Hamburg. 724 Kilometer langes Großprojekt soll zehn Milliarden Euro kosten. Es gibt Widerstand: Landwirte fürchten Bodenerwärmung.
Die Elbe bekommt einen neuen Tunnel. Etwa in Höhe des schleswig-holsteinischen Wewelsfleth soll er gebohrt werden. Südlich von Freiberg erreicht er niedersächsisches Ufer. Der Tunnel, der ein paar Stromkabel fassen wird, ist allerdings nur ein Puzzleteil in einem gut 700 Kilometer langen Großprojekt. Die Stromautobahn Südlink soll den windstromreichen Norden mit den Industrien im Süden verbinden. Rund zehn Milliarden Euro wird das kosten. Südlink gilt als Kernstück der Energiewende.
Wo diese Autobahn verläuft, ist mittlerweile etwas klarer. Der Stromnetzbetreiber Tennet hat nach umfangreichen Untersuchungen einen „Vorschlagskorridor“ festgelegt. Nun hat die Bundesnetzagentur das Wort. Sie prüft die Unterlagen und korrigiert, falls das erforderlich sein sollte.
Startpunkt in Steinburg
Dennoch dürfte sich an dem groben Trassenverlauf nur noch wenig ändern. Im Norden startet Südlink in Wilster im Kreis Steinburg. Auf annähernd geradem Weg wird die Baulücke im Elbdeich zwischen Dammducht und Hollerwettern erreicht. Auf der niedersächsischen Seite, zwischen Holenwisch und Allwörden, ist nach Ansicht der Planer genug Platz, um eine Tunnelbaustelle einzurichten.
Nach der Elbquerung führt die Trasse an Wischhafen vorbei, passiert Himmelpforten westlich und wird dann in Richtung Süden weitergeführt. Die A 1 wird nordwestlich von Elsdorf passiert, dann geht es weiter in Richtung Scheeßel. Dort endet der erste, nördlichste der fünf Südlink-Planungsabschnitte. Die Kabel werden überwiegend unter der Erde verlegt. Sie kommen in Gräben, in einigen Fällen wird auch gebohrt. 2021 soll mit dem Bau begonnen werden, 2025 könnte die Fertigstellung erfolgen.
Widerstand gegen Stromautobahn
Ob dieser Terminplan einzuhalten ist, scheint fraglich. Denn es gibt Widerstände gegen die Stromautobahn. Rund 60 Bürgerinitiativen haben sich im Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen Südlink zusammengeschlossen. Am 24. März treffen sie sich zum Bürgerinitiativen-Konvent in Fulda.
Der Ort wurde mit Bedacht gewählt. Das Zentrum des Widerstands liegt nicht im Norden, sondern im Süden Niedersachsens sowie in Bayern, wo Südlink endet. Die Initiativen sehen in dem Projekt ein „überdimensioniertes Übertragungsnetz“. In der Einladung zu dem Konvent heißt es: „Die Energiewende muss dezentral erfolgen.“
Das Aktionsbündnis lehne die Gleichstromleitungen und den „massiven Ausbau von Wechselstromleitungen durch Bayern“ ab. Es ist überzeugt, dass der Ausbau „nur dem Profit der Konzerne“ diene. „Die europäischen Megatrassen sind geplant, um Atom- und Kohlestrom noch über Jahrzehnte auch den deutschen Stromkunden unterzujubeln. Dafür dürfen 50 Meter breite Schneisen unsere Landschaft und unserer Heimat nicht zerstören und unsere Gesundheit gefährden.“
Landwirtschaft auf Trassen möglich
Tennet rechnet mit maximal 34 Meter breiten Trassen. Die insgesamt acht Kabel sollen aus technischen Gründen in vier voneinander getrennten Gräben verlegt werden. Jeder ist einen knappen Meter breit und etwa 1,65 Meter tief. Nach der Zuschüttung ist auf den Trassen Landwirtschaft möglich. Eine Einschränkung gibt es allerdings: Tief wurzelnde Gehölze dürfen dort nicht mehr wachsen.
Die niedersächsischen Bauern befürchten dennoch, dass die Stromautobahn ihre Verdienstmöglichkeiten verringern könnte. Der verdichtete Boden und die Wärme, die die Kabel abstrahlen, könnten die Bodenqualität beeinträchtigen, befürchten sie.
Holger Hennies, der Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen, fordert deshalb eine „dauerhafte und wiederkehrende Zahlung zum Ausgleich der Schäden, die wir durch Erdkabel erwarten müssen“. Er wünscht sich eine „Anhebung der Nutzungsentschädigung auf 40 Prozent bei Freileitungen und auf 60 Prozent für das Erdkabel sowie eine Nachentschädigung alle 15 bis 30 Jahre“. Auch der Deutsche Bauernverband und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände fordern eine solche Entschädigung.
Zeitplan nicht mehr einzuhalten
An Konfliktpotenzial fehlt es also nicht. Durchaus möglich, dass aus Kritikern demnächst Kläger werden. Zunächst muss sich nun aber die Bundesnetzagentur über die Vorschlagstrasse beugen. Hier ein paar Meter nach links, dort ein paar Meter nach rechts: Noch ist Spiel im Leitungsweg.
Der Vorschlag der Bundesnetzagentur wird dann zur Grundlage eines Planfeststellungsverfahrens. Dabei können noch einmal alle von der Stromautobahn Betroffenen ihre Ideen und ihre Änderungswünsche äußern. Bei einer Trassenlänge von 724 Kilometern dürfte da einiges zusammenkommen.
Nächster Schritt ist der Planfeststellungsbeschluss. Gegen ihn könnte geklagt werden. Das dürfte zu deutlichen Verzögerungen beim Bau führen. Ohnehin ist der anfängliche Zeitplan längst über den Haufen geworfen worden. 2014 hatte das Unternehmen gehofft, 2022 mit dem Bau fertig zu sein.