Hamburg. Die letzten Arbeitstage des ersten Chefs der evangelischen Nordkirche. Eine Amtszeit zwischen Missbrauchsskandal und Flüchtlingskrise.
Am 9. März ist sein letzter Arbeitstag. Dann vollendet Gerhard Ulrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, sein 68. Lebensjahr. Nach einem Gottesdienst in Schwerin und einem kleinen Fest wird er seine Büros räumen. „Das war’s dann“, sagte das Oberhaupt von mehr als zwei Millionen Protestanten in Norddeutschland am Dienstag auf dem Hamburger „Theaterschiff“.
Der Ort seiner voraussichtlich letzten Pressekonferenz war mit Bedacht gewählt. Denn der 1951 in Rahlstedt geborene Pastor und spätere Propst in Angeln sowie Bischof von Schleswig startete sein Berufsleben als Schauspieler, schwenkte dann aber in den Dienst der Kirche um. Pfingsten 2012 wurde er zum Landesbischof der gerade erst gegründeten Nordkirche gewählt.
Als die wichtigsten Themen seiner Amtszeit nannte er Migration und Missbrauchsfälle. „Wir haben als System versagt und sind schuldig geworden“, sagte Ulrich. Es habe in der Kirche eine „kriminelle Substanz“ gegeben. Im Unterschied zu den Ergebnissen des Anti-Missbrauchsgipfel der Katholiken in Rom gehen die Konsequenzen in der Nordkirche deutlich weiter: „Wir arbeiten in diesen Fällen mit der Staatsanwaltschaft zusammen und sind für die Offenlegung aller Akten“, so Ulrich. Demnächst würden in allen Kirchenkreisen Arbeitsstellen gegen sexualisierte Gewalt eingerichtet.
Ulrich, der als Landesbischof rund 400.000 Kilometer in seinem Dienstwagen gefahren ist und darin rund 4000 Stunden verbracht hat, machte den Christen mehr Mut zum Selbstbewusstsein. Zwar habe die Kirche an Bedeutung verloren. „Aber die Gesellschaft braucht das Evangelium, die Vision von einer Gesellschaft mit menschlichem Antlitz.“
Gerhard Ulrich will in den ersten Wochen seines Ruhestands, den er mit seiner Frau in Kappeln genießen wird, zur Kur an den Bodensee fahren. Darüber hinaus will er predigen, vorzugsweise an Orten wie den Theatern in Kiel und Schwerin. „Zudem möchte ich meine Fernsehreihe ‘So gesehen’ bei SAT.1 weitermachen.“ Ansonsten gelte für ihn loszulassen und in ein noch „unbekanntes Land“ zu ziehen – den Ruhestand.