit des Geländes steht ein Leuchtturm, in dem gern und viel geheiratet wird.

Reetdach-Dorf liegt nahe der Ostsee

Essing kontaktierte die zuständigen Behörden, die Naturschützer, den Eigentümer des Grundstücks. Und begann über einen Verkauf und eine Umgestaltung zu verhandeln. „Das war gar nicht so einfach, und wir haben viele Gespräche geführt“, sagt sie. „Aber wir hatten von Anfang an sehr viel Unterstützung aus der Gemeinde, vom Kreis, vom Land, sogar von Naturschützern.“ Natürlich gab es auch Skeptiker, die kein größeres Projekt ganz in ihrer Nähe wollten. Die Bedingungen der lokalen Behörden: In das Reetdach-Dorf darf kein großer Investor einsteigen, einzelne Häuser dürfen nicht verkauft oder ganzjährig vermietet werden. „Alles sollte in einer Hand bleiben“, sagt Essing.

Am Ende kauften sie und ihr Mann dem Besitzer das verwahrloste Stück Land mit den Gebäuderuinen ab und begannen mit der Entwicklung der Fläche zum Reetdorf. „Es war ein hartes Stück Arbeit, bis wir wirklich beginnen konnten“, sagt die dreifache Mutter. „Aber mittlerweile sind alle wirklich zufrieden mit der Entwicklung. Wir bekommen sehr viel Anerkennung, über die wir uns freuen.“

Beim Bau wurden Naturmaterialien eingesetzt

Bis Ende 2020 sollen insgesamt 48 Häuser entstehen. 23 sind bereits fertig und werden von Urlaubsgästen genutzt. Jeden Monat kommt im Schnitt ein weiteres Haus dazu. Rund 16 Millionen Euro stecken die Essings in die Verwirklichung ihres Traumes von einem kleinen Dorf im Dorf. Dabei hat Marion Essing als studierte Architektin die meisten Ideen gehabt und die Häuser selbst entworfen. Alle mit Blick auf das Naturschutzgebiet und die Ostsee. „Ich habe mir einen Plan genommen und so lange hin und her geschoben, bis jedes Haus einen unverstellten Blick auf Naturschutzgebiet und Ostsee hatte“, sagt sie.

Drei verschiedene Häusertypen

Dazu entwickelte Essing drei verschiedene Häusertypen. „So konnten wir mit Modulen arbeiten und die Kosten im Rahmen halten“, sagt sie. „Sonst wären 48 Häuser wirtschaftlich nicht zu betreiben gewesen.“ Da gibt es zum einen die kleine Künstlerkate mit 110 Quadratmetern und drei Schlafzimmern (pro Nacht zwischen 180 Euro und 240 Euro/18 Häuser). Dazu das Malerhaus mit 110 Qua­dratmetern, als Doppelhaus konzipiert (pro Nacht pro Hälfte zwischen 160 Euro und 220 Euro/14 Häuser). „Hierbei haben wir zum Beispiel an zwei befreundete Familien gedacht. Oder größere Familien mit Großeltern, die dann in einem eigenen Gebäude wohnen können, sozusagen zusammen, aber doch mit eigenen Bereichen.“

Und schließlich das Atelierhaus mit 145 Quadratmetern (pro Nacht zwischen 210 Euro und 270 Euro/16 Häuser) und vier Schlafzimmern für bis zu acht Personen. Insgesamt entstehen so 236 Betten. Essing betont, „dass alle Handwerker aus der Gegend kommen“. Sie und ihr Mann wollen, dass möglichst viele Einheimische von dem Projekt profitieren. Die Architektin hat bei der Planung allerdings noch weiter gedacht. So produziert eine Fotovoltaikanlage auf dem Hauptgebäude einen Großteil des Stroms. Ein besonderes unterirdisches Heizsystem mit speziellen Wärmetauschern in den einzelnen Gebäuden sorgt dafür, dass die Häuser mit wenig Energieaufwand warmes Wasser bekommen und heizen können.

Für den Bau wurden Naturmaterialien verwendet wie Kalkfarben, Reet oder Keramik und Holzböden. „Hier wurde vor allem naturnah gebaut mit natürlichen Materialien“, sagt Essing, der ein Leben im Einklang mit der Natur wichtig ist. „Das musste bei der Nähe zum Naturschutzgebiet sein.“ So sind auch die einzelnen Gärten nicht durch Zäune voneinander getrennt. Wildblumenwiesen hinter den Terrassen und kleine Hecken sorgen für eine optische Trennung. „Der Boden sollte so naturbelassen wie möglich bleiben.“

Bürgermeister von Nieby begrüßt das Projekt

Dirk Hansen, Bürgermeister der Gemeinde Nieby, ist schon lange ein Befürworter des Bauprojekts. „Das ist eine wirklich tolle Sache“, sagt er. Klar, am Anfang habe es Zweifel im Dorf gegeben. Die Einwohner hatten Sorge um ihre Ruhe und das Naturschutzgebiet. „Aber so wie die Familie Essing alles plant und umsetzt, kann wirklich keiner mehr etwas dagegen haben.“ Vorher sei das Areal eine heruntergekommene Ruine gewesen, die der Gemeinde eines Tages durchaus hätte Ärger machen können.

Deshalb sei es gut, dass das Ehepaar die Sache in die Hand genommen habe. „Ich bin wirklich froh, dass hier jetzt dieses schöne kleine Dorf entsteht“, sagt er. Nun hoffe er nur noch, dass Stück für Stück die ganze Gegend von dem Projekt profitiere. „Klar ist, wir müssen unsere Infrastruktur mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch Restaurants noch verbessern.“ Dann könne das Reetdorf für alle ein echter Gewinn sein. „Für uns alle ist zu wünschen, dass das Projekt ein Erfolg wird.“

Marion und Norbert Essing, die Initiatoren des Reetdorfs.
Marion und Norbert Essing, die Initiatoren des Reetdorfs. © Bodo Nitsch |

Die Vermietung der Häuser (ab 210 Euro pro Tag) hat das Ehepaar übrigens in andere Hände gegeben. Das Unternehmen Urlaubsart kümmert sich um die Buchungen, den Reinigungsservice und besetzt die Rezeption am Eingang des Dorfes. Aber auch wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, will Marion Essing sich nicht zurückziehen. „Das ist unser Projekt und das wird auch immer unser Projekt bleiben. Es wird einfach wunderschön“, sagt die Architektin.