Ellerhoop. Das Arboretum in Ellerhoop ist ein ganz besonderer Garten. Dort gibt es zahlreiche Pflanzen-Raritäten, aber auch viel Platz für Muße
Menschen sind wohl so. Wenn sie etwas besonders Schönes sehen, dann wollen sie es gern haben. Und weil etliche Besucher früher die Pflanzen, die ihnen gefielen, heimlich ausgruben, gibt es nun eine Stauden-Gärtnerei Müller direkt am Eingang des Arboretums in Ellerhoop, die viele Raritäten anbietet. Dort können die Besucher vieles von dem kaufen, was sie bei ihrem Rundgang in den Beeten bewundert haben.
Professor Hans-Dieter Warda, der seit 33 Jahren sein Leben diesem weitläufigen Areal widmet, hat dafür gesorgt – er konnte einen seiner früheren Studenten für eine Staudengärtnerei begeistern. Der 78-Jährige ist 1. Vorsitzender des Förderkreises Arboretum, der den Garten betreibt. Garten trifft es dabei nicht wirklich, bei dem etwa 18,3 Hektar großen Areal handelt es sich um eine fantastische Parkoase mit vielfältigen Themenbereichen. Eigentümer ist der Kreis Pinneberg, der Förderkreis organisiert jedoch den Betrieb, der zum großen Teil durch Eintrittsgelder und Spenden finanziert wird.
Alles war früh dran in diesem Jahr
Der Frühling sei eine besondere Zeit, sagt Warda, „es ist ein Aufbruch, ein Neuanfang. Es macht einen neugierig, was aus dem Gepflanzten geworden ist. Die 600.000 Dichter-Narzissen sind längst verblüht, die Tulpen ebenso, inzwischen blühen Mohnblumen, Kornrade und Kornblumen auf der großen Wiese. Alles war früh dran in diesem Jahr.
Es gibt wahre Schätze im Arboretum, an denen man ohne fachkundige Begleitung achtlos vorübergehen würde. Und so ist es ein Privileg, wenn man mit dem „Chef“ durch die Rabatten streifen darf. Man sollte aber genug Zeit mitbringen, denn der Pflanzenexperte, der früher eine Professur an der Fachhochschule in Osnabrück hatte, hat zu fast allen Gewächsen eine ausführliche Geschichte zu erzählen.
Beispielsweise über die Poncirus Trifoliata, eine Bitterorange, die im Frühling kräftige weiße Blüten zeigt und viele Früchte trägt. Warda kommen die botanischen Namen der Pflanzen so mühelos über die Lippen, als wären es Dinge des täglichen Lebens. Aber für ihn sind sie das ja auch. „Diese Pflanze habe ich vor 33 Jahren aus dem elterlichen Garten mitgenommen“, sagt Warda über die Bitterorange. Sie überstehe den Winter gut draußen, obwohl Zitruspflanzen als empfindlich gälten. Im September seien die Früchte erntereif, und etliche Besucher nähmen das auch wörtlich, sagt Warda lächelnd. „Alles, was hier unten dran ist, ist dann weg.“ Inzwischen werde die Poncirus Trifoliata auf einigen Pflanzenmärkten verkauft, auch in der Stauden-Gärtnerei am Eingang.
Mehr als 2000 Strauchpfingstrosen
Junge Pflanzen müsse man noch ein wenig vor der Sonne schützen, rät Warda. Viel mehr gebe es jedoch nicht zu beachten. Aber es sei viel Überzeugungsarbeit nötig gewesen: „Man muss fast 25 Jahre unentwegt quatschen, bis sich eine Pflanze durchgesetzt hat“, sagt der studierte Landschaftsarchitekt, der Dendrologie (Baumwissenschaft) als sein Spezialgebiet bezeichnet. Wer seinen Zaun gegen Eindringlinge schützen wolle, könne davon gleich eine Hecke mit der Bitterorange anlegen – die spitzen Stacheln sind überall an der Pflanze angelegt.
