Hamburg. Die Schauspielerin über ihren Heimatort „Spaddeldidoot“, den neuen Film „Götter in Weiß“ und die ewige Lust aufs Theater.

Krankenhauskeime sind eine große Gefahr für das Leben der Patienten. Der Medizin-Thriller „Götter in Weiß“ trägt einen recht platten Titel, setzt sich aber auf spannende und vielschichtige Weise mit Hygieneproblemen in Krankenhäusern und ihren möglichen Ursachen auseinander. Die Hauptrolle in dem Film von Elmar Fischer spielt Claudia Michelsen als Ärztin Anna. An ihrer Seite agiert Anneke Kim Sarnau als undurchsichtige OP-Schwester Franziska. Die Schauspielerin überzeugt sonst in einem der stärksten TV-Ermittler-Duos zusammen mit Charly Hübner im „Polizeiruf 110“ aus Rostock. Begonnen hat die 1972 geborene Elmshornerin ihre Karriere am Wiener Burgtheater.

Frau Sarnau, Sie spielen hier eine für Ihre Verhältnisse sehr kleine Rolle. Hat Sie das nicht gestört?

Anneke Kim Sarnau: Nein. Es war sehr angenehm, den Film nicht tragen zu müssen und trotzdem eine Rolle zu spielen, die sehr wichtig ist. Franziska ist eine Geheimnisträgerin, die sich wie eine Schlange durch den Film windet. Das war für mich eine coole Herausforderung.

Wie hat Ihre erste Zusammenarbeit mit Regisseur Elmar Fischer funktioniert?

Sarnau: Angenehm, sensibel und humorvoll. Seine Frau Mina Tander ist in derselben Agentur wie ich. Ich kannte ihn bis dahin nur vom Sehen, dachte mir aber, wenn er mit Mina verheiratet ist, da kann er ja nur nett sein (lacht).

Wie gehen Sie an so eine Rolle heran?

Sarnau: Ich benutze dafür nicht die praktische Seite, sondern versuche mich emotional mit so einem Charakter auseinanderzusetzen. Hier bedeutete das: Wie kann ich vor mir selbst im Alltag geradestehen, wenn ich eigentlich die Böse bin?

Sie haben bisher noch nicht viele Schurkinnen gespielt.

Sarnau: Nein, würde ich aber gern öfter. Eine Ausnahme war „Eisfieber“, da war ich eine blonde Killer-Lady.

Haben Sie eigene Krankenhaus-Erfahrungen?

Sarnau: Ich war einmal als Kind dort, dann zur Geburt meiner beiden Kinder, danach nie wieder (Sie klopft auf Holz). Ärzte entscheiden nicht nur darüber, wie man mit einer Krankheit, sondern wie man generell mit den Kranken umgeht. Das kann ja schon Teil der Genesung und sollte auch Teil des wirtschaftlichen Konzepts von Krankenhäusern sein. Der Begriff „Götter“ für Ärzte stammt natürlich aus einer anderen, viel autoritätshörigeren Zeit. Aber vielleicht ist es ganz gut, sich noch einmal damit auseinanderzusetzen. Heute steht das soziale Miteinander an erster Stelle im Umgang zwischen Ärzten und Patienten. Unser Regisseur sagte, die Krankenhäuser in dem Film seien ein Symbol. Ihm ging es generell um den Verlust von sozialen Standards. Da läuft etwas falsch. In Deutschland könnte zum Beispiel ein Drittel aller im Krankenhaus entstandenen Infektionen (geschätzte 500.000 im Jahr, 15.000 Todesfälle) durch verbesserte Hygienestandards vermieden werden!

Ist es erfrischend, als Abwechslung zur erfolgreichen Reihe „Polizeiruf 110“ mal etwas völlig Anderes zu machen?

Sarnau: Es ist toll, wenn man das mal machen kann, dennoch: Ich liebe den „Polizeiruf“. Wir haben gerade den 17. gedreht. Ich kann meine Figur da immer wieder wie einen Mantel anziehen. Für mich ist Katrin König fast schon so etwas wie ein Parallel-Ich geworden. Sie ist eine Instanz, an der ich mich auch orientieren kann.

(Es folgt ein typischer, etwas dreckiger Anneke-Kim-Sarnau-Lacher. Herzerfrischend und laut.)

