Hamburg. Wegen der schlechten Ernte könnte bei Jan Thies in Winsen bald das Futter knapp werden. Was tun, wenn man 220 Kühe zu versorgen hat?

Jan Thies hofft. Vielleicht kommt er ja doch noch glimpflich davon. Vielleicht gibt es doch noch Regen in den kommenden Wochen. Allerdings ist das etwas, das er hier in Winsen im Kreis Segeberg schon lange nicht mehr vom Himmel hat fallen sehen. „Den letzten richtigen Regen gab es Vatertag“, sagt der Landwirt. Das ist schon fast drei Monate her. Und mit jedem Tag in diesen drei Monaten stellt sich drängender die Frage, womit er seine 220 Milchkühe füttern soll, wenn seine 170 Hektar Acker und Grünland vertrocknen und nichts hergeben sollten.

Jan Thies meckert nicht. Der große, schlaksige 50-Jährige grübelt und plant, plant und grübelt. 1997 hat er am Rande des Dorfes, dessen ehrenamtlicher Bürgermeister er ist, neu gebaut. Als „Aussiedler“ – wie viele Landwirte in Schleswig-Holstein. Raus aus den Dörfern, die ursprünglich alle aus Landwirten bestanden, die man dort nun aber nicht mehr haben will, weil sie mit ihren Arbeitsgeräuschen und Tiergerüchen stören. Langsam hat er seine Herde von 50 auf 220 Milchkühe aufgestockt.

Betrieb rentabel halten

 Jetzt läuft es eigentlich ganz gut. Thies hat drei feste Mitarbeiter und einige geringfügig Beschäftigte. Der Milchpreis ist gerade ganz okay. Ja, der Stall ist schon 20 Jahre alt und müsste irgendwann mal erneuert werden. Das wird eine Rieseninvestition werden. Aber eigentlich läuft der Laden so, wie sich Thies das vorgestellt hatte. Er wollte sich nie von morgens bis abends um den Hof kümmern müssen, wie das viele Landwirte heute noch tun. „Das finde ich total bekloppt“, sagt er.

Jan Thies sieht sich als landwirtschaftlicher Unternehmer, der letztlich auch nichts anderes macht als andere Unternehmer: den Betrieb rentabel führen und rentabel halten. Neulich hat er sich sogar einen Urlaub gegönnt. Nichts Großes: Mit dem Auto nach Rügen, ein paar Tage auf Campingplätzen oder im Auto geschlafen, viel gelesen. Kopf frei kriegen.

Er hält sich gern an Zahlen

Jan Thies hält sich gern an Zahlen. Aber auch die haben in der Hitze plötzlich Schaden genommen. „14 Liter Milch muss eine Kuh pro Tag geben, damit sie wirtschaftlich ist“, sagte er, „eigentlich.“ Aber gilt dieser Wert jetzt noch? Die 80 Hektar Grünland, die er bislang dreimal geschnitten hat, haben nur rund ein Drittel der üblichen Silage-Menge hergegeben. „Beim letzten Schnitt war der Aufwand größer als der Ertrag, das konnte man vergessen“, sagt er.

Sollte es demnächst regnen, könnte er es mit einer weiteren Aussaat versuchen. Um noch ernten zu können, müssten es dann aber schnell wachsende Gräser sein. Und weil es vielen Landwirten so geht wie Jan Thies, hat sich das Saatgut deutlich verteuert – oder ist gar ausverkauft. Aber wann säen? Regnet es danach nicht, wäre es ein Verlustgeschäft. Und seine Kühe müssten mehr Milch geben, um wirtschaftlich zu sein.

Experten empfehlen Gießkannen-Experiment

Das alles ist wie eine Gleichung mit mehreren Unbekannten. Die derzeit größte Unbekannte ist der Mais. Neben dem Kraftfutter, das gekauft wird, und dem Gras ist der Mais ein wichtiger Futterbestandteil. Auf mehr als zehn Feldern (Schlägen) hat Thies die Energiepflanze ausgesät. Viel Arbeit, aber ohne Mais sinkt die Milchmenge. Auf einigen Feldern steht die Pflanze ganz gut da, auf anderen schlecht – je nach Standort. Sollte man da schon mähen? Oder noch auf Regen und somit auf Besserung warten? Experten raten, ein paar Pflanzen für ein paar Tage mit der Gießkanne zu bewässern – dann werde man schon sehen, ob es noch Wachstumschancen gebe. Jan Thies hat Zweifel: „Man traut sich gar nicht so recht, das mal auszuprobieren.“

Bei großer Hitze werden die Kühe von Jan Thies beim Melken mit Wasser berieselt
Bei großer Hitze werden die Kühe von Jan Thies beim Melken mit Wasser berieselt © HA | Michael Rauhe

Dennoch hofft er auf eine Maisernte, die zumindest halb so groß ist wie im vorigen Jahr. Damit würde er seine 220 Kühe wohl bis in den Mai kommenden Jahres durchfüttern können. Denn er hat ja noch Vorräte aus dem vergangenen Jahr. Und er hätte sogar noch mehr Futter gehabt, wenn er nicht unlängst die Silage-Platte erneuert hätte – also das Betonbecken, das als Graslager dient. Er hat damals sogar Futter verkauft, um das Lager leerzubekommen. „Das hab ich jetzt davon“, sagt Thies. „Daraus lernt man.“

„Ich kann mir mit Geld kein Futter kaufen“

Und wenn der Mais doch nichts wird? Von Existenzgefahr will Thies nichts hören, von Notschlachtungen auch nichts. „Ach was“, sagt er. Und wenn die Bundesregierung hilft? „Ich kann mir mit Geld kein Futter kaufen“, sagt er. „Hier gibt es derzeit keinen Markt dafür.“ Wer Mais hat, der hält ihn jetzt beisammen.

Der 50-Jährige ist Landwirt in vierter Generation, die fünfte Generation steht schon bereit – Sohn Thore (19). Seine Lehre als Landwirt hat er gerade beendet. Anfang September will er für ein Jahr nach Neuseeland. Er hat Arbeit bei einem landwirtschaftlichen Lohnunternehmen gefunden. Thore freut sich auf das Erlebnis. Aber die Maisernte im winzigen Dorf Winsen wird auch für ihn ein Thema bleiben.