Eine ungewöhnliche Schönheit ist auch Cornus Nuttalli, der amerikanische Blumen-Hartriegel. „Er ist ein Schauspieler“, sagt Warda über den Baum mit seiner unglaublichen Blütenfülle. Was aussehe wie Blüten, seien in Wahrheit umgedrehte Hochblätter, die den Blütenstand umgeben. Im Herbst habe die Pflanze dann ihren zweiten großen Auftritt – mit einer fantastischen Färbung. „Die Blätter sehen dann aus, als kämen sie frisch aus der Lackiererei – orangerot und gelb“, schwärmt der Chef des Arboretums.
Seine große Leidenschaft sind die Strauchpfingstrosen, von denen es auf dem Gelände mehr als 2000 Stück gibt. Zweimal sei er direkt in China diesen Pflanzen nachgejagt, sagt Warda, denn alle Wildarten stammten von dort, „und die Chinesen sind sehr gute Gärtner. Sie haben Strauchpfingstrosen schon vor über 1000 Jahren gezüchtet. Es ist vielleicht die älteste gezüchtete Zierpflanze der Welt“, sagt der Pflanzenexperte.
Manchmal funkt die Natur einfach dazwischen
Die Bereiche im Arboretum sind streng gegliedert – nach Farben und Themen. So gibt es den Bereich der Formgehölze mit akkurat gestutztem Buchs, den Zauber der Toskana, den Roten Garten, den Geologischen Erlebnispfad mit Basaltsteinen aus der Eifel, den Bauern- und den Küchengarten, den Bambus-Dschungel, die Strauchpfingstrosen, den Heidegarten, den Garten des Südens mit einem kleinen Tempel und vieles mehr.
Manchmal funkt die Natur aber einfach dazwischen, etwa im Garten am Meer, der ganz in Blau gehalten ist. Er sei ein farbsensibler Mensch, sagt Hans-Dieter Warda; im Bauerngarten, da müsse es bunt sein, „aber alle anderen Gärten unterliegen einem Farbschema“. Und ausgerechnet im Garten am Meer haben sich zwei Königskerzen breitgemacht. Sie sind von selbst aufgegangen und haben sich zu prächtigen Pflanzen entwickelt. „Aber die blühen aufregend gelb.“ Er werde sie aber wohl stehen lassen, sagt Warda etwas widerwillig.
Der Chef kennt alle 6000 Pflanzenarten und -sorten
Überall auf dem Gelände sind kleine Rückzugsbereiche mit Sesseln und Bänken angelegt. Viele Sitzgelegenheiten sind an diesem sonnigen Tag mitten in der Woche belegt. „Wir machen aufmerksam auf das Schöne. Ohne das Schöne kann der Mensch ja gar nicht leben.“ Aber auch Naturschutz und Insektenschutz nehme man sehr ernst, und „wir versuchen, die Zusammenhänge aufzuzeigen“, sagt der Pflanzenexperte. Ob er denn alle 6000 verschiedenen Pflanzenarten und -sorten auf dem Gelände kennt? „Ich denke schon“, sagt Warda, der von bis zu zwölf Gärtnern unterstützt wird. Bislang hat er vergeblich nach einem Nachfolger gesucht. „Wie lange soll ich das denn noch machen?“, fragt der 78-Jährige.
Die Besucher können im Arboretum auch viel über die Entwicklungsgeschichte der Bäume lernen. Im See, in dem demnächst die Lotusblüten wieder für ein Blütenspektakel sorgen, stehen auch eine Reihe von Sumpfzypressen, die einst Grundlage der Braunkohlevorkommen waren. Im Herbst verfärben sich ihre Nadeln orange-rostrot.
Und dann steht Warda vor seinem Lieblingsprojekt: der Eins-zu-eins-Nachbildung des größten noch lebenden Baumes der Erde. Allerdings ist nur der Stamm des Riesenmammutbaums „General Sherman Tree“ nachgebaut und ragt zehn Meter in die Höhe. Im Original hat der General Sherman eine Höhe von 83 Metern und ist mindestens 2300 Jahre alt. In die Betonhülle hat Warda einen 40 Jahre alten Mammutbaum pflanzen lassen, der bereits aus dem Betonfuß herausragt. Wardas Prognose für den Arboretum-Mammutbaum: „In 2000 Jahren wird er die Hülle sprengen. Notieren Sie sich den Termin schon mal.“