Charly Hübner, ich und unser Team diskutieren viel darüber, was jetzt noch mit Bukow und König passieren soll. Wie weit können wir da gehen? Charly und ich sind bereit, alles zu machen. Die lieben sich. Da muss man einfach in die Vollen gehen. Aber sie können sich nicht lieben wie alle anderen, und das muss eben auch gezeigt werden. Beim neuen Fall haben wir das noch nicht ganz fertige Drehbuch im Polizeirevier gelesen und schon ausprobiert. Am Ende haben wir es auf der Probenbühne im Schauspielhaus vor ein paar Leuten mit mehreren Requisiten und den Drehbüchern in der Hand durchgespielt. Das war für uns natürlich super, weil es unmittelbar hinterher zu einem Austausch kam, was wie funktioniert hatte. Wir treffen uns vor jedem „Polizeiruf 110“ auch mindestens einmal mit den Autoren. Das finden wir wichtig, damit die uns sehen, während wir die Texte lesen und das Buch besprechen.

Was viele Zuschauer nicht wissen: Die Innenaufnahmen des Rostocker Polizeireviers werden in einem ehemaligen Zollamt in Hamburg gedreht.

Sarnau: Auf den ersten Blick ist es dort unfassbar hässlich. Es ist eine Rotlichtgegend und dazu voller donnernder Lkw. Aber es hat auch schöne Ecken. Vor Kurzem haben wir in einem Ruderverein schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite Mittag essen dürfen. Anschließend saßen wir auf der Terrasse mit Blick auf die Bille. Ich bin dann dort mit der Kostümbildnerin noch schwimmen gegangen.

Was ist aus Ihrer Theaterleidenschaft geworden?

Sarnau: Wenn ich das noch einmal machen würde, hätte ich den Ehrgeiz, vor einem größeren Haus mit toller Regie und Kollegen zu spielen. Die Erfahrung mit Jürgen Gosch und den Kollegen am Hamburger Schauspielhaus war meine schönste. Aber das kostet natürlich auch Lebenszeit. Ich könnte dann wohl wochenlang nicht mit meinen Kindern sein. Trotzdem hätte ich noch ganz doll Lust darauf.

Wie kann man junge Leute für Kultur begeistern?

Sarnau: Indem man zum Beispiel endlich das Schulsystem etwas aufbricht und Unterricht nicht in so viereckigen Kästen stattfinden lässt mit Tischen und Stühlen. Man müsste mehr an die Individuen herantreten. Kinder müssten mehr Gelegenheit bekommen, um sich auszuprobieren. Der Lehrerberuf sollte insgesamt attraktiver, schöner, wichtiger und vor allem besser bezahlt werden, wie eigentlich alle sozialen Berufe. Kultur ist mittlerweile leider ein Luxus und keine Selbstverständlichkeit. Nicht in Bildung und Kultur zu investieren, in alle sozial relevanten Bereiche ist nicht nur mehr traurig, sondern fatal. Das ist, als würde man jeden Tag eine offene Wunde permanent ignorieren beziehungsweise falsch behandeln, um mal zurück zum Thema des Films zu kommen.

Wie machen Sie es mit Ihren eigenen Kindern?

Sarnau: Ich möchte sie zu sozial kompetenten Wesen erziehen. Bis meine Tochter geboren wurde, habe ich meinen Sohn zu fast jedem Dreh mitgenommen. Der hat schon viel gesehen. Im vergangenen Jahr konnte ich beide mit zur Arbeit nach Thailand nehmen. Das war für uns alle eine tolle Erfahrung. Kinder werden in Thailand meist freudig-liebevoll behandelt und bekommen eine schöne Aufmerksamkeit. Das war schön.

Sie leben in Berlin. Welches Verhältnis haben Sie heute zu ihrem Heimatort Klein Offenseth-Sparrieshoop im Kreis Pinneberg, den Sie früher liebevoll-spöttisch „Spaddeldidoot“ genannt haben?

Sarnau: In Spaddeldidoot bin ich immer noch häufiger, da leben meine Eltern. Ich freue mich immer sehr, wenn ich dort bin, bekomme leider aber auch leicht Heimweh. Da muss ich nur eine Möwe schreien hören, schon geht es los.

„Götter in Weiß“, Mi., 20.15 Uhr, Das Erste