Stralsund/Freest. Immer mehr der großen Meeressäuger werden gesichtet. Biologin sieht Chance für den Tourismus, Fischer sind weniger glücklich.
Die Ostsee-Kegelrobbe ist neben dem Wolf ein weiteres großes Säugetier, das nach Deutschland zurückkehrt. "In den deutschen Ostseegewässern halten sich derzeit 200 bis 300 Kegelrobben auf", schätzt die Meeresbiologin Linda Westphal vom Deutschen Meeresmuseum in Stralsund. An den beiden einzigen dauerhaft genutzten Ruheplätzen - das sind der Große Stubber, eine Untiefe im Greifswalder Bodden, und die Insel Greifswalder Oie - wurden nach ihren Worten Anfang März bei einer Parallelzählung 121 Robben erfasst. Auch am Kap Arkona und auf der Sandbank Lieps seien die Tiere gelegentlich zu beobachten.
Ähnlich wie die Halter von Weidetieren den Wolf nicht gerne sehen, würden die Fischer lieber auf die Kegelrobbe verzichten. Die Meeressäuger werden von den Heringen angelockt, die im Frühjahr im Greifswalder Bodden laichen. "Wir haben ein Problem mit anwachsenden Robbenbeständen", erklärt der Fischer Michael Schütt aus Freest (Vorpommern-Greifswald). Der größte Schaden entsteht demnach durch zerstörte Netze. Hinzu komme angefressener Fisch. Neben Heringen würden Hornhecht, Zander, Dorsch und Meerforellen vertilgt. Es gebe keine Netze, die robbensicher sind, meint Schütt, Vize-Vorsitzender des Verbandes der Kutter- und Küstenfischer Mecklenburg-Vorpommern.
Im 19. Jahrhundert lebten bis zu 100.000 Kegelrobben in der Ostsee
Im März und April ist die Zahl der Kegelrobben an der deutschen Ostseeküste am größten. "Im Mai gehen die Zahlen wieder runter", sagt Westphal. Dann suchen die Tiere zum Fellwechsel weiter nördlich ruhige Strände auf. Die gibt es weder in Mecklenburg-Vorpommern noch in Schleswig-Holstein, wo fast die gesamte Küste touristisch erschlossen ist. In Mecklenburg-Vorpommern halten sich im restlichen Jahr etwa 30 bis 50 Robben auf. In Schleswig-Holstein wurden bisher nur vereinzelt Ostsee-Kegelrobben gesichtet.
Im 19. Jahrhundert lebten in der Ostsee noch 80 000 bis 100 000 Kegelrobben. Wegen der Schäden in der Fischerei wurden sie stark bejagt. Kegelrobben galten in den deutschen Ostseegewässern seit 1920 als ausgerottet. Bis in die 1980er Jahre sank der Bestand in der gesamten Ostsee auf etwa 2500 Tiere. Schuld daran war neben der systematischen Bejagung die massive Verschmutzung des Meeres: "Insbesondere Umweltgifte wie PCBs und DDTs führten dazu, dass die Fruchtbarkeit der Robben nachließ", erläutert Westphal.
Es braucht einen Managementplan für die Kegelrobbe
"Heute leben dank effektiver, internationaler Schutzmaßnahmen wieder etwa 30 000 Kegelrobben in der Ostsee", sagt die Wissenschaftlerin. Der Bestand der geschützten Art sei mit dieser Zahl zunächst gesichert, aber sie dürfe nicht schrumpfen. Die größte Gefahr für Kegelrobben sei der ungewollte Beifang in den Netzen der Fischerei. Die Robben würden von dem Fang angelockt. "Wir benötigen einen Managementplan für die Kegelrobbe, der die Belange von Fischerei, Tourismus und Naturschutz berücksichtigt. Fischer sollten für nachgewiesene Schäden durch Robben entschädigt werden, gleichzeitig müssen die Fischereigeräte sicherer vor und für Robben werden", listet Westphal die Forderungen an das Umweltministerium in Schwerin auf. Minister Till Backhaus (SPD) hat die Prüfung eines Managementplanes zugesagt, sobald ausreichend Daten vorliegen.
Die Meeresbiologin sieht in den Kegelrobben auch eine Chance für den Tourismus an der Küste. "Deutschlands größtes Raubtier bei einer Robbenexkursion zu beobachten ist ein sehr beeindruckendes Naturerlebnis", versichert sie.